18.01.2020: WHILE SHE SLEEPS, EVERY TIME I DIE, VEIN - Köln - Live Music Hall

19.01.2020
 

 

WHILE SHE SLEEPS landeten mit ihrem vierten Studioalbum „So What?“ im März 2019 auf Platz 8 der deutschen Charts und am Ende des Jahres auf einigen Bestenlisten der alternativen Musikpresse. Kein Wunder also, dass ihre derzeitige Tour mit EVERY TIME I DIE und VEIN die Live Music Hall in Köln schon etliche Wochen vorher ausverkauft.

Dass VEIN auf diesem Lineup zu finden sind, kann getrost als Überraschung bezeichnet werden. Unvergessen der Auftritt auf dem This Is Hardcore Fest 2017 in Philadelphia, der kurzzeitig in der Szene viral wurde: 30 Mosher, gefühlt die Hälfte davon in den VEIN-Windbreakern und auf der Bühne totales Chaos. Es gibt wenige Bands, bei denen man gleich beim ersten Kontakt das Gefühl hat, einen neuen Hype mitzuerleben. Bei VEIN war das so, und offensichtlich auch nicht unbegründet. 2018 kam dann nach 5 Jahren Bandbestehen das ersehnte Debütalbum „Errorzone“ über das Sparten-Label Closed Casket Activities. Ein Gemisch aus Mathcore, Nu-Metal, Hardcore und anderen Metal-Genres, das gut in die derzeitige Welle an 90s-Metalcore-Revival-Bands a la CODE ORANGE oder JESUS PIECE passt. Es ist kein einfaches Los, die Live Music Hall am heutigen Samstag um 18:30 auf Touren zu bringen, aber VEIN schaffen es in Ansätzen. Mittlerweile ist die Band auf sechs Leute angewachsen, die auf der Bühne einen Abriss vom Allerfeinsten präsentieren. Dass das Publikum nur wenig mitgeht, kann man wohl weniger der Performance anlasten als der Uhrzeit und dem Bekanntheitsgrad der Band. Der Auftritt leidet leicht unter dem so oft blechernen Sound in der Venue, strotzt aber vor technischer Raffinesse und Tightness. Frontmann Anthony DiDio steht keine Sekunde still. Am Ende des kurzen Sets sieht und hört man: VEIN haben sich bei einigen Leuten Respekt eingeheimst. Für Fans der frühen SLIPKNOT ist das sicherlich eine Wonne gewesen.

Um mangelnde Bekanntheit brauchen sich EVERY TIME I DIE aus Buffalo nun wirklich keine Sorgen machen. Mit mittlerweile für diese Szene unglaublichen 8 Alben unter’m Gürtel und einem angekündigten Album für 2020 in den Startlöchern ist eines klar: Stillstand ist auch für diese Band ein Fremdwort. Wer EVERY TIME I DIE schon mal gesehen hat, weiß es natürlich: Die Live-Performance ist immer wieder eine Augenweide. Allen voran Gitarrist Jordan Buckley beeindruckt durch endloses Rumgespringe, Geheadbange, Gitarren-Moves und schiere Ausdauer. Sein Bruder Keith kann in diesen Belangen nicht mithalten, bringt aber seinen zwischen Screaming und Klargesang wechselnden Gesang „wie auf Platte“ auf die Bühne. Rhythmus-Gitarrist Andy Williams braucht eigentlich einfach nur auf der Bühne zu stehen und in den Breakdowns mit zu headbangen, um genug Eindruck zu hinterlassen. Am bulligen Körper des Wrestlers sieht die Gitarre aus wie eine Kinderversion. Auch wenn EVERY TIME I DIE nicht ganz so hart und unberechenbar klingen wie zuvor VEIN: Chaotisch beschreibt es auch hier am besten. Und die Live Music Hall geht nun endlich mit, vor allem zu Songs wie „Thirst“ und „We’rewolf“. Mit zu kleinen Circlepits wird sich seitens der Band nicht abgegeben, dafür wird sogar der Song angehalten und neu gespielt, bis es im zweiten Ansatz dann zufriedenstellend ausfällt. Buckley, der mit seiner Band schon unzählige Male in Köln zu Gast war, nennt die heutige Show eine seiner Lieblingsshows in dieser Stadt. Gegen Ende gehen EVERY TIME I DIE jedoch erst richtig in die Vollen: „It Remembers“, „Underwater Bimbos From Outer Space“ und „Map Change“, der meiner Meinung nach absolute Überhit der Band, quetschen das letzte bisschen Schweiß aus den Fans. Schande nur, dass tatsächlich für „Wanderlust“ heute kein Platz in der Setlist war.

Nach ausgiebiger Umbaupause zieht um 20:33 Uhr (im Anschluss wird es in der Live Music Hall noch eine Party geben) das Intro von WHILE SHE SLEEPS jegliche Aufmerksamkeit auf sich. Die Band aus Sheffield haut dann erstmal ohne große Verschnaufpausen die ersten 3 Songs der neuen Platte „So What?“ raus. Bei den eingängigen Pop-Metal-Hymnen, allen voran „Anti-Social“, ist das Mitsingen seitens des Publikums garantiert. Fans der älteren Platten kommen erst später und auch nur begrenzt auf ihre Kosten. Der Fokus liegt eindeutig auf „So What?“ und auch der im Dezember veröffentlichte „Fakers Plague“ darf natürlich nicht fehlen. Im Gegensatz zu ihren beiden Vorbands profitieren WHILE SHE SLEEPS von einem für die Live Music Hall wirklich sehr guten und klaren Sound. Der mit vielen elektronischen Passagen und Pop-Strukturen durchsetzte Sound der Band wird mancherorts als „progressiv“ beschrieben. Ich persönlich finde ihn manchmal zu anbiedernd, aber Fans von Bands wie BRING ME THE HORIZON kommen hier natürlich voll auf ihre Kosten. Durch den hohen Pop-Faktor lässt sich das Publikum auch hervorragend zu allerlei choreographischen Experimenten bewegen: Ob nun das obligatorische Mitklatschen, Handy-Taschenlampen und Feuerzeuge in die Luft oder die klassische Wall of Death beziehungsweise Pit-Dirigieren im Allgemeinen, alles ist dabei. Die kurze Abwesenheit von der Band scheint Frontmann Lawrence „Loz“ Taylor gut getan zu haben, er bietet heute sowohl stimmlich als auch physisch eine Top-Performance. Als Zugabe platzieren WHILE SHE SLEEPS „Haunt Me“, die Oli-Sykes-Kollabo „Silence Speaks” und den Titeltrack ihres vorletzten Albums „You Are We“. Der Name ist Programm, das enge Band zwischen Band und Publikum im Raum spürbar. WHILE SHE SLEEPS können sich heute ziemlich sicher sein, dass die Besucher auf deren auf ein Bandshirt aufgedruckte Bitte, Bands durch Merchkäufe zu unterstützen, weil das Streaming-Geschäft das Überleben von Live-Bands erschwert, eingehen werden.