Plattenkritik

Carpathian - Wanderlust EP

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Datum Review: 18.09.2010

Carpathian - Wanderlust EP

 

 

Kein Paradigmenwechsel im Weltschmerzhardcore und – oh – ein JOY DIVISION-Cover gar zum Schluss: CARPATHIAN machen so ziemlich exakt dort weiter, wo "Isolation" aufhörte. Man schöpft aus dem gleichen Zeichenvorrat, bedient sich ähnlicher Referenzen. Sicherlich, schlecht ist das nicht. Ein wenig mehr kommen müsste da schon.

„Dear lover where have you been writing me of all the things you have seen in your dreams…” So geht das los. Die Themen, also Verlust, Verlorenheit, angedeutete affektive Störungen und überhaupt das bleischwere Leben an sich, sind die immergleichen. „Today I found myself in hell soul sickness crept up inside.“ So geht das weiter. 'Wanderlust', der zweiminütige Opener auf CARPATHIANs neuestem (Über-)Lebenzeichen ist ein drückender, schwermütiger, bisweilen Doublebass und Chor bewehrter Groovebrocken. Allerdings: das alles kennen wir bereits. Auch 'Ironheart' verdichtet die urtypischen Trademarks. Wo besagtes "Isolation" bei seiner Veröffentlichung noch in eine Lücke stieß, die noch nicht inflationär besetzt schien und als Ganzes – wenn auch ziemlich pathosbeladen – funktionierte, ist "Wanderlust" Stückwerk mit einigen leuchtenden Momenten. Gerade dann nämlich, wenn man meint die beiden letzten Stücke einfach wegskippen und stattdessen einfach den Vorgänger auflegen zu können, läuft 'Monochrome': Gute MODERN LIFE IS WAR-Gedächtnisgitarren, flehender Gesang, vorsichtiges Drumming, das Wichtigste spielt sich im Hintergrund, im Unterbewussten ab. Der beste Song dieser EP, so darf es zukünftig gerne weitergehen. 'Shadowplay' kann dann auf zweierlei Arten gehört, gelesen, gedeutet werden. Als grobschlächtige, bisweilen arg forcierte Version eines JOY DIVISION Songs, der auf Teufel komm raus in ein Modern Hardcore-Korsett gezwängt wurde. Oder aber schlichtweg als eines der spannendsten, melodischsten, angenehm an Punk gemahnenden Stücke, das CARPATHIAN nie geschrieben haben.

Vielleicht ist das Problem an CARPATHIAN ja mittlerweile, dass wir ihnen ihr Suhlen in selbst gewähltem Schmerz nicht mehr so wirklich abkaufen. „Choosing poverty“, so hieß einmal ein Artikel über MODERN LIFE IS WAR im VICE-Magazine und beschrieb die totale Selbstaufgabe, das gute Elend einer Band, die den Zeichenvorrat, die Ideen des originären Punk so authentisch in die Jetzt-Zeit zu retten versuchten – und zwar mit allen Ambivalenzen - , dass dieses armselige, schrundige Leben einfach nötig schien. Mit CARPATHIAN sehen wir – etwas überspitzt formuliert – gut gestylte, halbdepressive Mittzwanziger mit teuren Turnschuhen, die auf Parkbänken schlafen und JOY DIVISION covern.

Tracklist:

01: Wanderlust
02: Ironheart
03: Monochrome
04: Shadowplay

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René

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