Plattenkritik

Three Mile Pilot - The Inevitable Past Is The Future Forgotten

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Info

Release Date: 28.09.2010
Datum Review: 23.09.2010

Three Mile Pilot - The Inevitable Past Is The Future Forgotten

 

 

Selten wurde weltvergessene, fatalistische und luzide Gitarrenmusik in jüngster Zeit so scheinbar leichtfüßig vertont wie auf THREE MILE PILOTs Quasi-Comeback Album. "The Inevitable Past Is The Future Forgotten" umkreist ein nicht näher beschriebenes, schattiges Zentrum. Am Ende warten der Tod, das Leben, der Weltraum, die pure Glückseligkeit mit offenen Armen. Sundownermusik, zwischen allen Stühlen.

Gibt es sowas eigentlich, sinnstiftende Rockmusik? Und muss diese dann zwangsläufig einhergehen mit bücherverschlingenden Texten, fiesen Griffbrettübungen und einem wie auch immer gearteten intellektuellen Überbau? Es existiert ja eigentlich nichts Affektierteres auf der Welt als Menschen, die sich über vermeintliche Kopflastigkeit in der Welt des schönen Klangs beschweren. Schnell ist man da mit dem Kunstkacke-Totschlagargument zur Hand. Nun, es gibt wahrlich schlimmeres. Trotzdem sind wir froh, wenn wir auf Bands verweisen können, die zu gleichen Teilen auf Kopf und Bauch und diverse Leerstellen zielen. Guter Konsens, Tiefgang, Poesie, Melodieseligkeit, Eskapismus, der Sinn hat. THREE MILE PILOT sind ein solche Band. Schon immer gewesen. Selbst eine Pause von nunmehr dreizehn Jahren, gekoppelt an die Spektrumserweiterung in Bands wie PINBACK und den abgründigen THE BLACK HEART PROCESSION wirkten sich eher Kreativität fördernd aus. So straff jedenfalls hat die Band zuvor nie musiziert.

Fallen wir einfach mal mit der Tür ins mehr als gut besuchte Haus: eine Menge sogenannter Indie-Rock-Bands würden sich für solcherlei blickdichtes, erhabenes, bisweilen verqueres, stets über den Dingen schwebendes genialisches Liedgut mehrerer Körperteile gleichzeitig entledigen. Verrätselter Großstadtblues, angedeuteter Prog, Enthemmung, Todeslieder, Euphorie, Wüstenrauschen, Pop und Piano gehen hier eine derart stimmige Verbindung ein, dass THREE MILE PILOT eigentlich eine der größten Bands unsere Tage sein müssten. Kühne Behauptungen? Die reinste, unironische Wahrheit! Einige Beispiele: nach dem herrlich unaufgeregten Auftakt 'Battle' samt Sirenengeheul und hüpfender Orgel, legen die drei aus San Diego mal ebenso einen derart schwerelosen, außerweltlichen mit reinen Glücksgefühlen durchwirkten Song wie 'Still Alive' aufs Parkett. Das ruhelose Bassspiel von Armistead Burwell Smith IV (aka Zach Smith von PINBACK) ist hier wie so häufig treibende Kraft. Und der harmoniebesoffene Semi-Refrain („Let’s drive, let’s just get away, let’s just see what happens next“) sollte auch einen gewissen Jesse Lacey erkennen lassen, wer die ungekrönten Könige entrückter Lebensatmosphäre sind. An dieser Stelle sind wir gerade mal bei Song Nr.2. Was soll da bitteschön noch kommen?

THREE MILE PILOT durchstoßen das häufig zitierte Herz der Finsternis noch des Öfteren. 'Grey Clouds' ist die ultimative Weltraumklage, beinahe unmerklich schleicht sich ein pluckernder Beat ein, der Refrain ist ein kleines Drama. Das ist Indie-Rock, der eigentlich mit nichts kokettiert außer seiner eigenen Vergänglichkeit. Oder halt der seiner Protagonisten. Pall Jenkins, Armistead Burwell Smith IV und Tom Zinser verfügen jedoch über genügend lexikalisches Musikwissen, um einen Song niemals zu entstellen. Bei aller gerechtfertigten Theatralik, bei aller Metaphernschwere steht selbiger stets im Mittelpunkt des Geschehens. 'Same Mistake' ist pianozentriert und beinahe unverschämt eingängig, 'One Falls Away' wiederum todtrauriger Kammerpop, detailverliebt. Lasset alle Hoffnung fahren…Überhaupt könnte man 'The Inevitable Past Is The Future Forgotten' als nicht eben lebensbejahendes Meisterwerk bezeichnen, wären da nicht diese unverschämten Melodien und eine geradezu beängstigende Lebensnähe. Xanax fressen sollen mal schön die anderen. In 'Days Of Wrath' werden die Saiten beinahe gelangweilt angeschlagen, das Schlagzeug poltert zurückhaltend und dann diese Melodie. Ganze Sonnengalaxien gehen kurzzeitig auf, verglühen, sind wieder Staub. Die wahre Widerhakenmusik. 'What’s In The Air?' klappt dann zum Ende hin den Sargdeckel ein Stück weit entschlossener zu, eine übermetaphyische Beerdigunsorgel kündet vom Ende aller Dinge, Pall Jenkins ergeht sich in seinem Mark Lanegan-Gedächtnis-Timbre, das Licht wird komplett herunter gedimmt. THREE MILE PILOT überleben auch das, die anderen und mit diesem Album (hoffentlich) sich selbst. Sie haben nie Menschenfleisch gegessen. Sie haben nie versucht, sich an die Regeln zu halten.„This is our battle and how it was won…“9,5


Tracklist:

01: Battle
02: Still Alive
03: Grey Clouds
04: Same Mistake
05: What I Lose
06: Left In Vain
07: The Threshold
08: One Falls Away
09: Days Of Wrath
10: Planets
11: What’s In The Air?
12: The Premonition

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René

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