Plattenkritik

Slime - Sich Fügen Heißt Lügen

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Release Date: 15.06.2012
Datum Review: 13.06.2012

Slime - Sich Fügen Heißt Lügen

 

 

Die Anzahl bedeutender Jugenderinnerungen an diese Band steht in etwa im Verhältnis mit der Menge angewandter Haarfärbemittel, die damals genauso (ge)wichtig für Protest und Alltag waren, wie „Schweineherbst“ oder „Alle Gegen Alle“. Dass das „damals“ bereits achtzehn Jahre her ist, beflügeln die Hamburger Ikonen um Sänger Dirk Jora dieser Tage mit einigen Griffen in die Trickkiste, neuen Gesichtern an Bord und jeder Menge Nostalgie im Anflug.

Wo der eine sein Glück via Quizshow suchte, gab der andere zuvor bereits direkt dankend das Zepter weiter – in diesem Falle jenes des Schlagzeugers und - vor allem – des Texters. „Sich Fügen Heißt Lügen“ ist ohne Mastermind Stephan Mahler und sein Zutun entstanden – und teilt sich die Albumcredits stattdessen mit dem Dichter/Schriftsteller Erich Mühsam, dessen anarchistische Schreibe SLIME auf ihrem sechsten Studiorelease (und erstem nach der Reunion) vertonen. Funktionieren tut das, wie der Titelsong unweigerlich und um sich feuernd anzuschneiden weiß. SLIME: Man erkennt sofort das pöbelnd wütende Organ, dass die garstigen Riffs von einem Ast zum nächsten jagt. Einige Besetzungswechsel, dann die Reunion-Shows, die bereits 2010 in lautstarke Rufe Richtung Ausverkauf und Drama drifteten. Doch die dreizehn Songs nach der Wiedervereinigung halten sich wacker. Für SLIME im Jahre 2012 darf es sogar Piano oder Reggae sein – und neben unverkennbaren Einschnitten wie „Bürgers Alptraum“ oder „Bauchweh“ sitzt das Produkt mitsamt seinen Texten generell auch zufrieden und (wieder oder noch immer?) am richtigen Platz.

Trotzdem kleben Gedanken oder Hoffnungen auch an eindeutigen und gewaltigeren Zeilen, wie sie „Deutschland muss sterben“ „Brüllen“ oder „Wenn der Himmel brennt“ ihrer Zeit ins Rennen schickten - und die Band um die Gitarristen Elf und Christian Mevs in den Deutschpunkhimmel. „Revoluzzer“ werkelt sich gegen das „damals“ zu plump, „Seenot“ irgendwie zu hilflos aus den Boxen - mit „Wir geben nicht nach“ und „Zum Kampf“ bringen Jora und Co. dann wieder grollende Wollmilchsäue an den Start, wie sie gern gesehen und neben schleppenden Atemzügen („Bett aus Lehm und Jauche“) auch allgegenwärtig sind.

Musikalisch bleibt man sonst im vertrauten Umfeld: Hackende Drums, geradeaus schauende Gitarren und nicht den Hauch einer geleckten Produktion lässt „Sich Fügen Heißt Lügen“ auf sich kommen. Lieber kokelt es munter umher und protestiert, wütet und tänzelt direkt – trotzdem bleibt der wahre 360°-Arschtritt am Ende aus.
Bassistin Nici (MIMMIS), Elf, Christian, Neuschlagzeuger Alex Schwers (u.a. HASS, RASTA KNAST) und Taxifahrer Jora platzieren keinen Ausfall und keinerlei Überfluss auf ihrem sechsundvierzig Minuten langen Werk – und doch droht sich die Gesamtheit des Albums hin und wieder auszubremsen oder zu stagnieren.
Sei es der zu hohen Erwartungshaltung des Hörers oder der logischerweise stetig tickenden Uhr zu verdanken – die Tönungsfarbe im Iro hält eben nicht auch ewig frisch und bleicht vor allem mit dem intensiven Reinigen schneller aus.

Trackliste:

01. Sich Fügen Heißt Lügen
02. Rebellen
03. Freiheit In Ketten
04. Wir Geben Nicht Nach
05. Seenot
06. Bürgers Alptraum
07. Bett Aus Lehm Und Jauche
08. Revoluzzer
09. Trinklied
10. Zum Kampf
11. Bauchweh
12. Lumpen
13. Das Beil

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Moppi

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Alt, langweilig, tierlieb.