Plattenkritik

Isis - Wavering Radiant

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 08.05.2009
Datum Review: 26.06.2009

Isis - Wavering Radiant

 

 

Ein bisschen Skepsis schwingt immer mit, wenn man ein neues Album aus dem Hause ISIS in den Händen hält und die Frage, ob sie den hohen Standard der letzten Alben halten können, ist allgegenwärtig. Gleichzeitig wird aber kaum ein Album von vielen Leuten so heiß herbei ersehnt als eben eines dieser Band. „In The Absence Of Truth“ schlug eine gänzlich andere Richtung ein, als es ein „Panopticon“ oder gar ein „Oceanic“ oder „The Red Sea“ tat und dennoch, oder gerade deswegen war es eine Überraschung auf ganzer Linie. Die Begeisterung war groß und doch spalteten sich die ISIS Anhänger in zwei Lager. Die einen fanden es grandios, den anderen war es zu melodisch und zu seicht. Aber in einem waren sich alle einig: ISIS sind gewachsen und das sogar über sich hinaus. Nun liegt mit „Wavering Radiant“ neues Material vor und man darf also gespannt sein, ob die Band den Weg von „In The Absence Of Truth“ konsequent weiterführt, oder doch wieder einen Schritt zurück macht.

„Wavering Radiant“ heißt er also, der neue Output und von der ersten Minute an fühlt man sich wohl aufgehoben. „Hall Of The Dead“ wartet mit den für die Band so bekannten Bassläufen auf und auch die Growls scheinen in gewohnter Manier wieder zu kehren. Wenn diese auf dem letzten Album oftmals ausblieben und Aaron Turner eher auf den cleanen Gesang setzte, so scheint es, als würde man sich wieder zurück besinnen und mehr auf das aggressive Geschrei setzen. Nebenbei gibt es wieder diese absolut wirkenden Melodien, diese unglaubliche Atmoshpäre, die ISIS gepachtet zu haben scheinen. Das macht sich dann auch gleich in „Ghost Key“, einem der Highlights des Albums noch extremer bemerkbar. Besonders gegen Ende des Songs werden hier alle Register gezogen und schon ist es um den Hörer geschehen. Man hat sich vollends in der Welt der Herren verloren und genießt einfach nur noch.

Man muss sich einfach auf ISIS einlassen und wenn man das geschafft hat, bekommt man auf „Wavering Radiant“ einfach unbezahlbare Momente geschenkt, die einem das Hörvergnügen mehr als nur versüßen. Dabei spielt die Band zu jeder Minute mit den Gefühlen des Hörers, wirbelt die Gedanken durcheinander und hinterlässt nicht selten einen emotionalen Scherbenhaufen. Das, was sich hier wie eine Huldigung anhört ist knallharte Realität. ISIS haben mit „Wavering Radiant“ wieder einmal etwas besonderes geschaffen. Alleine der letzte Track der Platte mit dem bedeutungsschwangeren Namen „Threshold Of Transformation“ würde reichen, um dieses Album als grandios bezeichen. Besser kann man eine Platte nicht beenden. Hier bedient man sich an einem ähnlichen musikalischen Element, wie Radiohead zu Zeiten von „Talk Show Host“ und knallt dem Hörer einfach einen epischen Part sondergleichen um die Ohren.

Wir befinden uns hier nicht mehr im Rahmen normaler Musik, denn was ISIS seit langer Zeit und auch besonders mit diesem Album abliefern ist ganz große Kunst. In den letzten Jahren hat man sich eine große Anhängerschaft aufgebaut und man weiß genau, wie man diese bei der Stange hält. Isis beherrschen den Spagat zwischen Sludge und Postrock besser, als die meisten ihrer „Konkurrenten“. Selten versprühte eine Band eine solch eine eigene Note und selten blieb man sich selber dabei derart treu. In ihrer Dramatik und Epik fühlen ISIS sich zu Hause und auch wenn sie die extremeren Zeiten verlassen haben, so können sie doch immer wieder mit ihren Ideen trumpfen und den geneigten „Fan“ glücklich machen. „Wavering Radiant“ ist dementsprechend ein absolutes Must Have, welches jedes CD- oder Plattenregal schmücken sollte!

Alex G.

--------------------------

Overthinking Overanalyzing

Was gibt man dem Kind für einen Namen? Postmetal: Das Wort Post ist meist schon der Name für die erzwungene Namenlosigkeit. Keine Schublade will so recht passen. Die Vorsilbe zeigt an, dass da auf Vorliegendes referiert wird - in diesem Falle Doom Metal, Postrock und allerlei anderes Post-iges - aber der Gestus der Ablehnung, die Bemühung nicht nur die ausgetrampelten Pfade der Tradition zu wählen ist unverkennbar. Auch ISIS schienen sich nicht recht wohl zu fühlen mit dem Status Quo. Aaron Turner, ihr Sänger und Gitarrist, nannte die eigene Musik einmal in selbstwidersprüchlicher Sloganartigkeit „Thinking Man’s Metal“. ISIS sind in der Folge zum Gesicht eines mittlerweile boomenden Bastards aus Postrock und schleppendem Metal geworden. Die Verknüpfung von Laut-Leise, von gefälliger Zartheit und überrumpelnder Heaviness in scheinbar grenzenlosen 8-Minuten Epen haben ISIS perfektioniert.

