27.09.2008: Hell On Earth - Funbox Amalie - Essen

27.09.2008
 

 

Ein wunderschöner Spätsommertag mitten im Ruhrgebiet. Die Location der Hell On Earth Tour in Essen ist wie auch in den letzten Jahren die Funbox Amalie.

Bereits um viertel nach vier erscheinen die ersten Gestalten vor der Feuertreppe und warten auf Einlass. Das Publikum ist bunt, wenn auch eher dominiert von jungen angetrunkenen Kiddies. Die vereinzelten Edger wippen genervt mit den Füßen. Pünktlich um Fünf ist Einlass. Die Stände sind liebevoll aufgebaut. Die VFC (Vegan Fastfood Crew) ist gewappnet, um 500 hungrige Mosher mit ihren vorzüglichen Gyros-Wraps bei Kräften zu halten. Das ist auch nötig bei 7 Stunden Running Order.

Den schweren Weg des Openers gehen die Jungs von BEAST WAR RETURNS aus Duisburg, die sich beim diesjährigen Contest gegen viele gute Kandidaten durchgesetzt haben. Die lokalen Helden schaffen es, zu überzeugen. Vor allem die Stimme des schmächtigen Frontmanns hinterlässt Eindruck. Die Hardcore-Hood ist aber noch müde und steht größtenteils mit verschränkten Armen vor der Bühne. Ein vereinzelter verwirrter Mensch, der auch noch später durch waghalsige Stunts und Trunkenheit auffällt, tanzt sich vor der Bühne in Rage, so dass man den Eindruck gewinnt, dass es auch ein epileptischer Anfall sein könnte. Viel hätte nicht gefehlt und er wäre mit dem Kopf vor die Monitorbox geknallt. Es folgen THE DESTINY PROGRAMM und der Sound ist plötzlich ganz schön mies. Oben ging es einigermaßen, aber ansonsten war es kaum zu ertragen. Die Resonanz war eher lahm. Der verwirrte Mensch – nennen wir ihn Paul – läuft zu Höchstformen auf, wirft sich zu Boden und betet auf Knien gen Bühne. Zumindest einer, der diese Band vergöttert.
Spätestens bei STICK TO YOUR GUNS war dann aber das Eis gebrochen und der Pit eröffnet. Es geht richtig ab und die Leute fangen an ihre Karatetricks vorzuführen.

Gleich darauf waren ANIMOSITY an der Reihe. Ganz schön geil eigentlich und so richtig auf die Fresse, aber nichts was im Kopf bleibt. Im Gegensatz zum Obama-Shirt des Sängers. Die Leute vorne waren auch eher ruhig. Zum Ende hin nervten das unpassende Gitarrengekreische und das übertriebene Double-Bass-Geballere zunehmend. Dann kam das erste große Highlight des Abends: THE RED CHORD. Wow gingen die Jungs ab!! Der Sänger ging Diven (denn mittlerweile war das Loch vor der Bühne verschwunden) und beim letzten Song kam die legendäre Candace Kucsulain für einen Kurzauftritt auf die Bühne und lieferte einen kleinen Vorgeschmack auf das, was später wieder ein großartiger Auftritt von WALLS OF JERICHO werden sollte. Bei ALL SHALL PERISH dann ewig langer Soundcheck und dann eine doch ganz passable Show mit bauchnacktem Gitarristen. Ich mag die Jungs ja echt gern, aber ich muss sagen, dass ich auch schon mal bessere Auftritte gesehen hab. Alles wirkte sehr routiniert und deswegen statisch. Daran konnten auch ein riesiger Circle-Pit und endlos viele Stagediver bei „Eradication“ nichts ändern. Zum Schluss des Sets lieferten sich beide Gitarristen noch einen Contest im besseren Soloübertrumpfen ab und so gut die beiden ja sind, aber das braucht wirklich niemand.

Diesen Standard führte CATARACT leider fort. Zwar hatte die Band mit Abstand den besten Sound des Abends und der Basser schleuderte sein Instrument artistisch um seinen Oberkörper, aber es entstand doch der vage Eindruck, dass die Jungs viel lieber schon auf ihren Hotelzimmern gewesen wären. Schon komisch das solch eine Band, die sich ihren Namen ohne Frage gemacht hat, vor dem Headliner des Abends auf die Bühne gelassen wurde. Selbst beim Kracher „Nothings Left“ als letzten Song entstand nicht annähernd ein Pit oder die Meute vor der Bühne flippte aus. Irgendwo schade für eine gute Band, aber scheinbar ist hier der Metalcore Zug abgefahren.

Und dann kamen WALLS OF JERICHO wie man sie kennt und liebt: energetisch hüpfend und voll kindlicher Begeisterung und postpubertärem Idealismus. Allen voran die Frontfrau - Sexsymbol, Ikone der weiblichen Hardcore-Hood und einzige weibliche Musikerin an diesem Abend. Die Grenze zwischen Bühne und Publikum verschwimmt. „This Show happens because all of you!“, brüllt der Rotschopf in der gepunkteten Hose und tief im Herzen fühlt man, dass sie diese Verbundenheit spürt und es ernst meint. Sie spricht sogar vier deutsche Sätze, die sie von einem in Lautschrift verfassten Schmierzettel abliest (Are you ready – Zeyed ear bearight? How are you doing – Vee gate’s ouich? Thank you – Feelen Dunk!). Ein riesiger Circlepit formiert sich um das Mischpult herum durch die komplette Halle. Man steht da und ist ganz ergriffen. Candice übereitet die Bühnengrenze und wird auf Händen getragen. Sie geht einfach weiter. Ein Schauer läuft über den Rücken der Menge. Am Ende folgen alle ihrem Ruf, stürmen und diven die Bühne.

Dann ist es vorbei! Das Licht geht an, die Show ist vorbei und obwohl es eigentlich wie immer war, freut man sich schon auf das nächste Mal. Trotz allem Gemeckere werde ich wohl auch nächstes Jahr wieder dabei sein, wenn es heißt „There’s no more room in hell…“

Fotos: joe