Etablierte Parallelwelten – Rechte Musikszene und Rechter Lifestyle

26.07.2006
 

 

Rechtsrock und Rechter Lifestyle, ein Thema, das immer öfter angesprochen wird. Zu einem liegt das an der verteilten Schulhof-CD der NPD in diversen Wahlkämpfen (Landtagswahl Sachsen 2004/ Landtagswahl NRW 2005) und zum anderen liegt das auch an der weitestgehenden Etablierung rechter Symbolik und Codes durch bestimmte Bekleidungsmarken (siehe Thor Steinar).

Also, Grund genug sich diesem Thema anzunehmen, vor allem seit Hardcore und andere Musikrichtungen vielfach in das Visier Rechtsextremer Ideologien gerückt sind. Doch wie ist überhaupt Rechtsrock entstanden und der damit einhergehende Lifestyle der Nazis, der es einem immer schwieriger macht Nazis von anderen Alternativen zu unterscheiden? In den folgenden Zeilen soll ein kurzer Rückblick folgen.

Wie vieles, hat alles seinen Anfang in den späten 70er/frühen 80er Jahren genommen. Zwar gab es streng genommen auch vorher Neonazistische Musik, aber mit Marschmusik macht man eine Szene eindeutig nicht attraktiver. Erst mit der Verbreitung des Punks, wird rechtsextreme Musik interessant für junge Leute. Skrewdriver ist hier die erste Band, die die Marschroute für viele aufzeigte. Vielen ist Skrewdriver ein Begriff, gilt diese Band ja auch als die Rechtsrockband schlechthin. Allen voran ihr Frontann Ian Stuart Donaldson tat sich als Führer einer ganzen Bewegung in der Szene hervor. Unter anderem war dieser Mitglied bei der NF (National Front England). Diese Partei ganz durchaus mit der NPD verglichen werden, ist aber in Teilen viel radikaler. Doch diese parteiliche Tätigkeit wurde nochmals übertroffen durch die Gründung des Neonazistischen Netzwerkes Blood & Honour. Dieses Netzwerk wurde in den 80er Jahren aufgebaut und ist in Deutschland seit 2001 als terroristische Vereinigung verboten. Ziel dieses Netzwerkes, das bis heute in fast allen europäischen Ländern (trotz Verbote, wie in Deutschland) existiert und operiert, ist die Vernetzung von Plattenproduktionen und Konzerten. Darüber hinaus, gehen auch Anschläge und Angriffe auf Migranten/innen auf das Konto des Netzwerkes.

Aber zurück zur eigentlichen Geschichte der Szene. In den 80er Jahren schwappte die Welle des Rechtsrocks, wie er von Skrewdriver geprägt wurde, nach Deutschland. Bands wie die Böhsen Onkelz, oder andere (Landser/Störkraft) waren noch recht uneinig in ihrer Botschaft und Ausrichtung. Lieder wie „Türken Raus“ oder „Deutschland den Deutschen“ sprechen da wiederum eine andere Sprache. Vielfach ist man sich einig das sich die Szene vor allem in übertriebenen Nationalismus stürzte.

Ab den 90er Jahre war eine weitergehende Professionalisierung der Szene zu beobachten. Labels wie Rock-o-Rama Records (Altes Label der Böhsen Onkelz) spezialisierten sich verstärkt auf die Produktion von rechtsextremem Gedankengut. Die Szene an sich wuchs bestätig weiter und auch die Parolen wurden extremistischer. Bands waren nicht stolz auf Deutschland, nein, sie leugneten den Holocaust und widmeten sich andere Perversitäten, wie die Verharmlosung der SS oder der Wehrmacht. Das Blood & Honour Netzwerk tat sein übriges für die flächendeckende Verbreitung von rechten CDs

Im Zuge dieser Entwicklung wurde auch der Staat aufmerksam auf die heranwachsende Gefahr von rechts. Aber statt wirklich präventiv zu handeln hagelte es massenweise Indizierungen der Tonträger und Verbote von Bands, was die Musiker jedoch nicht abschreckte unter neuem Namen weiter zu machen. Daneben schaffte man es, von staatlicher Seite aus sicherlich unerwünscht, einen Märtyerkult für Musiker zu schaffen, die durch das angeblich willkürliche repressive System der BRD in den Knast wanderten. Prominente Beispiele aus der Szene sind unter anderem der Landser Sänger Michael „Lunikoff“ Wegener. Neben der erwähnten Professionalisierung der Szene war auch die Entwicklung zu beobachten dass verstärkt neben dem typischen 3-Akkorde Punk auch andere Musikrichtungen für die rechten Ideologien adaptiert wurden. Neben rechter Musik im Stile von Schlagerhits (Ziellerntaler Türkenjäger – unter anderem mit dem Landser Sänger Michael Regener) wurde auch Black Metal und Hardcore instrumentalisiert. Im Laufe der 90er bis zum Jahre 2004 hat sich so eine lebendige und zugleich extrem gefährliche Szene entwickelt. Neben klassischen Rechtsrockbands wie Oidoxie aus dem Raum Dortmund, haben sich auch Bands wie Eternal Bleeding etabliert, die HC machen und bei ihren Konzerten auch nicht davor scheuen Evergreen Terrace zu covern.

