Interview mit BRUTUS

07.03.2019
 

 

Im Zuge der Veröffentlichung ihres zweiten Albums „Nest“ standen uns BRUTUS für ein Interview im Düsseldorfer Büro von Starkult zur Verfügung. Alle drei Mitglieder Stefanie (Drums und Vocals), Stijn (Gitarre) und Peter (Bass) standen Rede und Antwort.

 

Ich habe euer neues Album vor zwei Wochen bekommen und es mir angehört. Es gefällt mir sehr gut, Glückwunsch!

 

Stefanie: Danke.

 

Ich dachte erst, dass da gar nicht mal so viel Zeit zwischen den beiden Alben vergangen ist. Aber dann habe ich gesehen, dass es zwei Jahre dazwischen waren. Das ist nicht sooo kurz.

Stefanie: Das ist schon kurz.

 

Und ich habe gesehen, dass ihr im September aufgenommen hat. Die Zeitspanne zwischen der Aufnahme und der Veröffentlichung ist also recht kurz, findet ihr nicht?

Stijn: Dauert das echt normalerweise länger?

Peter: Sechs Monate sollten da schon reichen.

 

Ich denke, das dauert meistens länger. Mit dem Layout, der Pressung der Platte und so weiter.

Stijn: Das Pressen kann echt schwierig werden. Aber wir hatten ja schon die Labels, und die hatten alles rechtzeitig gebucht. Es war gut geplant.

 

Ich dachte mir dabei irgendwie, vielleicht seid ihr einfach eine Band, die nicht lange rum fackelt.

Stijn. Naja, wir haben davor eine Platte aufgenommen und nichts weiter. Ich finde nicht, dass wir uns danach ein Jahr Auszeit hätten nehmen müssen. Zwischendurch haben wir eine Menge live gespielt, jetzt hatten wir Mal drei Monate Pause und stehen für weitere Shows in den Startlöchern.

Peter: Wir haben auch eine Menge Inspiration und Energie sammeln können, um das Album zu schreiben. Einfach durch das, was wir in der Zwischenzeit erlebt haben. Alles auf der Platte gibt das wieder, was vorher passiert ist. Es war also eine ganz schöne Erleichterung, das in Songform mal los zu werden.

 

Ihr habt also keine Auszeit genommen, in der ihr lange am Stück am Album geschrieben habt, sondern auch unterwegs? Oder wie kann man sich das vorstellen?

Stijn: Meistens zwischen den Shows. Drei Shows gespielt, drei Tage aufnehmen. Und so weiter.

 

Was macht ihr denn eigentlich neben der Band? Ihr scheint ja eine Menge zu touren. Im letzten Jahr zum Beispiel fast den ganzen Mai, Juni und Juli. Was macht ihr denn dazwischen?

Stijn: Wir haben versucht, normale Jobs zu haben.

Stephanie: Wir haben versucht, nicht gefeuert zu werden. Das ist wie Sport.

Stijn: Ich arbeite in einem Musikladen.

Stephanie: Ich auch. Er ist mein Kollege.

Stijn: Sie ist mein Boss.

Stephanie: Ja (lacht). Nein, meine Mum ist unser Boss.

 

Ist das denn eine bestimmte Instrumentensektion in einem größeren Laden, oder ein kleinerer?

Stijn: Es ist ein Familienladen. Also recht klein.

 

In Köln gibt es ja diesen riesigen Musicstore. Ihr wart bestimmt schon mal da?

Stijn: Ich war noch nie da!

Stephanie: Es ist eher so die Größe von diesen Räumen hier.

Stijn: Ich kann mich daran erinnern, dass ich als Kind dieses riesige Musicstore-Buch bekommen habe und mich dann gefragt habe, ob das echt ein Laden sein soll. Das war so ein riesiges Sortiment.

Peter: Ich bin ein Art Director und Graphikdesigner, aber nur zweieinhalb Tage pro Woche.

Stijn: Ja, ich arbeite auch Teilzeit.

Peter: Und ich versuche alles so einzurichten, dass ich touren kann.

 

Machst du auch alles für die Band, Videos und so weiter?

Peter: Nein, die Videos nicht. Und das Artwork für „Nest“ habe ich nicht gemacht. Nur das Artwork für das erste Album. Mir gefällt es, das ein bisschen voneinander zu trennen. Wenn du etwas machst, und das dann bewertet wird, ist es schwierig. Schließlich müssen ja immer alle drei einverstanden sein.

 

Du hast also nicht das neue Artwork gemacht. Ich würde sagen, es ist sehr minimalistisch. Ich habe zwar keine Ahnung von moderner Kunst, aber ich glaube das geht so in die Richtung?

Peter: Ja, das ist bisschen wie dein Shirt von Modern Life is War. Du hast da ja auch nur 4 Pfeile drauf. Es ist simpel gehalten.

