Plattenkritik

Ion Dissonance - Solace

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Info

Release Date: 06.09.2005
Datum Review: 03.10.2009

Ion Dissonance - Solace

 

 

„I am giving you a choice: Killing yourself or someone you love.”

ION DISSONANCE auf dem Höhepunkt ihres Zenits. Im Gepäck:„Solace“; die Vertonung eines Typens, den man sich ziemlich stoned in einer kleinen, muffigen Wohnung in Boxershorts vorstellen muss. Uhrzeit? Egal, Hauptsache dunkel. Ab und zu hört man nebenan mal jemanden schreien. Oder das Telefon klingeln. Ansonsten “Perdition City” von ULVER.

Musikalisch klingt das dann etwa wie „Calculating Infinity“ in depri. Und das eben war ein Seitenhieb auf die nicht minder abgefuckten Lyrics, die dem verstört-dissonanten Sound von „Solace“ noch das letzte Sahnehäubchen Psycho oben drauf geben. „It's like hammering the face of your little brother for him to stop crying...” Und während hier der lyrische Protagonist am Rande seines Zenits seinen inneren Horror offenbart, prügelt man instrumental recht schonungslos, ja man quält gar den Hörer, indem man kaum ein Lick bis zum Ende laufen lässt, viel lieber in ein völlig neues, absurd-anmutendes abdriftet, die Richtung nach Belieben ändert und so ein (typisch kanadisch-)verfrickeltes, unüberschaubares Chaos hinterlässt, welches sich (zumindest bei mir) selbst nach 20 (oder mehr) Hördurchgängen nicht so recht durchschauen lassen wollte – zumindest größtenteils. Und selbst Breakdowns sind hier scheinbar auch nur dazu da, schief und vermeintlich falsch gespielt zu werden.

„To be the one, that will show you that tomorrow's morning glory is gonna be tainted.”

Ich glaube, soviel Kopfschmerzen, soviel Arbeit hat mir noch keine Platte bereitet. Man fühlt sich recht unbeholfen, wenn man das erste Mal „Solace“ hört – und vor allem dann, wenn man den zwar immer noch leicht vertrackten, jedoch schon recht straighten Nachfolger „Minus The Herd“ kennt oder gar als Einstieg hatte. Aber das passt ja zur Platte, man will halt keine Friedefreudeeierkuchen-Geschichten erzählen, man will die tiefsten Abgründe des Menschen, man möchte jene Ästhetik, vor der der gesunde Menschenverstand medial die Augen verschließt, man möchte sich die eigene Depression in den Schatten stellen lassen oder mit krankhaft überspitzen Gedankenfetzen das innere Flämmchen zum Inferno umwandeln, während gefühlte einhundert Licks zur selben Sekunde aufs eigene Gemüt einprügeln. Ach ja: Bis jetzt betonte ich bloß, "Solace" klänge wirr und vertrackt. Jedoch ist es vor allem ihr spezieller, siebensaitiger Sound, aber auch das auf die Stimmbänder wirklich so gar nicht Rücksicht nehmende Krächzen und Schreien des mittlerweile leider abgegangenen Gabriel McCaughry, welches diese Platte so trefflich schmückt, welches dieses Album in solch ein Gewand der Grausamkeit – und dessen Faszination - kleidet. Und auch wenn es dann im abschließenden, ebenso schmückenden elfminütigen Finale langsamer, schleppender von Statten geht – oder vielleicht gerade deshalb – ist und bleibt „Solace“ vor allem eins: Für Leute mit einer Faszination vor Dingen, bei der man sich eigentlich Sorgen machen sollte…

„Yet I still think that all this crying, arguing and fighting, was good for nothing if in the end
I didn't kill her...”




Tracklist:

1. Play Dead And I'll Play Along
2. O.A.S.D
3. Cleansed By Silence
4. She's Strychnine
5. Nil :: Solaris
6. Lecturing Raskolnikov (Or How To Properly Stab An Old Widow)
7. You're Not Carving Deep Enough
8. Shut Up, I'm Trying To Worry
9. Signature
10. A Prelude Of Things Worst To Come

Autor

Bild Autor

Olivier H.

Autoren Bio

"They said, Do you believe in life after death? I said I believe in life after birth" - Cursed