15.05.2008: Escapado, Longing For Tomorrow - Dortmund - Bakuda Klub

15.05.2008
 

 


Ein Sturm zieht auf und das nicht nur musikalischer Natur. Waren die vorigen Tage noch von strahlendem Sonnenschein geprägt, so fängt es just an dem Tag, als ESCAPADO in Dortmund einfallen, heftig an zu donnern und zu regnen. Ein schlechtes Omen? Mitnichten, doch dazu später mehr.

Erst einmal bin ich überrascht, als ich mit 3/4 der Flensburger vom Interview in den Bakuda Klub zurückkehre und die Vorband LONGING FOR TOMORROW gerade erst in den ersten Song startet. Verspätungen gehören bei ESCAPADO-Konzerten irgendwie zum guten Ton. Der kleine, aber feine Kellerladen ist schon ordentlich gefüllt, auch wenn man vor der Bühne noch bedacht ist den imaginären Sicherheitsabstand einzuhalten. Fronter David zershreddert im Laufe des Gigs mehrere Gitarrensaiten, was ihm auch hochnotpeinlich ist. Trotzdem gelingt es ihm durch seine selbstbewussten Ansagen die technischen Fuck-Ups wieder aufzufangen. Zusammen mit Basser Martin ist er ganz klar der Aktivposten on stage. Die sehr junge Aachener-Combo kann man ohne weitere Bedenken in die Screamo-Schublade packen, ihre Songs wissen vor allem in den vereinzelt auftauchenden instrumentalen Passagen zu gefallen, während das gesangliche Wechselspiel aus hart und zart eher weniger überzeugen kann und zudem ziemlich ausgelutscht ist. Der Auftritt ging insgesamt gesehen in Ordnung, aber man hat schon gemerkt, dass heimische Bands wie Fire In The Attic oder Parachutes in einer anderen Liga spielen.

In der Umbaupause wird unzählige Male ‚American Woman’ von Guess Who durch die Speaker gejagt, bis sich jemand erbarmt und seichte Indie-Mucke auflegt (Ob das jetzt unbedingt die bessere Wahl war sei mal dahingestellt.). Dann endlich schlendern die vier Jungs von ESCAPADO auf die Bühne. Sebastian fummelt noch kurz an der Armada von Effektgeräten vor seinen Füßen herum, doch danach geht es los. Nach einem Instrumentalteil, folgt das Intro 'Initio ESC' der aktuellen Scheibe „Initiale“ und darauf der Opener 'Was du erwartet hast'. Während des Sets versinkt die Band erwartungsgemäß total in ihren Songs und spielt sich in einen wahren Rausch. Ansagen verkneift man sich, außer dass man, quasi als Running Gag, öfters ankündigt, dass der nächste Song eine Coverversion sei und 'American Woman' hieße. Direkt vor der Bühne bekommt man von Helges Gesang leider nicht allzu viel mit, aber weiter hinten im Club soll der Sound wohl gut gewesen sein, habe ich mir sagen lassen. Die Stücke pendeln ständig zwischen lauten Wutausbrüchen und leiseren Atmo-Momenten und ziehen auch die Zuhörer vollends in ihren Bann, so dass es schließlich auch direkt vor der Bühne voller wird. Es ist schwer ihn Worte zu fassen, wieviel mir diese Band bedeutet und was ich während des Konzerts empfunden habe, aber zumindest kann ich sagen, dass ich die ganze Zeit über in Bewegung war und fast jede einzelne Textzeile mitgesungen habe, so sehr hat mich die Musik gepackt. Man merkt einfach deutlich, dass hier nichts gespielt wird und die Gruppe sich auf der Bühne absolut natürlich gibt. Jeder Song ist ein Volltreffer, sei es nun '7:58' inklusive hyperaggressivem Anfang, 'Szenario' mit dem „Enttäusch mich nicht“-Mitschrei-Part, der Ohrwurm-Refrain von 'Magnolien' oder der absolute Überhit 'Coldblackdeathbloodmurderhatemachine', mit seinem epischen Mittelteil, der sich dann in einem von Helge in voller Inbrust hinausgeschrienen „Deine Hand wird zur Faust“ entlädt, während Sebastian mit seiner Gitarre vor den Boxen hockt. Als schließlich wieder ein Coversong angkündigt wird und das Riff des Refused-Klassikers 'New Noise' erklingt, werden nicht wenige gedacht haben, dass die Band es diesmal ernst meint, aber Kenner wissen, dass in ein paar Sekunden der Anfang von 'Grau in grau' folgt. Nach dem Schlusstrack 'Ausgeblendet' ist der Jubel groß, weshalb man noch mal zurückgeht um zwei Zugaben zu bringen. Am Ende des letzten Songs 'Hinter den Spiegeln' geht schließlich einer nach dem anderen von der Bühne, bis nur noch Sebastian übrig bleibt und verzweifelt die Zeile „Lasst mich schlafen“ ins Mikro schreit. Alles in allem war es ein überragendes Konzert einer sehr wichtigen Band und ich kann euch nur dringendst empfehlen, die Jungs auf dieser Tour auszuchecken, es lohnt sich definitiv, allein schon wegen der unglaublich günstigen Ticket- und Merchpreise.