Auch auf der neuen Platte „Wavering Radiant“ kreieren sie ambientartige Klanglandschaften, die mit voller Wucht gegen die Wand kellertiefer Gitarren laufen, immer noch, stärker denn je, hinterlässt ihre Musik, ihre Bühnenpräsenz und ihr Artwork ein Gefühl der Ungewissheit. ISIS wecken die Neugier und den Entdeckergeist, sie suggerieren immer noch: da gibt es etwas auszugraben. So scheinen sie mit intellektualistischem Gestus daran zu arbeiten, einen fordernden Gesamteindruck zu hinterlassen, stapeln Schicht über Schicht und bieten dadurch einen Detailreichtum, der Abnutzungserscheinungen unwahrscheinlich macht. Aber diesmal erfolgt jeder neue Anlauf eher aus Ratlosigkeit: Die Zielsicherheit alter Tage scheint verloren zu sein, die zwingende Folgerichtigkeit zerfasert. Einige Richtungsänderungen sind unternommen worden, sie kommen keinen radikalen Zäsuren gleich, aber dennoch ist der Wunsch sich der Stagnation entgegenzustemmen erkennbar: Aaron Turners cleaner Gesang hat nochmals immens quantitativ wie qualitativ zugelegt, gleichwohl die ein oder andere Melodieführung verdächtig bekannt daherkommt. Das Keyboard erhält deutlich mehr Raum und färbt den Sound nun deutlich. Aber gerade an einigen dieser Stellen reißt ein bisher unbekanntes Problem auf: Die Dominanz der Orgel kann zum echten Nachtteil werden. Die beispiellose Brachialität bleibt dabei mitunter auf der Strecke. So wirkt es, als wollten sie nicht nur Ruhe und Sturm, Doom und Postrockiges, Laut und Leise in einem Song verschmelzen, sondern gleich in einer einzelnen Passage. Die Urgewalt des Beginns des letzten Songs, Threshold of Transformation, wird durch den organischen Orgelklang jedoch untergraben. An diesen Stellen wirkt die Band überambitioniert und gleichsam unentschlossen. Sie hält den einen klaren Gedanken nicht durch, weiß die riffgewaltige Wall of Sound und die feine Melodieführung alter Tage nicht mehr symbiotisch zusammenzuführen, indem sie sie gerade auseinanderhalten. So schichten sie zu viele Spuren übereinander, anstatt sie unverborgen strahlen zu lassen. ISIS sind komplexer geworden als auf ihren ersten drei Platten, keine Frage, aber sie wissen diese Komplexität häufig nicht zu reduzieren. Viel deutlicher als auf ihren Werken zuvor fehlt dem neuen Werk der rote Faden, mitunter übervolle Teilstücke schließen aneinander an ohne den Eindruck zu hinterlassen, nur genau so ergäbe all das Sinn, sei organisch gewachsen.

Freilich ist nicht alles ist schlecht geworden: Das Schlagzeugsound ist beeindruckend im Klang und mutig aus dem Hintergrund ins Rampenlicht gemischt. Der Beginn von „Stone to wake a serpent“ tänzelt optimistisch in einer Helligkeit, die für ISIS bis dato unerschließbar schien. „Threshold of Transformation“ reiht sich ein in die Reihe großer Closer, die diese Band immer zu schreiben wusste, und walzt in sehr mächtigen anderhalb ersten Minuten um dann über einer Offspring-artigen Gitarre (sic!, wer findet den Song?) schließlich in einen Toolschen Groove zu münden. Die zweite Hälfte von „20 minutes/ 40 years“ schlingert mit wunderbar nölender Gitarre und Trommelwirbel in sonst wohl nur von Envy so brillant vermessene Gefilde in engster Nähe zum Kitsch – ohne in ihn zu verfallen. An diesen Stellen thront erneut Aaron Turner mit heftigen Growls über dem Geschehen.

Wie so vielen werden ISIS Opfer ihrer eigenen Geschichte, ihrer eigenen Bedingtheit. Der Branchenprimus hat dem Genre retrospektiv mit „Panopticon“ von 2003 einen Meilenstein beschert. Mit dieser Veröffentlichung waren die alten Idole wie Neurosis und Mogwai endgültig aus der Erinnerung getilgt. „In the Absence of Truth“ aus dem Jahre 2006 legt Zeugnis darüber ab, wie die Band selbst um eine notwendige Neujustierung bemüht war. Wavering Radiant wirkt erschreckend klein neben den Gänsehautmomenten ihrer Vorgänger. Diese zeichnete vor allem eine innere Folgerichtigkeit, ihre Stringenz innerhalb eines Songs aus. In Fiction oder Garden of Light mögen dafür brillante Beispiele sein.
Griff der Titel ihrer letzten Veröffentlichung „In the Absence of Truth“ selbst ein postmodernes Paradigma auf, indem es den Verlust letzter Wahrheiten konstatierte, zeigt sich hier für den Enttäuschten die folgerichtige Schattenseite: Orientierungslosigkeit.

Nick

Tracklist:

01. Hall Of The Dead
02. Ghost Key
03. Hand Of The Host
04. Wavering Radiant
05. Stone To Wake A Serpant
06. 20 Minutes/40 Years
07. Threshold Of Transformation

Autor

Bild Autor

Alex G.

Autoren Bio

rien.