Plattenkritik

Callejon - Man Spricht Deutsch

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Release Date: 11.01.2013
Datum Review: 27.12.2012

Callejon - Man Spricht Deutsch

 

 

„Da ist es dann auch scheißegal, dass die degenerierte Sippschaft es nicht fertig bringt, eigene Songs zu schreiben, denn die Bauernflegel haben sich einfach mal die Bravohits der letzten 20 Jahre zur Brust genommen.“ Ohne Kalkül ist das Showbiz nicht zu meistern. Und da liegt es bei den pfiffigen Fünf auf der Hand, mal eben kurz nach Weihnachten ein „Worst Of“ der Bravo Hits zu veröffentlichen. Anstatt CALLEJON nennen sie sich KALLEJON und „man spricht deutsch“ soll nichts anderes als ein Statement gegen rechts sein. Alles schön und gut, so kurz nach dem Fest der Liebe kommen bei so viel geradliniger Interpretationspuzzleteilchen keine Hiebe; ansonsten könnte der Gedanke hochkochen, dass tatsächlich unter dem Deckmantel „Nazis raus“ vor allem Chartpositionen in intellektuellen Hinterköpfchen steckten. Oder nennen sie sich jetzt vorn KALLE, weil der ursprüngliche Name für native speaker so etwas wie „Sackgasse“ bedeutet?

Aber lassen wir das Rätselraten, sonst kommen wir nie dazu, endlich mal eine Neuinterpretation von Songs zu hören, die eigentlich schon seit Jahren mausetotgespielt sind. Bekanntlich jedoch leben Totgespielte länger, aber mehr als ein mit Geiz behaftetes Grinsemäulchen ist beim Durchlesen der Tracklist nicht drin. Und die Betonung liegt beim Durchlesen, denn wenn die Musik kommt, dann obsiegt der schlechte Geschmack.

Hauptkritik neben einer zu verulkenden Herangehensweise sind Bastis permanenten über- und untergelegten Schreie, die leider keine Liebe bekommen können. Mal unabhängig davon, dass Tracks wie „Durch den Monsun“, „Mein Block“ oder „Ein Kompliment“ völlig misslungen, weil strunzend langweilig, sind. Auch ist die Produktion nicht differenziert genug, alles klingt sehr matschig und miteinander verklebt. Ab und zu hätten bratende Gitarren und insgesamt mehr Aggressivität den Songs zu mehr Durchschlagskraft verhelfen können, so jedoch plätschert ein Album ohne Höhepunkte mit einem unangenehmen Schenkelklopfer-Discokugel-Feeling vor sich hin. Wer es schafft, bis zum „Major Tom“ zu kommen, wird hier sogar feststellen, dass zeitlose Songs Jahre später mit Vollgas vor ein Stopschild fahren können. Dafür gibt es einen Extrapunkt! Damit das jedoch nicht der einzige bleibt, ist der Band anzurechnen, dass sie sich von dem jeweiligen Vibe der einzelnen Smashhits lösen konnten und eine der Band ureigene Interpretation erschufen.

Gleich der Einstieg „Schrei nach Liebe“ zeigt allerdings das große Manko dieser Veröffentlichung. DIE ÄRZTE besangen damit Anfang der 90er den aufkeimenden Rechtsextremismus im vereinten Deutschland mit tollem Text und Glaubwürdigkeit. Mithin waren sie den trivialen Gegenwartlern oft einen Schritt voraus und trafen eine oberflächliche Gesellschaft im Kern. KALLEJON hingegen laufen dieser mit „man spricht deutsch“ wild gestikulierend hinterher und versuchen auf Teufel komm raus, mit allen Mitteln auf sich aufmerksam zu machen.

Tracklist:
01. Schrei nach Liebe (feat. Bela B.)
02. Schwule Mädchen
03. Alles neu
04. Ich find dich scheiße (feat. K.I.Z.)
05. Durch den Monsun
06. Mein Block
07. Ein Kompliment
08. Hier kommt Alex
09. Major Tom
10. MfG
11. Alles nur geklaut
12. Chicago (Premium Edition Bonustrack)
13. Boomerang (Premium Edition Bonustrack)

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Clement

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Ich fühle mich zu alt