Die Autoren des zum Standardwerk gereiften Werkes „Rechtsrock“, Christian Dornbusch und Jan Raabe, schätzten das seit Anfang der 90er Jahre bis zu 1000 Platten veröffentlicht wurden, Was pro Jahr eine erschreckende Veröffentlichungszahl von ca. 75 CD’s macht. Die Tendenz ist sogar eher steigend als abnehmend, was ein Grund mehr zur Sorge sein sollte. Mittlerweile existieren gegenwärtig an die 25 -30 Labels um die Gunst der rechtsextremen Käufer, die sich die CD’s ohne große Schwierigkeiten von zu Hause, ganz bequem, per Internet bestellen können. Und genau hier setzt auch die Idee des Rechten Lifestyle an. Mit der Musik entwickelt sich auch eine Szene die sich auch mit ihren Symbolen bekleiden möchte, da dies nicht immer im legalen Rahmen bleiben kann, ist vermehrt zu beobachten, wie sich viele Bekleidungsmarken Wikingerrunen und Zahlencodes bedienen. Hier sei genannt „Thor Steinar“, die Marke die einiges an Öffentlichkeit gewonnen hat, nachdem das ursprüngliche Symbol gerichtlich verboten wurde und dann neu aufgelegt werden musste. „Gangland Germany“ stellt auf einen interessanten Fall dar, der im Hip-Hop Stil gehaltene Schriftzug soll erstmal Style zeigen aber klar ist auch was mit Gangland Germany gemeint ist. Ein anderes Beispiel ist die Marke „Masterrace Europe“, diese Marke orientiert sich mit ihrem Schriftzug an Londsdalepullover, was die Bedeutung sein soll die transportiert wird, ist mehr als deutlich, nämlich dass kein Platz in Deutschland für andere Kulturen und Menschen sein soll. Aber selbst Bandlogos, wie das von der Band „Hatebreed“ werden gerne für die eigenen Zwecke genutzt, in dem man sich einfach des Schriftzuges bedient und aus „Hatebreed“ – „Hatecore“ macht. Solche Adaptierungen passieren häufig und erschweren das Identifizieren eines Nazis.

Durch Szeneläden und Internetshops wird jedem Neonazi ermöglicht sich die Bekleidung und Musik anzuschaffen. Drüber hinaus wird auch eins deutlich, Nazis passen sich durch ihre Kleidung an, viele Bekleidungen sind extra an linken, oder auch alternativen, Lifestyles orientiert. Dies erleichtert auch die gezielte „Schulung“ von Nachwuchs, da Nazis äußerlich nicht mehr die blöden Prolls mit Springerstiefeln und engen Jeans darstellen. Doch man sollte eins nicht vergessen wenn man von dieser Szene spricht, trotz neuer Erscheinung bleibt der Inhalt der gleiche. Ein hipper und trendy Nazi der “Atreyu“ oder „Blood for Blood“ hört ist immer noch ein Mensch der kranken Ideologien hinterher rennt und für Rassismus und Antisemitismus, sowie auch Faschismus, steht.

Um vielleicht noch mal zu verdeutlichen wie gewachsen diese Szene mittlerweile ist, folgen noch mal ein paar Daten und Fakten zum Jahr 2005, veröffentlicht durch das apabiz (antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e.v.):
Im Jahre 2005 fanden ca. 255 Konzerte statt in Deutschland, wobei die Dunkelziffer viel höher liegt. Deutsche Nazibands veröffentlichten im Jahre 2005 124 Tonträger, davon entfielen ca. 90 auf den Bereich des „White Noise“ und „Hatecore“. Die Auflagezahl der Tonträger ist durch die Schulhof-CD sehr stark angestiegen. Mit rechter Musik und rechter Bekleidung wurde im Jahre 2005 ein geschätzter Umsatz von ca. 500.000€ erreicht. Diese Entwicklung lässt uns auch immer mehr von einer Art „Etablierter Parallelwelt“ denken, zu Recht wenn man sich das weitläufige Angebot anschaut was der Nazi von heute geboten bekommt. Sicherlich eine weitere Seite wären auch die vielfältigen Homepages und Foren wert und die ganzen Zeitschriften, aber hierfür sei auf die Quellen unter dem Text verwiesen.

Also, diese Zahlen sind mehr als Besorgniserregend und sollten uns allen ein Signal geben aktiv vorzugehen gegen Nazis und Rechtsrock. Gerade im Bereich des Hardcore ist eine zunehmende Einstellung vertreten, die das Problem nicht konsequent thematisiert. Kampagnen wie „Good Night White Pride“ sind ein richtiger Schritt in eine Nazifreier Zukunft, nur das bloße Tragen des Buttons oder T-Shirts mit dem Schriftzug bringt nichts. Die Szene an sich müsste stärker gegen Nazis in den eigenen Reihen vorgehen, dazu gehört meiner Meinung nach auch deutlich gegen Sexismus zu sein und Toleranz nicht nur zu predigen sondern sie auch zu zeigen.

Unity ja, aber ohne Nazis bitte! „Hardcore is more than music“ heißt es nicht umsonst. Und damit das auch so bleibt gilt: Null Toleranz für Rechte Musik und Ideologien.

Quellen:

Internet

www.turnitdown.de – viele Infos über Rechtrock und Musik/Kampagnen gegen Rechts
www.apabiz.de - antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e.v.
www.dasversteckspiel.de – Broschüre über rechten Lifestyle, Symbolik und Codes

Literatur

Christian Dornbusch, Jan Raabe (Hrsg.): RechtsRock. Bestandsaufnahme und Gegenstrategien. rat. Unrast Verlag. Münster. 2002


von Dario
26.07.2006