Plattenkritik

108 - 18.61

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Release Date: 13.04.2010
Datum Review: 13.05.2010

108 - 18.61

 

 

„Wir haben hier knapp zwanzig Minuten übersteuerte Wut, wer möchte die haben?“ Irgendwann musste sich die innere Zerrissenheit Bahn brechen. Robert Fish ist raus. Übrig bleibt "18.61", ein sich windendes, noisiges, konzises, übellauniges Biest, dessen Genialität man zunächst beinahe überhört, da es so schnell vorbei ist.

Die Geschichte der Musik ist ja voll von gänzlich unterschiedlichen Charakterköpfen, die trotzdem nur im Schulterschluss die ganz großen Momente hervorzubringen vermochten. 108 sind bereits seit längerer Zeit schon Vic DiCara auf der einen und Robert Fish auf der anderen Seite des ideologischen Spektrums. Der Guru und der Skeptiker. Der Exaltierte und der Schweigsame. Das Metaphysische und das (neu gewonnene) Politische. Der Werdegang 108s ist somit voll von Brüchen, Meinungsverschiedenheiten und Rissen, die in Beziehungsgefügen entstehen, wenn tiefer Glaube und Skepsis aufeinander treffen. Man kann "18.61" jetzt genauso hören. Als Zeugnis für Zerrissenheit, denn Hass ist hier, trotz zahlreicher anstrengender Momente auf dichtestem Raum nicht die einzige Triebfeder. 108 drehen hier regelmäßig durch, ohne jedoch die Kontrolle zu verlieren.

So stürzen sich 108 denn auch ohne Vorwarnung ins Schlachtengetümmel. 'God Talk' massiert die Synapsen zunächst sehr unsanft, anstrengend und ausbrechend. Robert Fish klingt gleichermaßen unmittelbar wie höchstauthentisch angepisst. Es ist schon ein Kunststück für sich, so lange wie 108 dabei zu sein und einem sich beständig selbstbeschränkenden Genre neue Impulse zu entlocken oder es einfach mal auf links zu drehen. "18.61" gelingt dieses Kunststück mit teilweise brutal kurzen Songs, die davon zeugen wie es klingt, wenn jedes Bandmitglied sich zurücknimmt und nur das Nötigste rauslässt. Es wäre müßig darüber zu diskutieren, ob das Gehörte noch Hardcore ist. Eigentlich ist das völlig egal. Sitzen tut hier nämlich alles: das permanent klopfende Schlagzeug von Mike Justian, die surrenden, mitunter sehr hektischen Gitarren, der präsente Bass. Alles sitzt genau dort, wo es auch sitzen sollte: im Auge der Katastrophe. Alex Garcia Rivera hat hier wirklich ganze Arbeit geleistet. 'Forever Is Destroyed' könnte mit seinem reduzierten Schlagzeugfundament und der beinahe physisch spürbaren, fast übersteuerten Entrüstung von Robert Fish einer der besten „harten“ Songs des Jahres sein. 'Ashes/Dust' ist so unverschämt eingängig, dass nicht auffällt, was 108 eigentlich mit uns vorhaben. 'Mannequins' mäandert zunächst nervenzerrend („I am Satan and Jesus too…“) und bricht dann vollends aus. 'Crescent Moon' plättet alles in Blicknähe und braucht dafür trotz Breakdown nur eine knappe Minute.

Selbst das akustische, fünfminütige 'Early Funeral' (wieder so ein Bruch und vom Titel her sehr bezeichnend) ist nicht überflüssig. Spricht man in Zukunft von entschlackten, skelettierten, intelligent-niederträchtigen sowas-ähnliches-wie-Hardcore-Alben, dann sollte "18.61" keinesfalls unterschlagen werden. Die internen Widersprüche haben uns jedenfalls noch einmal ein aufregendes Album der Band beschert.

Tracklist:

01: God Talk
02: Crescent Moon
03: 18.61
04: Reduced
05: Relentless Masters
06: Fallen Angels
07: Mannequins
08: Ashes/Dust
09: Forever Is Destroyed
10: Early Funeral

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René

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