Plattenkritik

NOFX - Backstage Passport 2

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 16.11.2015
Datum Review: 16.11.2015
Format: DVD

NOFX - Backstage Passport 2

 

 

Was bisher Justin Bieber und Coldplay vorbehalten schien, zieht seine Kreise heute auch im Punkrock. Fanatische Fans lauern am Flughafen, schmeissen für einen Abend mit den Idolen den Job hin und nehmen tagelange Anfahrten in Kauf. Um dann in aller Hysterie von einem Haufen besoffener, verwöhnter Cali-Punk-Asseln verarscht zu werden? Keinesfalls.
 
NOFX und ihr Humor sind überall in der Welt zu Hause. Man muss nur die richtigen Mittäter finden. Wem das Verhalten zwischen Vorzeige-Anarchist, Punkprophet und Arschloch nicht passt, der findet den Draht zu Fat Mike und Co. vielleicht über die Musik. Diese spielt auf "Backstage Passport 2" eigentlich auch weiterhin die Hauptrolle. Mit ihrer eingespielten und (a)sozialisierten Crew reist das Gespann um Fatty, Hefe, Smelly und Melvin durch die Welt - oder hier hauptsächlich Südamerika - um offene Rechnungen zu begleichen. Eine Show in Lima soll ebenso nachgeholt werden wie ein Konzert in Kolumbien. Was zunächst nach Milchmädchenrechnung klingt, schraubt sich dank abgefahrener Venues wie einem rotten Amphitheater oder einem viel zu kleinen Kneipenraum in unfassbare Höhen. Dazu kommen die Behörden, die gerne auch in voller SWAT-Montur für ein Verhindern oder kurzfristiges Absagen der geplanten NOFX-Abende sorgen. Oder der Zoll. Oder die Veranstalter selbst. Damit es nicht langweilig wird, saufen, scherzen und koksen sich die vier Musiker galant von Date zu Date. Mal ist das lustig, etwa wenn Fat Mike sich nach durchzechter Nacht in Buenos Aires als Opfers eines Raubüberfalls sieht (jemand entreisst ihm auf der Strasse sein Telefon), sich erstmal im nächsten Sexshop mit Souvenirs versorgt und dann schliesslich mit der weiblichen Rentnerreisegruppe an der Hotelbar versackt. Eher schockierend (oder eigentlich mittlerweile auch nicht mehr) wird das Feierspektakel, wenn sich der Frontmann auf der Bühne zuschüttet und letztlich für den Facepalm vor der Glotze sorgt. Auf Vodka und Koks mit Essen um sich zu schmeissen, der verantwortungsvollen Crew die Nervenbänder anzusägen oder das Publikum mit einer mehr als lächerlichen Performance zurückzulassen trifft vielleicht nicht den Geschmack eines jeden NOFX-Fans - und sei er noch so abgestumpft.
Dennoch ist die Art von Reaktionshumor zumindest auf die Distanz eine gute bis manchmal brilliante. Zwischen Business-Class-Flügen und der Punkersafari im Koala-Camp sind NOFX eben auch noch oder nur Menschen. Das merkt man, wenn sich Fat Mike in Osteuropa die Zeit nimmt, vollkommen verblüfften Strassenkindern die Tattoos der Crew zu zeigen und auf einmal Tränen im Auge hat als Drum Tech Jay androht, die Chaotengang gegen einen ortsansässigen Job zu tauschen. Zwischen dem Wahnsinn im "Alltag" einer professionellen Produktion mit Tour Management und massiver Logistik im Rücken und dem Moment auf den es ankommt geben NOFX ihrer "Season 1" einen würdigen, wenn auch deutlich abgespeckteren Nachfolger an die Hand. Vieles ähnelt dem ersten Teil der Reality-Doku zu sehr, manche Momente wirken etwas "erpresst" und so richtig Comedyfieber kommt auch nicht auf, wenn sich Fat Mike und El Hefe fragen, wie sie sich im 16. Stock ihres Luxushotels zu verhalten haben, als dem heftigen Erdbeben in Chile eine Tsunamiwarnung für ihren aktuellen Standpunkt folgt. Dennoch lohnte es sich schon zu Zeiten von "Jackass" und Co., stets draufzuhalten wenn Alkohol oder blosser Klamauk ausgeteilt werden. Die Bonusfeatures aka "Lost Episodes" auf DVD Nummer 2 mit Einblicken gen Australien und Osteuropa lohnen sich mindestens genauso wie das Hauptfeature. Wer meint, punktouristisch schon alles erlebt zu haben, fährt statt im nächsten Jahr wieder zum FEST mal auf eine Show nach Bogota oder Russland. Von NOFX-Seite aus jedenfalls scheint sich die "Backstage Passport" Reihe nach Familiengründungen und neue privaten Perspektiven erstmal erledigt zu haben.
 

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Moppi

Autoren Bio

Alt, langweilig, tierlieb.