 

Wolltet ihr das denn von Anfang an? Gibt es eine Story dahinter?

Stephanie: Nein. Wir haben mit einer Graphikdesignerin gesprochen und ihr erklärt, worum es bei dem Album geht. Sie hat dann zehn bis zwölf Beispiele gemacht, die sich für sie passend angefühlt haben, was unsere Musik und die Beschreibung der Songs angeht. Nach einigen Brainstorm-Sessions kam das also dann raus.

Peter: Wir wussten, was wir nicht wollten. Wir wollten keine Fotos, weil Fotos manchmal so direkt sein können und eine bestimmte Bedeutung ausdrücken. Diesmal wollten wir also etwas Graphischeres haben, das offener für verschiedene Interpretationen ist.

 

Ich habe mir das gerade nochmal auf meinem Handy angeschaut, und es kommt mir wirklich sehr abstrakt vor. Es erinnert mich zumindest nicht an ein Nest. Es ist wirklich ein bisschen wie mein T-Shirt.

Stephanie: Es gibt dahinter schon eine Bedeutung. Wenn du in der Schule Kunstunterricht hast, geht es darum ja auch nicht. Es muss ja nicht immer eine konkrete Bedeutung dahinter sein, die zu erkennen ist. Wir können definitiv sagen, dass es Ideen dahinter gibt und bestimmte Dinge, die wir an dem Layout sehr stimmig fanden. Als wir die Platte aufgenommen haben, haben wir aber nie darüber gesprochen, dass wir quasi nur sechs Streifen als Artwork haben wollen. Das hatte ich überhaupt nicht im Kopf damals. Aber es hat sich einfach gut damit angefühlt.

Peter: Ich weiß nicht, ob es dafür eine richtige Übersetzung gibt (sagt ein niederländisches Wort).

Stijn: Chaos und Stille. So etwas wie strukturiertes Chaos.

Peter: Es sind zwar immer noch Linien, aber die Linien sind quasi unter Spannung. Das „Nest“-Ding bezieht sich auf die Beziehung mit unseren Leuten und den Stress, den diese Band für uns bedeutet hat. Die Band hat unser komplettes Leben durcheinandergebracht, über die Arbeit haben wir ja eben gesprochen. Und dann gibt es natürlich noch Beziehungen, Freunde, Familie. Du kannst nicht zu Hochzeiten gehen, nicht zu Beerdigungen, nicht zu Parties.

 

Ihr seht es aber vermutlich trotzdem als Glück an?

Stijn: Klar!

Peter: Natürlich!

Stijn: Das ist eben wie bei anderen Leuten auch. Wenn jemand zum Beispiel einen Pub aufmachen will, muss er da auch sein ganzes Herzblut und seine ganze Zeit reinstecken. Genau so, wenn man hier bei Starkult arbeitet. Und diese Leute müssen auch manchmal einige Opfer auf sich nehmen was Freunde, Familie und so weiter angeht. Und darum geht es bei „Nest“. Diese Linien auf dem Artwork sind daher eine Reflektion der strukturierten Spannung, unter der das alles passiert. Es gibt also eine Bedeutung dahinter.

Peter: Aber vielleicht nicht für jeden erkennbar.

 

Ja, ich wäre da jetzt nicht wirklich von alleine draufgekommen.

Stephanie: Ja, es war aber auch wirklich nicht so, als hätten wir einfach so gesagt: „Das ist perfekt“. Wenn mir jemand einfach so dieses Artwork in die Hand gedrückt hätte, hätte ich vermutlich nein gesagt.

Peter: Ja, es hat sich eher so ergeben, dass wir es passend fanden.

 

Ich denke es passt zu den Texten. Leider hatte ich beim Vorab-Download nicht die Texte zur neuen Platte dabei, aber die Texte auf „Burst“ fand ich sehr simpel gehalten, allerdings nicht zwangsweise negativ gemeint. Sehr offen für Interpretationen. Man weiß nicht wirklich, worum es dabei genau geht. Man könnte es vielleicht als minimalistisch bezeichnen.

Stephanie: Haha, ich kann dir auch nicht sagen, worum es bei den Texten geht. Nicht bei allen. „Burst“ war geprägt von der Begeisterung, in einer Band zu spielen und den damit assoziierten Gefühlen. Aber es waren nicht mal immer echte Gefühle. Wir haben schon in den vorherigen Interviews über die Texte gesprochen. Sie sind oft sehr leicht, manchmal aber auch nicht. Oft schrieb ich über jemand anderen, damit ich nicht über mich selbst reden. Bei diesem Album gab es aber diesmal so viele Sachen, über die man reden konnte. Dieses Mal singe ich wirklich über Dinge, die ich so meine. Es ist nicht so, als hätte ich auf „Burst“ die Dinge nicht ernst gemeint, aber diesmal war das Texten viel persönlicher.

