04.03.2016: Gorilla Biscuits, Modern Life is War, Touché Amoré, Miles Away, GWLT - Essen - Weststadthalle

17.03.2016
 

 

GWLT – vier Buchstaben die sicherlich nahezu jeder, der sich für die Hardcore-Szene interessiert, im letzten Jahr mal gelesen haben dürfte. Doch für die meisten ist die Band aus München sicher noch ein ebenso unbeschriebenes Blatt wie für mich. Klar, man hat da mal reingehört. Das klingt irgendwie nach Such A Surge, sagen die Alteingesessenen. Komische Mischung, sagen viele der Jüngeren. Man weiß auch, dass GWLT scheinbar eine von Anfang an durchkalkulierte Band ist, die das Ganze sehr professionell angeht und dabei eine Message rüberbringen will. Let It Burn dabei im Rücken zu haben, kann natürlich nicht schaden. Doch geht die Rechnung auf? Was letztendlich in unserer Musikszene zählt, sind natürlich die Live-Auftritte. Und ich denke der Großteil der Besucher des Together Fests fragt sich: Was macht diese Band in diesem Line-Up? Meine Erwartungen bestätigen sich beim Betreten der Weststadthalle: Der Laden ist zwar bereits gut gefüllt, aber vor der Bühne herrscht eine gähnende Leere. Dabei spielt sicherlich der undankbare Opener-Slot um 18.30 Uhr eine Rolle, auch obwohl es ein Freitagabend ist. Doch der Funke will, so sehe ich das zumindest, so gar nicht überspringen und GWLT sehen dabei ein wenig verloren aus. Dass die Band mit Selbstbewusstsein dabei ist und voll hinter ihrem Projekt steht wird bei den Ansagen klar. Während der Songs allerdings wirken die Musiker deutlich unsicherer, was auch an den riesigen Hallen liegen mag, in denen GWLT im Rahmen dieser Tour auftreten. Im AZ kann ich mir die Band allerdings auch nicht vorstellen. Und obwohl „Die Grundmauern der Furcht“ ein Song ist, der kaum einladender zum Mitsingen sein könnte, funktioniert das in Essen nicht einmal ansatzweise. Ihren Platz hat diese Band meiner Meinung nach einfach nicht in einem solchen Line-Up, denn es handelt sich um die einzige Kapelle, die kein bisschen Punk-Ethos ausstrahlt. Ich sehe GWLT eher auf den Impericon Festivals neben Bands wie A Traitor Like Judas und Vitja als vor einem Gorilla Biscuits Publikum. Und ja, es ist irgendwie schade, dass man auf einer Veranstaltung namens Together Festival über die Parallelgesellschaften innerhalb der Hardcore-Szene nachdenkt. Ist aber nun mal schon seit Jahren Realität.

 

 

Weiter geht es mit MILES AWAY, einer Band die sich seit 5 Jahren nicht mehr in Europa hat blicken lassen. Kennt die noch jemand, oder sind sie in der Versenkung verschwunden? „Damals“, als der melodische Hardcore noch verbreiteter war, waren die Australier gefühlt jedem ein Begriff. Nicht zuletzt, weil ihr Album „Endless Roads“ nun wirklich eine verdammt gute Scheibe war und wahrscheinlich für immer ihr Referenzwerk bleiben wird. Dass MILES AWAY jedoch letztes Jahr mit „Tide“ nachgelegt haben, hat kaum Wellen geschlagen. Und das lässt sich auch heute in der Weststadthalle spüren. Das Publikum taut nur langsam auf, und das vor allem bei Songs wie eben „Endless Roads“, „Ghostwriter“ oder „Brainwashed“. Zwischendurch, bei den älteren, aber auch bei den ganz neuen Songs, tut sich nicht viel. Den Charme einer jungen, frischen Band, die richtig was reissen will, haben MILES AWAY leider nicht mehr. Eher kommt die Band so rüber, als sei sie sehr dankbar für diese Gelegenheit und ein bisschen überrascht darüber. Dennoch macht sie einen guten Job als Anheizer für das, was nach ihr noch kommen soll. Auch wenn MILES AWAY dem mächtigen Sound auf der Bühne in der Weststadthalle nicht ganz gerecht werden können und da stellenweise Mal ein bisschen der Dampf fehlt. Sehr schön zu sehen ist, dass beim letzten Song „Anywhere“ nochmal richtig viele Leute mitmachen. Wenn „Endless Roads“ das Referenzalbum von MILES AWAY ist, dann ist „Anywhere“ der Referenzsongs, nicht zuletzt aufgrund des Textes. Doch das ist nur ein kleiner Vorgeschmack dafür, was bei den nächsten drei Bands passieren sollte.

