Plattenkritik

Titan (US) - Sweet Dreams

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 18.10.2010
Datum Review: 12.11.2010

Titan (US) - Sweet Dreams

 

 

„Hey, die Kanadier von TITAN sind jetzt auf Relapse und bringen dort ihre neue Platte raus. Die besprichst du doch mal.“ So der erste Gedanke, als der Newsletter des altverdienten Extremmusik-Labels im E-Mail-Postfach landetete. Weltuntergangsmusik im geliebten BURIED INSIDE-Stil? Immer her damit! Nun ist „Sweet Dreams“ eine ganz und gar gewaltige Überraschung geworden. Erstens: Mensch, haben die sich verändert. Das klingt ja so ganz und gar nicht mehr apokalyptisch. Vielmehr regelrecht gut gelaunt. Zweitens: Wo ist das Geschrei? Und überhaupt, wo sind da so ganz generell die Vocals? Und drittens: seit wann benutzen die denn so viele Keyboards? Nun gut, irgendwann musste selbst mir dann doch unweigerlich auffallen dass das ja gar nicht die TITAN sind, mit denen ich gerechnet hatte, sondern vielmehr eine ganz andere Band (zudem auch noch aus den USA), die zufällig den gleichen Namen trägt. Also alle Erwartungshaltungen mal vorsichtshalber auf Null gesetzt und unbesehen rein ins Vergnügen. Und damit wären wir bei Überraschung Nummer Vier: die machen ja richtig, richtig, richtig geile Musik.

Jedes Jahr wird im finnischen Oulo die Weltmeisterschaft im Luftgitarre spielen ausgetragen. Da kann dann jeder zeigen, was er so vor dem heimischen Spiegel an akrobatischen und imaginativen Fähigkeiten gesammelt hat. Gut möglich, dass schon nächstes Jahr auch TITAN einen Song hierzu beisteuern können. Auf „Sweet Dreams“ wimmelt es nämlich nur so vor großartigen, verspielten Soli und markanten Riffs, die einem im Grunde gar keine andere Wahl lassen, als sich ganz und gar affig im geschützten Mikrokosmos des eigenen Zimmers daneben zu benehmen. Da ich ja vorhin von Relapse als „Extremmusik-Label“ geschrieben habe muss ich jetzt wohl etwas zurück rudern. Nichts an diesem Album ist in irgendeiner Weise grenzüberschreitend, herausfordernd oder extravagant. Halt nein, so stimmt das auch nicht. Was hier nämlich geradezu extrem ist, das ist die Spielfreude der Band und die schiere Wucht, mit der sich diese auf den Hörer überträgt. „Sweet Dreams“ ist eine Musik gewordene Endorphinbombe, den Energiepegel stest am Anschlag haltend, dabei aber nie nervtötend.

Dass die Band dabei größtenteils instrumental agiert fällt einem folglich auch erst dann auf, wenn sich in „Wooded Altar Beyond The Wander“ dann doch mal kurzzeitig BLACK SABBATH-Gedächtnisvocals in den hochenergetischen Sound mischen, bevor sie dann aber auch schnell wieder den schier unglaublichen Soli-Fähigkeiten der Gitarristen weichen. Wer das „Blue Album“ von BARONESS oder ganz generell THE SWORD für das Nonplusultra der Gitarrengniedelei der letzten Jahre gehalten hat, sollte dies noch einmal überdenken. Wie letztere haben auch TITAN einen ausgeprägten Hang zum psychidelischen Siebziger Jahre-Rock, ohne dabei aber wie Wiederkäuer zu klingen. Dafür ist ihr Sound dann doch gelegentlich zu vertrackt und erinnert hin und wieder an die neueren MASTODON-Alben. „Sweet Dreams“ schafft es, mit dem einen Bein tief in der Vergangenheit verwurzelt zu sein, mit dem anderen aber fast schon in Richtung der Zukunft der Rockmusik zu zeigen. Damit sind TITAN weder Post-Rock, noch Post-Metal sondern allerhöchstens Post-Zurückhaltung. Das aber mit drei dicken Ausrufezeichen.

Also liebe Freunde der Rockmusik. Wenn ihr nach der letzten THE SWORD noch das finanzielle Kontigent für eine weitere Platte dieses Jahr habt (und davon gehe ich doch mal stark aus), dann lasst es diese sein. „Sweet Dreams“ ist das wohl verspielteste, spaßigste und schlichtweg beste Rockalbum des Jahres und eine riesengroße Überraschung. Kaum auszudenken, wie die live abgehen müssen.

Tracklist:

1.„Sweet Dreams“
2.„Synthasaurs“
3.„Wooded Altar Beyond The Wander“
4.„Highlands Of Orick“
5.„Maximum Soberdrive“

Autor

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Manuel F.

Autoren Bio

Eher so der Kumpeltyp.