26.04.2010: Break Even, Awaken Demons, Deez Nuts, The Ghost Inside - München – Feierwerk

26.04.2010
 

 

Es ist ja nun mal so: von Plattenverkäufen alleine kann doch heute nahezu keine Band mehr leben. Wer also das Ziel hat, mit Musik seinen Unterhalt zu verdienen, der muss vor allem eines: touren, touren, touren. Die Australier von DEEZ NUTS haben diesen Leitsatz scheinbar ausgesprochen gut verinnerlicht. Zum dritten Mal innerhalb eines Jahres und zum ersten Mal an oberster Stelle der Tourplakate befinden sie sich nun in München. „I hustle everyday“ eben. Zumindest wenn man nach den Besucherzahlen geht scheint eine Abnutzung noch nicht statt gefunden zu haben. Mit THE GHOST INSIDE hat man allerdings auch einen ausgesprochen beliebten und hoffnungsvollen Support an seiner Seite und so verwundert es nicht, dass das Hansa 39 heute mal wieder ziemlich ordentlich gefüllt ist.




Bis diese allerdings aufspielen, dürfen erst einmal die ebenfalls australischen BREAK EVEN ran und zeigen, warum sie derzeit zu den interessantesten Hardcore-Bands überhaupt gehören. Schon im Vorfeld wurden Stimmen laut, die die Jungs lieber im kleineren Rahmen, statt auf einer großen Tour wie dieser gesehen hätten. Verdenken kann man es ihnen nicht. Gerade musikalisch fällt man doch ziemlich aus dem Rahmen. Moshparts? Fehlanzeige. Gangshouts? Allerhöchstens in Spuren zu finden. Das soll die Qualität allerdings in keinster Weise schmälern. BREAK EVEN sind passioniert, emotional und wunderbar aufrichtig. Wie man es eben angesichts eines Albums wie „The Bright Side“ auch erwarten konnte. Einem Großteil des Publikums scheint der Reiz der recht entspannten, dabei aber sehr smarten Arrangements jedoch (noch) nicht zu erreichen. Ein paar vereinzelte Seelen dürfen vorne ihre Textkenntnis unter Beweis stellen und gelegentlich zum 2-Step ansetzen, zu weiten Teilen herrscht aber akute Bewegungs- und Begeisterungsarmut. Zur Konsensband werden BREAK EVEN an diesem Abend definitiv nicht. Es bleibt aber zu vermuten, dass der Vierer in kleinerem Rahmen und mit engagierterem Publikum definitiv noch einiges reißen kann.



Eine Band, die sich einem entweder schon nach den ersten paar Tönen oder gar nicht erschließt sind im Anschluss dann AWAKEN DEMONS aus Italien. Überraschungen sind hier Fehlanzeige, dafür gibt es aber das volle Brett im Bezug auf reichlich toughen, metallischen Hardcore von Musikern, die definitiv verstanden haben, wie der Hase läuft. Man nehme einen großen Klumpen HATEBREED, untermische diesen mit noch heftigeren Moshparts und lasse sich textlich vor allem von THROWDOWN zu „Haymaker“-Zeiten inspirieren. Wozu das führt ist absehbar. Reichlich Bewegung im Pit, dezentes Kopfnicken beim Rest und eine überschaubare Anzahl an Personen, die so wirken als hätten sie jedes Four-Letter-Word auf dem letzten Album verinnerlicht. Es ist wirklich erstaunlich, wie hoch der „Fucks pro Minute“-Counter während eines 25-minütigen Auftrittes ansteigen kann. Trotz allem kommt das Ganze nicht allzu unsympathisch rüber und man hat durchaus das Gefühl, dass die Band voll und ganz hinter ihrer Musik steht. Man gibt sich nicht prolliger als man ohnehin schon ist. Wie man diesen Umstand nun bewerten möchte, überlasse ich besser jedem selbst. Ich für meinen Teil kann zumindest nicht sagen, dass mich das hier gesehene und gehörte gelangweilt hätte. Zu Freudensprüngen animiert mich die Band allerdings auch nicht gerade.