 

TOUCHÉ AMORÉ sind nun wirklich ein Phänomen. Die Band kommt in Europa fast so oft auf Tour wie Terror, aber schafft es, dass bei ihren Shows irgendwie immer mehr los ist. Die Leute werden einfach nicht satt. Und das, obwohl das letzte Album „Is Survived By“ nun auch schon zweieinhalb Jahre auf dem Buckel hat. „Pathfinder“ und „Home Away From Here“ eröffnen einen Stagedive- und Mitsing-Reigen sondergleichen. Die Band wirkt kein Stück ausgelaugt oder ausgebrannt von ihrem intensiven Touren in den letzten Jahren, sondern immer noch frisch wie bei ihrem ersten Mal in Europa. Nur scheint sie irgendwie mehr daran gewöhnt, dass die Hölle vor der Bühne losbricht. Über das ganze, über 40 Minuten lange Set bricht die Stimmung nicht ein. Lediglich bei einem neuen Song namens „New Halloween“ gönnen sich die Fans eine Pause und hören aufmerksam zu. Ein neues Album soll, wenn alles glatt läuft, noch Ende dieses Jahres erscheinen. Meiner Meinung nach bleibt zu hoffen, dass TOUCHÉ AMORÉ zu den kurzen und energetischen Songstrukturen zurückfinden, die sie am besten beherrschen, doch der neue Song lässt anderes vermuten und hebt deutlicher denn je die Indie-Einflüsse der Band aus Los Angeles hervor. Selten war eine Lead-Gitarre in einem ihrer Lieder poppiger, und der Song ist nun wirklich kein schneller. Doch dass TOUCHÉ AMORÉ auch langsame Tempi beherrschen und damit Atmosphäre aufbauen können, beweist nicht zuletzt „Gravity, Metaphorically“. Die Songs von „Is Survived By“ kommen meines Erachtens gemessen anhand der Reaktion der Zuschauer etwas schlechter weg als die älteren, doch ohnehin beschränkt sich die Band dabei auf „Just Exist“, „Praise/Love“ und „Anyone/Anything“. Seltsam, oder? Sogar vom ersten Album kommt da mehr, heute unter anderem ein Live-Feature von Jeffrey Eaton bei „Always Running, Never Looking Back“ und mit „Adieux“ ein Song, der nicht immer in der Setlist zu finden ist. Dauerbrenner sind natürlich „And Now It’s Happening Mine“ und „~“ und als krönender Abschluss dann „Honest Sleep“. Können TOUCHÉ AMORÉ etwas falsch machen? Live macht es nicht den Eindruck. Ein Album mehr, auf das man 2016 sehr gespannt sein kann.

 

 

Dass ich innerhalb von 3 Jahren jedes Jahr die Gelegenheit bekomme, MODERN LIFE IS WAR zu sehen, das hätte ich vor 5 Jahren niemandem geglaubt. Aber es ist nichts, worüber ich mich beschweren möchte, denn die Band aus Iowa ist ein Garant für eine gute Live-Show mit viel Publikumsbeteiligung. Ich weiß ja nicht, wie die Touren vor dem Break-Up so liefen, aber vermutlich waren die Besucherzahlen überschaubarer. MODERN LIFE IS WAR füllen ein Loch, das innerhalb der Hardcore-Szene in den letzten Jahren mit der Auflösung vieler ähnlicher Bands entstanden ist, das merkt man auch in Essen deutlich. Auch von jungen, neuen Fans bekommen sie viel Zulauf. Daher kann das Live-Set von MLIW mit dem von Touché Amoré mithalten, was alles andere als selbstverständlich ist. Eröffnet wird die Show wie meistens mit „The Outsiders“ und „Martin Atchet“, wobei MODERN LIFE IS WAR auf dieser Tour mächtig ihre Setlists variiert haben und einige Songs gespielt haben, die ich vorher noch nicht live gehört hatte („These Mad Dogs of Glory“ und „Health, Wealth & Peace“ in Wiesbaden, „Brothers in Arms Forever“ in Essen). „Momentum“ wird wohl der beste MLIW-Song bleiben, den ich nie live erleben werde. Auch auf den Titeltrack des neuen Albums „Fever Hunting“, der scheinbar in Berlin und Leipzig zum Besten gegeben wurde, wartet man heute vergebens. Dann gibt es natürlich noch die Songs, die nie fehlen dürfen und bei denen das Stagedive-Barometer selbst Scott Vogel zufrieden stellen dürften: „By the Sea“, „First & Ellen“ und selbstverständlich allen voran „D.E.A.D.R.A.M.O.N.E.S.“ legen die Messlatte für Civ und Walter Schreifels ganz schön hoch. Interessant finde ich auf dieser Tour den starken Kontrast zwischen den Frontmännern Jeremy Bolm und Jeffrey Eaton. Während der erste bei jeder Gelegenheit versucht, das Publikum einzubinden, gerne und mit einem Grinsen auf den Backen ein paar Zeilen redet und fast schon überaffektiert wirkt, wirkt Eaton fast wie in seiner eigenen Welt und deutlich zurückhaltender. Das ändert allerdings nichts daran, dass die Zuschauer bei der Stange bleiben und das ganze Set frenetisch abfeiern. Vielleicht ist das Abgeklärtheit, die mit den Jahren kommt. Die Abgeklärtheit einer erwachsen gewordenen Band, die nicht mehr länger als 2 Wochen am Stück auf Tour gehen wird. Vielleicht war es schon immer so. Ich werde es nie erfahren. Bolm jedenfalls greift bei „D.E.A.D.R.A.M.O.N.E.S.“ zum zweiten Mikrofon und hat sichtlich seinen Spaß am Auftritt von MODERN LIFE IS WAR. Vom Bewunderer zum Tour-Kollegen innerhalb weniger Jahre. Ein wahrgewordener Traum. Der wahnsinnige Arbeits-Ethos von Touché Amoré macht’s möglich.

