Plattenkritik

Pulling Teeth - Funerary

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 14.06.2011
Datum Review: 26.08.2011

Pulling Teeth - Funerary

 

 

Glaubt man meinem iPod, dann habe ich dieses Jahr keine Band öfter gehört als PULLING TEETH. „Martyr Immortal“ war ohne Zweifel das brutalste, teuflischste und angepissteste Hardcore-Album der letzten Jahre. Mein Gott, was für ein Abriss. Absolut straight, absolut kompromisslos, aber dank Death-Metal Schlagseite und rauem Punk-Charme von geradezu einzigartiger Boshaftigkeit. Mit dem Nachfolger kam die Ernüchterung. Experimente sind ja okay, aber das?! Gerade mal 2 1/2 Songs im gewohnten Stil, ansonsten nur langatmiger, bekiffter, noisig-doomiger... ja was eigentlich?! Schön, wenn eine Band nicht das macht, was man von ihr erwartet, aber „Paranoid Delusions/Paradise Illusions“ war schlicht zu viel des Guten. Abgehakt, denn mit „Funerary“ geht man zum Glück wieder einen großen Schritt auf all diejenigen zu, die sich die Zeiten von „Vicious Skin“ und dem besagten kleinen Klassiker „Martyr Immortal“ zurückwünschen. Auf die Experimente des Vorgängers mag man zwar trotzdem nicht verzichten, doch gelingt der Balance-Akt dieses Mal deutlich besser.

Die erste Hälfte von „Funerary“ ist schlichtweg als mörderisch zu bezeichnen. Nach dem Intro „A Bitter Harvest“ prasselt es mit „From Birth“ derart brutal auf einen ein, dass die Defizite des Vorgängers sofort vergessen sind. Im Grunde ein lupenreiner, rasender Death-Metal Song mit Mike Rileys unverwechselbaren, angepissten Vocals und einem Breakdown, bei dem einem Hören und Sehen vergeht. Letzterer wird veredelt von keinem geringeren als Justice Tripp (TRAPPED UNDER ICE), der mit seinem Gastauftritt am Mikro diesem zweieinhalb minütigen Gewaltakt die Krone aufsetzt. Mehr geht nicht. Doch mit „Extinction“ geht’s in gleicher Manier weiter. Rasend schnell, komplett gnadenlos und mit einem Breakdown ausgestattet, der den aktuellen US-Hurricane "Irene" reichlich schwachbrüstig aussehen lässt. Und obwohl die Gitarren eigentlich lupenreinen Death-Metal spielen, klingen PULLING TEETH so punkig wie in ihren besten Tagen. Auf „Brain Drain“ gibt sich The Human Furnace (RINGWORM) kurz die Ehre, danach schaltet man mit „The New Dark Ages“ erstmal in den düsteren Mid-Tempo Gang. „Grudgeholder“ und „Plastic Tombs“ schlagen dann wieder mit aller Brachialität in die „Martyr Immortal“ Kerbe und bereits jetzt steht fest, dass „Funerary“ die besten und ausgefeiltsten Songs enthält, die PULLING TEETH je geschrieben haben. Besonders die Gitarrenarbeit ist einfach nur als furios zu bezeichnen. Es kann folgen, was will – aus den Empfehlungen ist „Funerary“ nicht mehr rauszukriegen. Nein, auch nicht mit dem 10 Minuten langen, schleppenden und extrem wirren Titel-Track, der den Nerven wirklich alles abverlangt. Denn mit dem folgenden „At Peace“ wartet bereits wieder eine positive Überraschung. Deutlich songorientierter und melodischer wird hier ganz langsam eine bedrohliche Spannung aufgebaut, die sich am Ende mit ganzer Gewalt entlädt. Keine Ahnung, wer für den martialischen Gastauftritt am Ende verantwortlich ist (klingt zumindest nach dem RUN WITH THE HUNTED Sänger), aber da sitzt jede Silbe wie ein Handkantenschlag. Trotz 7 Minuten Länge gut hörbar – und das, obwohl mir Songs dieser Länge normaler Weise den letzten Nerv rauben. Zugegebener Weise macht es „Whispers“ mir da etwas schwerer. Irgendwo zwischen Sludge/Doom, Stoner-Rock und Ecstacy-Trip dümpelt der Song etwas orientierungslos vor sich hin, doch mit dem darauf folgenden „Waiting“ wartet dankenswerter Weise gleich der nächste erstaunlich gute Song. Zwar ist auch dieser reichlich spleenig, aber eben „intensiv“ statt „nervig“. Gleiches gilt auch für den letzten Track „Aug 29“, der eindrucksvoll beweist, dass PULLING TEETH jetzt auch die experimentelle Seite ihres schizophrenen musikalischen Ichs beherrschen. Dabei spielt es auch eine nicht ganz unwichtige Rolle, dass „Funerary“ klarer produziert ist als seine Vorgänger und die facettenreiche Gitarrenarbeit (gerade bei den experimentellen Passagen) viel besser zur Geltung kommt.

Was mit dem Vorgänger noch misslang, glückt PULLING TEETH mit „Funerary“ auf ganzer Linie. Entfesselt brutal auf der einen Seite und beeindruckend progressiv auf der Anderen wird hier eines der besten Alben des bisherigen Jahres abgeliefert. „A Bitter Harvest/From Birth“ dürfte schon jetzt als bester Album-Opener 2011 feststehen. Die komplette Vollbedienung.

TRACK LISTING:
1. A Bitter Harvest
2. From Birth
3. Extinction
4. Brain Drain
5. The New Dark Ages
6. Grudgeholder
7. Plastic Tombs
8. Funerary
9. At Peace
10. Whispers
11. Waiting
12. Aug 29

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Sascha

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