Plattenkritik

SIGH - Heir to Despair

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Info

Release Date: 16.11.2018
Datum Review: 09.11.2018
Format: CD Digital

Tracklist

 

1. Aletheia
2. Homo Homini Lupus
3. Hunters Not Horned
4. In Memories Delusional
5. Heresy I: Oblivium
6. Heresy II: Acosmism
7. Heresy III: Sub Species Aeternitatis
8. Hands of the String Puller
9. Heir to Despair

Band Mitglieder

 

Mirai Kawashima – Vocals, Keyboards, Flute, etc.
Satoshi Fujinami - Bass
Junichi Harashima – Drums
Dr. Mikannibal – Alto Saxophone, Female Vocals
You Oshima – Guitars

SIGH - Heir to Despair

 

 

Die japanischen Extreme-Metal-Urgesteine SIGH hauen demnächst mit "Heir to Despair" ihr elftes Album raus. Wer bereits mit den 1989 gegründeten Avantgardisten aus Tokio Bekanntschaft gemacht hat, der weiß, dass mit Überraschungen und einem gesunden Maß an Verwirrung unbedingt zu rechnen ist. Im Land der aufgehenden Sonne sind strikte Genregrenzen ohnehin eher verpönt und auch SIGH haben in ihrer beachtlichen Karriere schon einige musikalische Haken geschlagen. Dem ursprünglichen Black Metal skandinavischer Bauart fügten sie schon früh Keyboars und Horror-Elemente hinzu, was ihnen zeitweise den Ruf als "japanische Cradle of Filth" einbrachte, obwohl sie diese Entwicklung genaugenommen vorweg genommen haben. Auch vor Elementen aus Filmsoundtracks und klassischer Musik, Jazzeinlagen, zum festen Line-Up gehört seit 2007 auch eine Saxofonistin, und generell Abstechern in sämtliche Ecken der Rockmusik haben SIGH nie zurückgeschreckt, weshalb bei neuen Alben grundsätzlich mit allem zu rechnen ist.

 

Der Promozettel verrät, dass SIGH auf "Heir to Despair" diesmal bewusst darauf abgezielt haben, mit ihrer Musik ein japanisches/asiatisches Feeling zu vermitteln. Diesbezüglich geht der Opener "Aletheia" direkt voll in die Offensive und verbindet vituoses Gitarrenspiel mit asiatischen Melodien, Flöten, japanischen Trommeln und kehligem Gesang. Eine kleine Jazzeinlage am Ende des hypnotischen Siebenminüters lassen sich die Japaner ebenfalls nicht nehmen. "Homo Homini Lupus" weicht etwas von diesem Konzept ab; ein episches Maiden-Riff wechselt sich mit einer hektischen Mischung aus Thrash-, Death Metal und Punk ab, die manchmal an eine räudige Version früher SYSTEM OF A DOWN erinnert. Hier soll auch Phil Anselmo, der ja bekanntermaßen ein Herz für Kurioses und Skurriles hat, Gastvocals beigesteuert haben. Ehrlicherweise lässt sich das aber zwischen Mirai Kawshimas heiserem Gekeife nur schwer heraushören. Trotzdem eine der wohl prägnantesten und eingängigsten Nummern des Albums.

 

Auch "Hunters not Horned" lässt mit seiner Mischung aus fröhlichem Hardrock, Math-Einlagen und besonders in der zweiten Hälfte wieder verstärkt asiatisch anmutender Melodieführung und Instrumentierung aufhorchen. Dabei stechen immer wieder die beschwörenden Gesänge hevor, die sich auch im folgenden "In Memories Delusional" neben japanischen Trommeln, Flöten und schon fast doomigen Riffs wiederfinden. Auffällig ist, dass beide Nummern zwar sehr metallisch anfangen, sich im weiteren Verlauf aber mehr und mehr in folkloristische Sounds hineinsteigern und die japanische Herkunft der Band gradezu zelebrieren.

 

Der nun folgende Dreiteiler "Heresy" (I, II & III) dürfte bei einigen Zuhörern eher für große Fragezeichen sorgen, gibt man sich doch über einen Zeitraum von etwa zehn Minuten psychedelischen Trip-Hop-Sounds mit jazzigen Saxofoneinlagen und reichlich Hochtongefiepe hin. Der Metal-affine Konsument kann hier getrost mehrfach Gebrauch von der Skip-Taste machen. "Hands of the String Puller" kehrt danach glücklicherweise mit gallopierenden Metalriffs zum ursprünglichen Konzept der Platte zurück, während Kawashima dem Hörer die sprichwörtlichen Flötentöne beibringt. Die Nummer geht quasi nahtlos in das abschließende Titelstück über, bei dem besonders der traditionellen Ausrichtung des Albums viel Raum gewährt wird und die metallischen Parts lediglich als Rahmen für das folkloristische Gesamtbild dienen.

 

Insgesamt ist "Heir to Despair" wieder ein interessantes Album für aufgeschlossene Musikliebhaber geworden, das aufgrund seiner speziellen Ausrichtung aber sicherlich nicht für jeden uneingeschränkt empfehlenswert ist und mit seinem elektronisch trippigen Ausreißer "Heresy" besonders Metalheads vor den Kopf stoßen dürfte. Es lohnt sich aber definitiv, mal ein Ohr zu riskieren; für wen sich "Heir to Despair" jetzt besonders eignet ist allerdings schwer zu sagen.

 

Autor

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Hans

Autoren Bio

Meine großen Leidenschaften: Literatur und laute Musik. Plattenkritiken liegen nahe.