Es gibt Dinge im ach so objektiven (Musik-)Journalismus, die sind verpönt. Eines davon ist das Schreiben in der Ich-Form. Das macht man nicht. Das wäre nicht seriös. Ich bin Fan der US-amerikanischen Band HOT WATER MUSIC. Das waren jetzt bereits zwei Kardinalfehler in acht Zeilen.
Denn neben dem Schreiben in der Ich-Form darf man nicht „Fan“ sein einer Band, die aus dem Punk kommt. Im Punk und auch im Hardcore begegnen sich Band und Publikum auf Augenhöhe. Fan sein bedeutet: man steht irgendwie unter der Band und schaut hinauf. Das ist nicht richtig. Die Ticketpreise dieser Bands sind immer niedrig, die Platten auf Konzerten werden für maximal 10 Euro verscherbelt, man teilt sich Schweiß und Atemluft. Zwischen Band und Publikum passt kein Blatt Papier.
Leider bin ich nicht dazu in der Lage, Songs zu schreiben wie die US-amerikanische Band HOT WATER MUSIC. In dieser Hinsicht steht die Band also schon mal über mir. Auch habe ich keine Lust immer unterwegs zu sein – auf Tour – und ständig den Sockengeruch meiner Mitmusiker einzuatmen. Ich bin dreißig Jahre alt und froh über meine Freundin, meine Katze, meinen Job, meine Wohnung. In Köln sind die Mietpreise sehr hoch. Darüber beschwere ich mich nicht. Gentrifizierung hin oder her. HOT WATER MUSIC sind eine der wenigen Bands, die ich täglich hören kann. "Fuel For The Hate Game", "Forever And Counting", "No Division", "Caution", egal. Um sich von den Nachzüglern abzugrenzen, muss man eigentlich eine Platte der Frühphase auf den Lieblingsalbenthron hieven. Meine Lieblingsplatte ist "No Division", das hat strikt biographische Gründe. Es könnte genauso gut "Caution" sein, die ich beinahe ebenso häufig gehört habe. Trotzdem mag ich das Abgehackte, Störrische, Unperfekte, das Chaos der Stimmen der ganz alten HOT WATER MUSIC-Alben. George Rebelo ist mein Lieblingsangeberschlagzeuger. Und ich hasse es, wie Jason Black so unterm Kinn seinen Bass zupft. Immer, wenn irgendwo 'Turnstile', 'Translocation' oder 'Sound For Language' laufen, bekomme ich eine Gänsehaut. Jedes Mal. HOT WATER MUSIC sind für mich die einzig wahre Emoband des Planeten. Auf alle Zeit. "Hot Water Music" von Bukowski habe ich nicht gelesen.
Die Bandmitglieder von HOT WATER MUSIC leben andere Leben als ich. Chuck Ragan ist Zimmermann, ich bin Pädagoge. Sie alle trinken Whiskey. Mir wird von Whiskey schlecht. Chuck Ragan ist das, was man im Volksmund kernig nennt, alle paar Sekunden wächst sein Bart nach. Ich muss mich eine Woche lang nicht rasieren und es passiert: nichts. Ich schaffe bestimmt mehr Klimmzüge als Chris Wollard. Aber da hört es schon auf. Trotzdem glaube, nein fühle ich, was sie singen. Ich kaufe ihnen ihre Texte ab. Manchmal helfen sie mir über profane Dinge hinweg. Dann singe ich schief mit. Mir ist das nicht peinlich. Denn: perfekt singen können sie bis heute nicht.
Es gab eine Zeit, da existierten HOT WATER MUSIC nicht mehr. Split? Pause auf unbestimmte Zeit? Wer weiß das schon. Chuck Ragan wollte sich um seine Familie kümmern. Dann kam ihm seine Solokarriere (wieder so ein böses Wort) in den Weg, dann raufte sich die Band wieder zusammen. Wegen des Geldes? Sollen sie doch. Vor kurzem haben sie eine neue 7" veröffentlicht. "The Fire, The Steel, The Tread 7" schafft es den HOT WATER MUSIC-Soul auf eine neue Stufe zu heben. Chuck Ragans Stimme ist fast perfekt. Nur böse Zungen sprechen hier von Fernfahrerpunkrock. Der Song hat nichts Störrisches, Unperfektes oder Chaotisches. Das ist in Ordnung. Es ist ein guter Song. Nach dem ersten Hören, vor einiger Zeit, hatte ich einen Ohrwurm und Minuten danach immer noch Gänsehaut. Die Stimme von Chris Wollard mag ich auch. Ihr ist mehr Sehnsucht (hoppla) eingeschrieben. "Up To Nothing" wäre auf der Platte von THE DRAFT einer der stärksten Songs gewesen. Er ist etwas schneller und weniger tiefgründig, aber immer noch gut. Wenn HOT WATER MUSIC demnächst ihr erstes vollwertiges Album nach sieben oder acht Jahren veröffentlichen, werde ich es mir am Erscheinungstag kaufen. Ich bin Fan. Das wird so bleiben.
Tracklist:
01: The Fire, The Steel, The Tread
02: Up To Nothing