 

 

Und auch eine Tour mit den legendären GORILLA BISCUITS zu spielen, dürfte für alle Beteiligten wohl eine Ehre sein. Wenige Hardcore-Bands waren prägender für die Zeit, die nach ihnen kam. Und bei den Biscuits reden wir da von einem einzigen Album, das vor PMA nur so strotzt und einen starken Gegensatz zu dem typischen Tough-Guy-Hardcore darstellt, den man aus New York zu dieser Zeit so kannte und auch heute noch kennt. Trotz der starken Auftritte von Touché Amoré und Modern Life is War werden die GORILLA BISCUITS von der ersten Sekunde von „New Direction“ an ihrer Headliner-Rolle gerecht, ohne es überhaupt verkrampft versuchen zu müssen. Wohin man sieht, sieht man Stagedives und grinsende Gesichter in der ausverkauften Halle. Und angesichts der Tatsache, dass so manche Reunion eher in die Hose geht, man dabei an die finanziellen Hintergedanken der Bands denken muss oder sich fragt, was die Konstellation auf der Bühne überhaupt noch mit der ursprünglichen Idee zu tun hat, hinterfrage ich persönlich zu keinem Zeitpunkt, was die GORILLA BISCUITS im Jahre 2016 noch hier machen. Vielleicht liegt es daran, dass die Band es mit den Touren und Auftritten seit ihrer Reunion alles andere als übertreibt. Vielleicht daran, dass die Mitglieder nie den Kontakt zur Szene verloren und stets in anderen Projekten aktiv waren, in denen sie sich ausleben konnten. Die Biscuits wirken jedenfalls auf der Bühne deutlich jünger, als sie es eigentlich sind. Für jede Hardcore-Band ist es anstrengend, ein einstündiges Set zu spielen, aber mit dem Alter wird es vermutlich nicht einfacher. Für Civ scheint es ein Klacks zu sein, er erzählt vor einigen Liedern noch einen Schwank und hält die Leute dazu an, aktiv zu werden und positiv zu bleiben, sich beispielsweise für den Umweltschutz einzusetzen. Neben weiteren eigenen Songs wie „Degradation“, „Things We Say“, „Competition“ und „Cats & Dogs“ gibt es für die Zuschauer auch einige Cover auf die Ohren, so beispielsweise das auch aufgenommene „Sitting Around At Home“, „Do Something“ (CIV-Cover“), „Minor Threat“ und „New York Crew“ von Judge. Ein wahrliches Fest für die Oldschool-Fraktion also. Selten habe ich so viele Menschen Mitte 30 und aufwärts stagediven und ausrasten sehen. Und das gefällt mir. Während der ein oder andere quasi nonstop am diven ist, ergreift auch ein Rollstuhlfahrer die Gelegenheit, was Civ mit „that’s more balls than I’ll ever have“ kommentiert. Auch Jeremy Bolm ist mit von der Partie. Dass Civ heute ein T-Shirt seiner Band trägt, dürfte sich für ihn wie ein Ritterschlag anfühlen. Mit „Start Today“ verabschieden die GORILLA BISCUITS die Weststadthalle nach einer schweißtreibenden und unterhaltsamen Show. Ich denke, dass diese Tour mir als eines der besten Line-Ups der letzten Jahre in Erinnerung bleiben wird.