03.04.2007: My Chemical Romance, Funeral For A Friend - Köln - Palladium

03.04.2007
 

 


Paraden werden in der westlichen Kultur zu unterschiedlichen Zwecken aufgeführt: im Falle des MY CHEMICAL ROMANCE- Konzerts am 03.04. in Köln lässt nur sehr schwer entscheiden, ob es sich dabei eher um einen Triumphzug oder einen Trauermarsch handelte. Fans der Band befürworten aufgrund des hohen Party-Faktors erstere Interpretation. Außenstehende sehen durch den nicht zu verbergenden Pathos der gesamten Inszenierung die Authentizität von Emo eher zu Grabe getragen. In diesem Zusammenhang stellt sich ebenso die Frage nach dem Sinn bzw. Unsinn einer solchen Review: die Anhänger des Triumphators werden sich durch solcherlei Kritik nicht beirren lassen, wodurch sich die Gegner ihrer Begeisterung wiederum bestätigt fühlen. Oder kurz gesagt: warum überhaupt etwas schreiben? Aber rollen wir das Feld erst einmal von vorne auf...

Grundsätzlich gilt bei solchen Auftritten: Menschen jenseits der Zwanzig stellen sich am besten direkt in die Elternecke (hinten links). Durch diese Maßnahme wird niemand verletzt, sobald, nach dem sehr guten Auftritt von FUNERAL FOR A FRIEND, der Hauptact das Publikum direkt mit den ersten Akkorden von „Dead!“ zum Toben bringt. Durch eine raffinierte Songauswahl gelingt es „MyChäääm“ diese Begeisterung noch weiter zu steigern, bis es bei „Welcome to the Black Parade“ sowieso nirgendwo mehr ein Halten gibt.

Das Publikum feiert sich selbst und die Band. Wobei es doch aufgrund seiner beeindruckenden Textsicherheit („Teenagers“) und der scheinbar endlosen Ausdauer legitim zu fragen ist, wer hier wegen wem angereist ist. Selbst die Balladen „I don’t love you“ und „Cancer“ werden emphatisch gefeiert, um schließlich beim letzten Song „Helena“ die einst so souveränen Erziehungsberechtigten zum Tanzen zu bringen. Also doch alles Triumph, oder wie?

Nicht ganz: die interessanten Aspekte der schwarzen Parade verbergen sich im Detail. Die Fünf aus Jersey treten als Band auf, auf der Bühne wirklich präsent ist lediglich Sänger Gerard Way. Dieser wiederum beschwert sich in seinen Ansagen über die Niveaulosigkeit der deutschen Presse, tut sich selbst aber vornehmlich durch den ständigen Gebrauch des F- Wortes und seiner mehr schlecht als recht konzipierten Freddy. Mercury- Imitation hervor. (Aber Niveau sieht ja auch nur von unten aus wie Arroganz, nicht wahr?) Dennoch lassen sich auch positive Verdrehungen finden: die Dynamik der Parade und ihr pink-schwarz gestreiftes Äußeres werden wesentlich von nicht mehr ganz pubertierenden Mädchen bestimmt, die Männer im Publikum dürfen sich als Randgruppe fühlen. Es scheint, als habe zumindest in dieser Welt die Emanzipation entscheidende Erfolge erzielt. Gleiches gilt für die musikalische Ebene: obwohl es ja gemeinhin bekannt ist, dass MCR gerne mit dem Pathetischen arbeiten, um es dadurch zu dekonstruieren, kommt live ein weiterer Aspekt hinzu. Das Andere des Anderen der Texte tritt im Verlaufe des Abends immer deutlicher zu Tage: irgendwann erscheinen selbst dem kritischsten Beobachter die Zeilen nicht mehr so überzogen, sondern vielmehr sehr stimmig und passend, wenn auch nicht in ihrer Gesamtaussage, zur Performance. Vielleicht lässt sich dieser Aspekt als bemerkenswert herausstellen und somit den Sinn dieser Review gewährleisten: ist man kein Fan, über 20 und auch nicht suizidal veranlagt, ist es dennoch interessant zu sehen, wie eine Band, die so gewollt mehrdimensional angelegt ist wie MCR, auf ihren Konzerten, durch die Interaktion mit ihrer frenetischen Anhängerschaft weitere Dimensionen hinzugewinnt, die so weder durch ihr neuerdings wieder erdunkeltes Mastermind, noch das jeweilige Management vorausgeplant werden können. Oder wie Rudi Carrell sagen würde: Lass’ dich überraschen!!