Black Metal - Oder der schmale Grat zwischen Lächerlichkeit und totem Ernst

14.05.2006
 

 

Mitte der 80er erfinden die Engländer Venom ein neues Sub-Genre des traditionellen Metal. Erfinden? Aus der Laune raus nennen sie eines ihrer Alben Black Metal. Man geht musikalisch rabiater zu Werke, als es der damalige Metal zulässt. Aber das Klischee der Bier trinkenden Metaller wurde von Venom selber nie in Frage gestellt. Okkultismus als Entertainment. Das hatten Bands wie Black Sabbath, Alice Cooper oder Led Zeppelin schon lange erkannt. Bands wie Celtic Frost, King Diamond, Bathory oder auch Slayer folgten nun einem Weg, der extremer war, als dass bis dato existierende. Ende der 80er schwappte ein Funke nach Norden. In Oslo "erschuf" ein gewisser Oystein Arseth sein Bild einer Musikform, die es eigentlich noch nicht in seinem Sinne gab, dessen Name er Venom einfach entlieh. Black Metal sollte nach den Regeln von Euronymus (Arseths Name ab hier) pure Gewalt nicht nur ausstrahlen, er sollte ihn verkörpern. Sollte für den Hörer fühlbar werden. Auch abseits der Bühne. Die Theatralik des Unheils und Todes sollte nicht nur musikalisch verarbeitet werden, sie sollte von den Personen stets auch öffentlich gezeigt werden.

Die Gründung seiner Band Mayhem und das Auftreten von Euronymus faszinierte Teile der Jugend einer der weltweit bestbehütetsden gesellschaftlicher Werte. Gegen was konnte ein junger Norweger rebellieren? Er hatte alles. Also gegen alles. Stumpfsinn?

In Oslo entspannte sich ein kleines Netzwerk begeisterter Anhänger, die ersten Bands schossen aus dem Boden. Darkthrone. Emperor. Ulver. Immortal. Satyricon. Burzum. Musikalisch wurden die ersten Sternstunden des norwegischen Black Metal kontrovers wie auch bis heute noch begeisternd aufgenommen. Darkthrone's "A Blaze In The Northern Sky" und später die "Transilvanian Hunger" stehen nach wie vor Pate als die primitivsten und rohesten schwarzen Hassklumpen seit jeher. Vegard Tveitan, bekannter unter dem Namen "Ishahn" erschafft mit seiner Band Emperor sein Werk "In The Nightside Eclipse", dass seiner Zeit damals bereits weit vorraus war und den Namen Emperor bis heute als die visionärsten Avantgardisten des Genres festhält. Ulver gehen den Weg der altnordischen Folklore und verknüpfen diese auf ihrem Debut "Bergtatt" einzigartig mit der Garstigkeit des vorgegebenen. Soweit, so gut?

Als bald nach den ersten Bandgründungen gingen in Oslo und Bergen, wie auch auf dem Land, die Stabkirchen in Flammen auf. Der letzte, und völlig sinnentleerte Weg, zu schocken? Während eine Obrigkeit von Seiten des Staates machtlos und ratlos zusehen muss, gehen gewisse Mitglieder des Untergrunds auf perverse Art einen Schritt weiter. 1993 ersticht Bard "Faust" Eithun im sich damals im Bau befindlichen Olympiapark in Lillehammer grundlos einen Menschen.

Der Black Metal stand nun im extremsten Licht, in das er gerückt werden konnte. Bewusste Handlungen kranker Gehirne?

Varg Vikernes, Chef seiner Einmannband Burzum, fährt von Bergen nach Oslo, um Euronymus, seinen alten Freund, bestialisch zu erstechen. Gründe dafür sind bis heute weder jemals klar dargestellt worden, noch wäre sie so oder so nachvollziehbar. Dabei werden Vikernes im Lords Of Chaos, dem Referenzwerk über die Geschichte des norwegischen Black Metal, diverse Kapitel und Interviews gewährt. Hier entflüchtet er sich in Wiedersprüchen und fragwürdigsten Nazi-Theorien.
Dem Mord an Arseth geht der Selbstmord von Dead, dem Sänger von Mayhem vorraus. Euronymus fand seinen Sänger "mit dem Hirn im Schoß entleert" und veröffentlichte dieses Bild als Cover der Mayhem CD Live At Sarpsborg. Abgesehen von diesem Release gab es von Mayhem hingegen kaum nennenswertes. Das von Euronymus stets angestrebte "De Myteris Dom Satanas" Machwerk wurde erst Jahre nach dem Tode der beiden Protagonisten von deren Nachfolgern veröffentlicht.

Probelmatisch wird der Genuß der Musik von Bands, die sich ausdrücklich schwachsinniger Aussagen oder Provokationen hingaben, und vor allem derer, die bewusst gemordet haben. Bard "Faust" Eithun ist auf Emperor's "In The Nightside Eclipse" der Drummer- ein Fakt, den Ishahn bis heute belastet. Burzum's Varg Vikernes veröffentlichte mit seinem Werk "Hvys Lyset Tar Oss" ein Album, dass von nicht wenigen, so auch mir, als das nordischste und authentischste Werk des Genres gilt. Auf 4 überlangen Songs verbreitet er ein Bild des eisigen Nordens, dass atmosphärisch seinesgleichen sucht.
Aber auch Darkthrone, die sich an dergleichen Taten niemals beteiligten, veröffentlichten auf dem Backcover von "Transilvanian Hunger" den Spruch "Norsk Arisk Black Metal". Die Übersetzung sollte auch dem nicht norwegisch sprechenden leicht fallen. Erst Jahre später wurde die Aussage durch "True Norwegian Black Metal" ersetzt. Sigurd Wongraven alias Satyr, Chefdenker von Satyricon, gab ähnlichen Dummfug von sich und boykottierte sich lange in den Metal-Magazinen.

Darf man nun Musik hören, deren Erschaffer Mörder sind und/oder mehr als fragwürdige Aussagen verfolgten? Bei Burzum wird als Hauptargument immer die Trennung zwischen Musik und Erschaffer als pro-Argument angeführt. Rein musikalisch und lyrisch stimmt das ja auch, da sich die musikalische Welt Vikernes völlig auf die Natur und ein vereistes Norwegen bezieht. Fader Beigeschmack bleibt.

Ich höre diese Musik. Ich gebe das offen zu. Dazu ist sie einfach zu magisch und faszinierend. Dass auch ich diesem Genre so verfiel vermag an genau jenen Gründen liegen, die das norwegische Genre überhaupt entwickelten. So bleibt Faszination, der auch ich verfiel. So gesehen hat es eine Musikrichtung also geschafft, dass zu schaffen, was sie erstrebt. Leute zu fesseln.


vom 14.05.2006