Plattenkritik

Melvins - Chicken Switch

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 25.09.2009
Datum Review: 11.09.2009

Melvins - Chicken Switch

 

 

Über eine Band wie die MELVINS muss man sicherlich nicht mehr viel sagen. Einen kleinen Abriss der Geschichte gibt es aber dennoch: Es war in etwas der Beginn der 80er Jahre, als sich Buzz Osborne, Matt Lukin (der später einmal bei MUDHONEY Bass spielen soll) und Mike Dillard zusammen taten und sich im Verlauf der nächsten zwei Dekaden ihre eigene Nische im Bereich der, salopp gesagt, „Rockmusik“ erschafften. Nicht für jeden erschließbar und unter Verschleiß des ein oder anderen Bassspielers und Schlagzeugers, schaffte man es ab 1986 mindestens einmal im Jahr mit einem Output, wie auch immer gearteter Natur, aufzuwarten. Die Fangemeinde wuchs, wenngleich die MELVINS für viele niemals über den Grad der Nischenband heraus kamen. Aber genau das machte sie immer so interessant und ließ sie über kurz oder lang zum Kult werden. In heutiger Besatzung, bestehend aus Buzz Osborne, Dale Crover, Coady Wills und Jared Warren entschied man sich schon vor etwa sechs Jahren dazu, ein Remix-Album aufzunehmen. Lange hat es gedauert, doch nun ist es endlich Wahrheit geworden. „Chicken Switch“ liegt vor und ist genau so, wie man es erwartet hat und doch ganz anders.

Viele Remix-Alben bestehen daraus, dass die Bands sich einen Spaß daraus machen, ihre eigenen Songs zu verwursten, sei es zum Vorteil, oder doch zum gänzlich anderen Extrem. THE MELVINS denken da ganz anders und lassen andere Menschen diesen Job erledigen. Um nur ein paar Namen zu nennen, befinden sich auf diesem Album Remixe der Band produziert durch solch bekannte Namen wie LEE RANALDO (SONIC YOUTH), MERZBOW, KAWABATA MAKOTO (ACID MOTHERS TEMPLE) und MATMOS. Namen, die vielleicht nicht jedem etwas sagen, aber doch bei vielen Leuten für Herzrhythmusstörungen sorgen werden. „Chicken Switch“ ist kein typisches Remix-Album, auf dem eine Band einen Song vorgegeben bekommt, den sie dann nach ihrer Facon verändern und interpretieren darf. Nein, die verschiedenen Acts hatten ein Album ihrer Wahl zur Verfügung und durften machen, was sie wollen. Daraus ergibt sich ein Sammelsurium von rockigen und vor allem nicht eingängigen Tracks („Washmachine Sk8tronics“) , elektronischem Gefrickel („Linkshänder“), bis hin zum stilvollen, ambienten Nichts ("Emperors Twaddle", „Prick Concrete/Revolution M“). Die MELVINS spielen seit ihrer Gründung in einer ganz eigenen Liga und das wissen auch die Interpreten. Was macht man also aus dem Backkatalog einer solchen Band? Ganz klar, man produziert noch krankeren Kram, als der gemeine Musikhörer eigentlich vertragen kann. Das Interessante daran ist aber, dass genau dieser Plan aufgeht und funktioniert. Letztendlich fügt sich alles zusammen und auch wieder nicht, denn die Tracks sind ihrer eigenen Art so unterschiedlich, wie sie nur sein können. Es geht von einem Extrem ins andere und bleibt auf einmal in völliger Ruhe stehen. Dann bricht wieder die Noise-Hölle aus und plötzlich befindet man sich in ganz anderen, fast sphärischen Welten. Mit Worten ist diese Platte nur schwer zu beschreiben.

15 Stücke wurden hier neu interpretiert, die alle ihren ganz eigenen Charme haben, aber sicherlich nicht bei jedem für Jubelschreie sorgen werden. Dafür sind die ohnehin schon nicht so leicht verdaulichen Originalstücke der MELVINS viel zu abstrakt geraten. Für Genrefans ist „Chicken Switch“ aber ein absolutes Highlight für dieses Jahr. Was bringt also so ein Album? Ganz einfach, es zeigt, wie relevant die MELVINS waren und sind, für eine musikalische Szene, die sich sicherlich nicht jedem erschließt. Das hört sich nun elitär an, so ist es aber nicht gemeint. Vielmehr soll damit zum Ausdruck kommen, dass es hier keine Musik gibt, die für den Zwischendurch-Konsum geeignet ist, sondern Musik von dem Schlag, mit dem man sich länger befassen muss, um auch nur den Ansatz von Verständnis für das Gehörte zu entwickeln. Das erfordert vor allem Zeit und eine Menge Geduld. Hat man diese aber übrig und die Muße, sich ein wenig mit den Klängen auseinander zu setzen, wird man nach und nach herausfinden, um was es hier eigentlich geht. Ich finde es riesig und würde von meiner Seite aus 9 Punkte für die wundervolle Variation und die teils mehr als vertrackten Tracks verteilen, der gemeine Leser dieses Magazins würde mich dann aber wohl für verrückt erklären und maximal fünf Punkte zücken. Ich suche also den Mittelweg, lasse die Objektivität siegen und vergebe sieben Punkte für eine tolle Platte, die man sich auf jeden Fall einmal anhören sollte.


Tracklist:

01. Eye Yamatsuka – Washmachine Sk8tronics
02. Christoph Heemann – Emperor Twaddle
03. V/VM – She Chokes Her Dying Breath & Does It In My Face
04. John Duncan - AAHHH!
05. Matmos - Linkshänder
06. Lee Ranaldo – EggNog Trilogy I) She´s Ivanhoe II) Cancer III) Inebriated
07. Merzbow – SNOW REM REM IBVZ
08. David Scott Stone – Prick Concrete/Revolution M
09. Panacea – Queen (Electroclash Remix)
10. Sunroof! - The Silky Apple Butter Of Youth
11. Kawabata Makoto - 4th Floor Helicopter
12. Farmersmanual – disp-tx-skel-mach-murx
13. Void Manes - Overgoat
14. RLW – Over From Under A Dog, Girl, Boy Treatment
15. Speedranch – Hard Revenge Milly Bloody Battle VS. The Melvins Ozmatized Gore Police

Autor

Bild Autor

Alex G.

Autoren Bio

rien.