Plattenkritik

The Ghost Inside - Returners

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Release Date: 08.06.2010
Datum Review: 05.08.2010

The Ghost Inside - Returners

 

 

Nicht nur Musik an sich, sondern auch das Umfeld, in dem sie sich bewegt setzt zumeist vor allem auf eines: Rhythmus. Trends, sie kommen und gehen und nach einiger Zeit kommen sie wieder. In Zeiten des Internets und der ständigen Verfügbarkeit selbst von rumpeligen Black Metal-Kellerdemos obskurer Black Metal-Bands aus Kirgisistan verläuft dieser Zyklus zwar immer noch gleich, nur eben schneller.

So verwundert es nicht, dass der Metalcore, welcher Anfang bis Mitte der 2000er-Jahre ein mittelschweres Beben in der Sparte der eher heftigen Töne auslöste und daraufhin wie jeder zünftige Trend mit der Zeit durch die 163ste Variation ein und des selben AT THE GATES-Riffs und dem vermehrten Augenmerk auf die 164sten Breakdown an der exakt dafür maßgeschneiderten Stelle, auf den dann im Zweifel ein klar gesungener Refrain folgt, in den letzten Jahren trotz einiger etablierter und sogar einiger nach wie vor aufstrebender Bands (der Blick richtet sich gen Australien) eine gewisse Gesundschrumpfung erlebt hat und dies immer noch tut. Inmitten dieses Prozesses jedoch kommen auch wieder vermehrt junge und sehr spannende Bands zum Vorschein, eine durchaus auffällige Kurskorrektur inbegriffen. Seien es die Kalifornier von STICK TO YOUR GUNS oder die Engländer von THIS IS COLOR und THE EYES OF A TRAITOR, sie alle bringen dem Metalcore das zurück, was ihm nach der großen Flut an mittelmäßigen und schwachen Bands zuletzt abhanden gekommen zu sein schien: Energie, Emotionen und Spielfreude, die sich gerne auch mal in simpleren, aber ungemein wirkungsvollen Arrangements niederschlägt. Mit anderen Worten: der Hardcore hält wieder Einzug in eine vormals stark Metal-dominierte Musikrichtung, die das „core“ im Titel weniger aufgrund der Musik, als aufgrund der äußeren Erscheinung derjenigen, die sie spielen trug. THE GHOST INSIDE legen mit ihrem zweiten Album „Returners“ nun die Blaupause dieses (noch) sehr angenehmen Trends vor und liefern nebenbei das stärkste Metalcorealbum der letzten Jahre ab.

Dabei bedienen sich die Amerikaner zunächst mal vor allem eines großen Fundus an Musik, die es so schon x-mal gegeben hat. Straighte Hardcoreparts haben spätestens COMEBACK KID endgültig breitenwirksam ins neue Jahrtausend getragen, zermalmende Breakdowns waren seit jeher ein Markenzeichen im Metalcore und die Melodieführung erinnert mehr als nur einmal an die mächtigen MISERY SIGNALS. Was verblüfft sind also weniger die einzelnen Bestandteile, als vielmehr die absolute Unbekümmertheit, mit der sie verwoben werden. An keiner Stelle wirkt „Returners“ bemüht. Das Gegenteil ist der Fall. Das Album ist eine einzige Energiebombe, die den Spaß an dieser Musik genau so auf den Hörer überträgt, wie sie in Verbindung mit den so straight geradeaus geschriebenen wie großartigen Texten eine schier ungezügelte positive Energie vermittelt. Überhaupt ist Energie wohl eines der ersten Worte, das einem zu THE GHOST INSIDE einfällt. Lange ist es her, dass ein Album in knapp 40 Minuten eine dermaßene Power ausgestrahlt hat, ohne auch nur eine Sekunde zu langweilen. Auch das Gefühl, das alles schon mal gehört zu haben fällt völlig hintenüber angesichts der Zügellosigkeit und der smart reduzierten Songstrukturen. Hier wird Metalcore zunächst einmal entschlackt, um dann wieder erstarkt in die nächste Runde geschickt zu werden. Hintenüber fallen Gniedelsoli ebenso wie säuselnder Klargesang. Trotzdem ist jeder einzelne der elf Songs ein Hit und mit mehr Catchiness gesegnet, als es KILLSWITCH ENGAGE auf ihren drei letzten Alben zusammen gelungen wäre.

Dass darüber hinaus trotz durchaus häufig präsenter Moshparts auch noch jegliche Prolligkeit abgelegt wird und stattdessen völlig unpeinlich die so gerne fälschlich beschworene Unity im wohl definitiven Übersong der Platte „Unspoken“ ihr Comeback ausgerechnet auf einer dermaßen modern klingenden Platte feiert ist hierbei mehr als nur eine Randnotiz. Die Zeit der Selbstdarsteller im Pit, sie scheint abgelaufen. Singalongs und Stagedives rücken wieder vermehrt in den Mittelpunkt und das ist auch gut so. Im Zweifel sind THE GHOST INSIDE eben immer noch mehr Fluff Fest und weniger Pressure. Authenzität und Dienst am Kunden müssen sich nicht ausschließen, wenn genug Herzblut im Spiel ist. Ein großartiges Album einer tollen Bands, von der man schon im Vorfeld viel erwarten konnte, das aber dennoch in seiner Schlüssigkeit und seiner Hitdichte erstaunt. Gerne mehr davon. Bis das Pendel wieder zurückschwingt.

Tracklist:

01. Walk Away from the World
02. Greater Distance
03. Between the Lines
04. Unspoken
05. Overlooked
06. Chrono
07. The Conflict
08. Downbeat
09. The Returner
10. Through the Cracks
11. Truth and Temper

Autor

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Manuel F.

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Eher so der Kumpeltyp.