10.02.2009: The Gaslight Anthem, Frank Turner, Polar Bear Club - Köln - Underground

10.02.2009
 

 


Es war absehbar und sei ihnen gegönnt. Gute, zeitlose Songs, die den Hörer beizeiten kraftvoll in den Arm nehmen, sind schließlich nicht für Geschmackseliten gemacht. Auch wenn der eine oder andere sich ob des schwarzen Loches in seiner Hosentasche dann doch ein wenig geärgert haben dürfte. Ob THE GASLIGHT ANTHEM in der Livesituation wirklich 80 Euro (plus) wert sind, sei einfach mal dahingestellt. Tatsache ist: Der Siegeszug einer der bewusst unmodernsten (Punk-)Rockbands unserer Tage geht weiter. Die Ebay-Verkäufer werden sich gefreut haben. Das schweißnasse Kölner Publikum ebenso.

Überlebensgroße Erwartungen sind – das liegt wohl in der Natur der Sache – dazu da maßlos enttäuscht zu werden. Das gilt jetzt nicht für die bodenständigen Helden des Abends, sondern leider für deren verheißungswürdigen Support. Während vor der Türe des Underground zu Köln klirrende Kälte herrscht, entern POLAR BEAR CLUB aus New York unerwartet früh die Bühne. Eine überschaubare Fanbase scheint sich der Fünfer, der auf Platte so gekonnt Gainesville mit Popharmonien und eher Frickeligem verquirlt, bereits erarbeitet zu haben. Etwas ernüchternd wirkt live jedoch bisweilen eine der tragenden auditiven Säulen POLAR BEAR CLUBs: Der Gesang nämlich. Sänger Jimmy Stadt, der auf den ersten Blick Geoff Rickly gar nicht mal so unähnlich sieht, bekommt bei grandiosen, langlebigen Songs wie 'Eat Dinner, Bury the Dog…', 'Hollow Place' oder 'Burned Out in a Jar' einfach nicht dieses kratzig-hymnische Timbre hin, verzettelt sich tänzelnd beim Luftholen und schmälert so ein wenig die Performance seiner Band. Der Rest ist selbstredend gute hemdsärmelige Wertarbeit. Mehr leider nicht. Wie man schnörkellos, recht unkommunikativ und trotzdem mitreißend aufspielt, beweist zu späterer Stunde die Hauptattraktion des Abends. Gut, könnte man jetzt einwenden, die haben ja auch mehr Hits und irgendwer scheint vor der Show fleißig Textblätter verteilt zu haben.

Zunächst jedoch: Ein Alleinunterhalter, der seine Stromrechnung nicht bezahlt hat. Wohl zu viel gesoffen der gute Herr Turner. Der angeheiterte Mittelteil des Abends schmettert hochprozentige Lebensweisheiten ins Publikum, gibt sich sympathisch-diletantisch und klingt an manchen Stellen wie FLOGGING MOLLY in alleine und ohne Strom. Für seine SLIPKNOT-Referenzen gebührte ihm eigentlich ein kleiner Preis, dafür weiß das Publikum den reduzierten Auftritt von „voice, guitar & superego“ wenigstens zu würdigen, auch wenn er den Schmiss stark raus nimmt.

THE GASLIGHT ANTHEM wiederum sind spätestens seit ihrem "59 Sound" die Band, die es heutzutage in dieser erfolgreichen Form eigentlich gar nicht mehr geben dürfte. Herrlich anachronistische Texte über Jukeboxes, Elvis, Cadillacs und Protagonisten mit Namen wie Sandy und Joe, ohne dabei die üblichen „früher-war-alles-besser“-Floskeln zu bemühen. Überhaupt halten sich Brian Fallon und Co. in Sachen Meinungsmache dezent zurück. Man lässt halt lieber die Hits für sich sprechen. Und derer gibt es eine Menge. 'Great Expectations', 'We Came To Dance', 'The 59 Sound' und 'I’da Called You Woody, Joe'. Die „last gang in town“ war natürlich THE CLASH, von denen THE GASLIGHT ANTHEM ähnlich viel geborgt haben wie vom Boss. Grinsemann Brian versucht schlechte Iros vom noch übleren Ruf der Beckhamisierung zu befreien, croont befreit wie eh und je und fühlt dem Publikum kurzzeitig verbal den Puls von wegen Ebay und ob das alles denn nicht ein wenig übertrieben sei. Nicht ohne ein gewisses Maß an Stolz auf seine kleine große Band natürlich. Man hat sich das alles schließlich selbst aufgebaut. Bier fließt, ein repräsentativer Querschnitt durch (Kölns?!) Mittelschicht feiert exstatisch und textsicher und irgendwie könnte das Stunden so weitergehen. Ist ja wahrscheinlich auch das letzte Mal in diesem kleinen Rahmen. Die Wahl eines Coversongs sagt derweil eine Menge über das musikalische Selbstverständnis des Vierers aus: Man spielt 'The State of Love and Trust' aus dem Jahre 1992 von – natürlich – PEARL JAM. Damals waren es Schwermut, Flanellhemden und Grunge, die kurzzeitige Auswirkungen auf das spezifische Lebensgefühl einer ganzen Generation (X) hatten. Spielen THE GASLIGHT ANTHEM Cameron Crowe-Punk? Oder sind sie schlichtweg eine nicht korrumpierte Rockband? Eigentlich Jacke wie Hose. Ach ja, 'The Backseat', 'Blue Jeans & White T-Shirts' und 'Say I Won’t (Recognize)' mit ausgedehntem Gröhl-und-Klatsch-Finale gibt es am Ende auch noch. Man sieht sich wieder in anderen Sphären. Bitte sympathisch bleiben.