Plattenkritik

Bratze - Korrektur nach unten & die Notwendigkeit einer Übersetzung

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 19.03.2010
Datum Review: 30.03.2010

Bratze - Korrektur nach unten & die Notwendigkeit einer Übersetzung

 

 

Es hat zuweilen den Anschein, als wollten Teile des Audiolith-Rosters und BRATZE im Speziellen eine musikalische Randnotiz der letzten 30 Jahre zurück ins allgemeine Bewusstsein bringen. Damals, bevor DAVID HASSELHOFF die Mauer niedersang und damit für einen der surrealsten Momente der Fernsehgeschichte sorgte. Damals, als ARNOLD SCHWARZENEGGER noch reihenweise Bad Guys moralisch legitimiert über den Haufen schießen durfte. Damals jedenfalls hatte es sich eine ganze Generation von Nachwuchsmusikern in hiesigen Gefilden zur Aufgabe gemacht, uns über die wichtigen Dinge des Lebens in charmant-trashigen Textergüssen und mit betont minderwertigen Klangkulissen unterlegt aufzuklären. Die Neue Deutsche Welle kam, unterhielt, verstörte und war dann auch ziemlich schnell wieder ad acta gelegt. Weitergetextet wurde wieder auf Englisch.

So jedenfalls der Status Quo bis vor einigen Jahren. Zwischen Diskussionen über eine Deutschquote im hiesigen Radio und den neuen Nationalstolz im Hip Hop wurde zuweilen vergessen, dass neben all den SILBER-JULI-REVOLVERHELDEN auch deutschsprachige Musik mit Herz, Intelligenz und Verstand den Weg in Richtung einer breiteren Hörerschaft angetreten hatte. Ein Umstand, der dem sympathischen Audiolith-Label in den letzten zwei Jahren ordentlich in die Karten gespielt hat.

BRATZE haben davon schon in der Vergangenheit profitieren können und sich neben der geschickten Idee, aus den beiden Nordlichtern eine Art Supergroup im Kleinsformat zu machen, auch live einen Namen gemacht. Einen ziemlich guten sogar. Beim diesjährigen Audiolith-Fest in München waren sie für mich jedenfalls völlig unerwarteter Weise das Highlight dieses ohnehin ausgesprochen spaßigen Abends.

Nun also Album Nummer zwei und noch mehr als schon auf dem Erstling „Kraft“ fällt auf, dass man sich musikalisch gerne an die angesprochene NDW-Phase zurückerinnert, ohne dabei den zeitgemäßigen New Rave-Distortion-Faktor zu vergessen, textlich jedoch die im Titel schon angesprochene Übersetzungsnotwendigkeit tatsächlich ernst meint. Oder was soll man halten von Zeilen wie „Mutter, ich bin wahllos/hab davon leider nichts gemerkt./Kann ich mich zurückgeben/oder bleibt es mir verwehrt?“ Nein, da retten einen auch die gelegentlich eingestreuten Parolen Marke „Wir lassen uns das Singen nicht verbieten.“ nicht mehr, die in ihrer Schlichtheit fast schon wieder verstören. „Korrektur nach unten“ ist das Musik gewordene große Fragezeichen über meinem Kopf, bei dem jeglicher Interpretationsversuch auf einem Großteil der Songs schon in der nächsten Zeile wieder über den Haufen geworfen werden darf. Sozusagen die intellektuelle Version der Labelmates von EGOTRONIC. Oder vielleicht auch einfach nur ein großer Witz, der jedoch erst dechiffriert werden möchte. BRATZE lassen einen ratlos zurück. Erstaunlicherweise fühlt sich das verdammt gut an und live wird der erfrischend unverkrampfte Mix aus Neuer Deutscher Welle im völlig Un-FLERschen Sinne, Brachial-Elektronik Marke ED BANGER im Spielzeugparadies und Indiepop der tanzbaren Sorte mit Sicherheit dafür sorgen, dass die Frage nach der Übersetzung auf morgen vertagt werden kann.


Tracklist:

01. „Die auswendigen Muster“
02. „Menschen im Minus“
03. „Ohne das ist es nur noch laut“
04. „Ich und die Geister“
05. „Trapez“
06. „Mnchn, schon wieder dunkel“
07. „Dazu kann man gut klatschen“
08. „Pelikan“
09. „Das einfache Fluten“
10. „Molfsee“

Autor

Bild Autor

Manuel F.

Autoren Bio

Eher so der Kumpeltyp.