Plattenkritik

Missbrauch - Vorhang Auf

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Release Date: 29.10.2010
Datum Review: 11.11.2010

Missbrauch - Vorhang Auf

 

 

Als ich so um die 16 Jahre alt war, gab es in meinem Freundeskreis ein paar Halbstarke und ihre ach so grandiose und revolutionäre Punkband, mit der sie Songs über die lokale Brauerei oder miese Spiesserschweine sangen. Da es ihnen vorrangig um saufen, saufen und Spaß (meistens besoffen) ging, waren die Texte stumpf und flach formuliert, die Musik eher grollend bis mässig und die Typen fraglich und wenig von Charakter zeugend.

Alle dieser Attribute treffen nicht direkt auf das neueste, doch schon 5. Werk der Münchener (Deutsch-)Punks von MISSBRAUCH (ja, MISSBRAUCH!) zu, aber mal ehrlich: Gerade im deutschen, politischen und cleveren Textwesen braucht in Zeiten von Intellekt und Sinn im Punkrock doch keiner mehr Tritratrulala-Grundschulfloskeln á la „Wie kann es sein, dass sie wieder marschieren, mit Fahnen in schwarz, weiß und rot? Wie kann es sein, warum lässt Du Dich so provozieren, von Idioten mit Köpfen voll Kot?“ („Hey, Staat!“) oder sogar „Haut bloß ab mit Eurer Scheiße, Eure Parolen will ich nicht hören, ich will zu Eurer Kameradschaft nie gehören...“ („Scheiße im Schafspelz“)...Es grüßt der 1,2 – 1,2 Reimkasper!

Wo man also verzweifelt nach Anspruch und Tiefgrund im Niedergeschrieben sucht, nervt zusätzlich ein klapperndes und zittriges Saxophon mit passenden Tritratrulala-Melodien, die einem mal Ska aufzwingen und mal einfach nur Platz füllen wollen. Spätestens bei „Darm Im Arsch“ werden doch wieder klare Gedanken an die Band der 16-Jährigen von früher wach. Meinen MISSBRAUCH das alles Ernst? Oder haben sie einen verklemmten Humor? Immerhin feierten sie jüngst ihr 18-jähriges Jubiläum! Was ist denn nun mit der Volljährigkeit? Braucht man denn heutzutage ein Punkerabi? Gibt´s zum Frühstück etwa täglich Chips und Hamburger?

Ein Großteil der Songtitel auf „Vorhang Auf“ sprechen leider Bände: „Armutszeugnis“ (hier quält die Bläserfraktion am fiesesten...) oder „SOS“, tja. Hier liefert die Band mitunter banale Stücke und nullachtfuffzehn Ware, mit wenigen, raren Ausnahmen und mittelprächtigen Ansätzen.
Sorry Bayern, aber in dieser Lektion „Deutschpunk“ (?) muss noch mal nachgesessen werden. Wer würde denn schon im Discounter einkaufen, wenn´s im Biomarkt dasselbe kostet? Gerade in letzter Zeit hat Deutschland genügend Potential und Klasse beim Output dieses Levels bewiesen, da muss sich mit diesem „MISSBRAUCH“ der Ohren keiner mehr abgeben. Außer die 16-jährigen Typen, die saufend über´s Saufen singen, vielleicht...

Tracklist:
1. Vorhang Auf
2. Flächenbrand
3. Grauzone
4. 10 Km
5. Mammon
6. Scheisse Im Schafspelz
7. Armutszeugnis
8. Augen Zu
9. Darm Im Arsch
10. Irland
11. Maden Im Speck
12. Stasi 2.0.
13. Hey Staat
14. SOS

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Moppi

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Alt, langweilig, tierlieb.