Apropros Sprünge. Bisher waren Stagedives eher Mangelware. Kurz nachdem THE GHOST INSIDE die Bühne betreten weiß man auch warum. Ein Großteil des Publikums ist allem Anschein nach vor allem wegen ihnen heute hier erschienen und zeigt das auch. Plötzlich ist da eine ganze Menge los in den vorderen Reihen. Menschen segeln durch die Luft, ein großer Pulk beweist astreine Textsicherheit selbst bei bisher nur auf Myspace veröffentlichten Songs und die Band grinst bis über beide Ohren. Man freut sich ganz offensichtlich, endlich spielen zu können, anstatt wie noch einige Tage zuvor auf den Rückzug der Aschewolke zu warten. Es ist allerdings auch wirklich bedauerlich, dass ein Großteil der deutschen Tourdates ohne diese Band auskommen musste. Was sich schon auf der letzten Never Say Die-Tour angedeutet hatte kommt heute noch stärker zur Geltung: mit THE GHOST INSIDE muss man rechnen. Und man muss dankbar sein, dass es noch Bands gibt, die unter Metalcore nicht bloß die x-te AT THE GATES-Kopie plus beliebig eingestreute Breakdowns verstehen und die auf der anderen Seite auch nicht dem allgemeinen Trend Richtung Deathcore folgen, sondern sich stattdessen lieber stärker als ähnlich gelagerte Bands auf den -core-Anteil im Genre-Mischmasch berufen. Dies überträgt sich auch unmittelbar auf die Livequalitäten der Band. Statt breitbeiniger Posen gibt es auf der Bühne vor allem eine Menge Bewegung und gegen Ende dann auch einen riesigen Pulk an hochmotivierten Gästen zu sehen, die sich auf der nicht eben kleinen Bühne regelrecht stapeln.



Ein Bild, das man so auch von den bisherigen DEEZ NUTS-Shows kennt. Einer Band, zu der jeder so seine dezidierte Meinung haben dürfte. Von „sexistische Proleten-Scheiße, die mit Hardcore nichts mehr zu tun hat“ bis hin zu „formidable Partyband“ ist da alles dabei. Doch auch Anhänger der letztgenannten These, zu denen auch ich mich zähle, dürften heute zu der Einsicht kommen, dass sich das Konzept langsam totgelaufen hat. Es ist bei weitem nicht so, dass die Australier nicht auch ihre treuen Fans hätten, die ihnen aus der Hand fressen. Nur sind diese am heutigen Abend längst nicht mehr so zahlreich und engagiert, wie dies noch vor einigen Monaten bei der Tour mit RAISED FIST der Fall war. Ohnehin fällt mir heute auf, wie sehr ein DEEZ NUTS-Auftritt davon lebt, dass man sich selbst im Getümmel befindet. Außenstehenden bietet sich das Bild einer Band, die ziemlich genau weiß, was sie tut, sich dabei aber zu sehr und zu statisch darauf verlässt, dass es das Publikum schon richten wird. Dieses ist allerdings scheinbar von THE GHOST INSIDE zu weiten Teilen schon ausgepowert und daher erstaunlich bewegungs-unfreudig. Musikalisch gibt es den altbewährten Mix aus eher simplem Hardcore und eingängigen Rapvocals mit zuweilen grenzwertigen bis strunzblöden („Sex Sells“) Texten. Der neue Song vom in Balde erscheinenden Album deutet an, dass sich daran wohl auch in Zukunft nicht viel ändern wird. Inwiefern das Publikum dieser Stagnation auf durchaus ordentlichem Niveau allerdings folgen wird steht nach dem heutigen Abend in den Sternen. Gut möglich, dass schon bei der nächsten Tour mit möglicherweise weniger attraktivem Support die Clubs nicht mehr so gut gefüllt sein werden, wie es heute noch der Fall ist.

Bis dahin hat man natürlich noch genug Zeit, einen Abend zu rekapitulieren, an dem keine einzige schlechte Band gespielt hat, an dem aber andererseits auch nur zwei Bands wirklich zu überzeugen wussten. Für DEEZ NUTS könnte es in Zukunft eng werden, wenn nicht das kommende Album doch noch die eine oder andere Überraschung bietet. Für THE GHOST INSIDE dagegen stehen die Zeichen auf Sturm und BREAK EVEN sind nach wie vor eine Band, die man im Auge behalten sollte. Im Idealfall nächstes Mal in einem kleineren Club vor einem Publikum, das die Musik der Australier auch zu schätzen weiß.

Bilder sind aus Köln