 

Ein Song vom neuen Album heißt „Cemetery“. Was die Vocals angeht, scheint das der aggressivste Song zu sein. Ich habe keine Ahnung, worum es in dem Text geht, aber ich musste direkt an Feminismus oder Sexismus als Thema denken. Daher habe ich mich gefragt, ob du/ihr in der Richtung mal etwas erlebt habt?

Stephanie: Nein, darum geht es bei dem Song überhaupt nicht. Daher hoffe ich, dass du der Einzige bist, der das so verstanden hat (lacht).

Peter: Es ist aber interessant, dass du was total anderes darin siehst.

Stephanie: Das ist der einzige Song auf dem Album, der eher „leicht“ ist, wie die Texte und Songs auf Burst. Bei „Cemetery“ geht es weder um mich noch um Dinge, die passiert sind. Ich sehe ihn im größeren Kontext des gesamten Albums. Es ist ein kleiner Teil vom Rest der Story, der Dinge, die wir letztes Jahr erlebt haben. Ich bin weder das im Text beschriebene Mädchen, noch kenne ich es.

 

Dieser Song ist mir auf jeden Fall neben „War“ am meisten im Gehörgang geblieben. Mir erschien er eben wirklich sehr aggressiv.

Stephanie: Ja, es ist aggressiv. Aber wenn ich etwas an dem Song herausstellen wollte, dann das Ende. „Give us some time, I need more time“.

Stijn: Das Ende ist, was den Text angeht, das wichtigste. Am Anfang haben wir versucht, den Vibe der letzten zwei Jahre einzufangen. Und das hat Stephanie ziemlich abstrakt gehalten. Das Ende fasst die ganze Thematik dann zusammen.

 

Okay. Frauen in der Musikszene sind ja nach wie vor ein Thema. Manche Festivals haben zum Beispiel eine Quote darüber, wie viele weibliche Musiker sie im Lineup haben wollen. Hast du irgendwelche schlechten Erfahrungen gemacht? Du bist ja auch eindeutig der Mittelpunkt der Band. Mir fällt auch keine andere Band ein, die eine weibliche Schlagzeugerin und Sängerin hat.

Stephanie: Das war am Anfang auch nicht wirklich geplant, sondern hat sich eher so ergeben. Aber bezogen auf deine Frage: Dumme Leute gibt es ja irgendwie immer. Mich interessiert das nicht besonders.

Peter: Ich kann mich nicht erinnern, dass wir da mal was Erwähnenswertes erlebt hätten. Weder sexistische Kommentare, noch dass jemand sie angebrüllt hatte, oder sonst was. Vielleicht kleinere Sachen, die ein oder zwei Mal passiert sind.

Stijn: Wie sie sagt, Arschlöcher wird es immer geben.

Peter: Aber wir könnten wirklich nicht sagen, dass da oft etwas passiert.

Stijn: Was die Bands angeht, für die wir Support gespielt haben: 99% der Leute waren immer sehr respektvoll.

 

Vielleicht sollte man darüber auch gar nicht mehr sprechen müssen. Mir kommt es aber immer noch eher selten vor, dass Frauen in der Alternativ-Szene bzw. Rock- oder Metal-Szene in Bands spielen. Zum Beispiel wurde letztens die US-Band „Movements“ kritisiert, weil sie auf Social Media nach Bands mit weiblichen Mitgliedern gefragt hatten, aber dann drei Supports ohne weibliche Mitglieder angekündigt haben. Das hat zu einem Shitstorm geführt und gezeigt, dass das immer noch ein Thema ist.

Stijn: Mir fällt da wirklich höchstens irgendwas aus den ganz frühen Tagen ein. Dass irgendjemand „Zeig uns deine Titten!“ gerufen hat. Aber da waren wir noch lange nicht volljährig.

Peter: Ja, das waren Bands, die wir vor Brutus hatten. Da hat auch mal jemand gerufen, dass er dich heiraten will. Kannst du dich daran erinnern?

Stijn: Nein (lacht).

Peter: Manchmal denke ich mir auch, dass es auch umgekehrt zu Problemen führen kann. Wenn sechzehnjährige Mädels auf den gutaussehenden Sänger einer Band stehen. Wir haben zum Beispiel nicht die erste Reihe voller sechzehnjähriger Jungs, die „Stephanie! Stephanie!“ rufen (lacht). Bei manchen Pop-Punk-Bands rufen ja da die ersten fünf Reihen „Heirate mich!“. Das ist sicherlich auch manchmal unangenehm für diese Typen, ein Sexsymbol für diese sechzehnjährigen Mädels zu sein.

 

Ja, da fühlt man sich ja als Künstler auch nicht wirklich für seine Kunst wertgeschätzt.

Peter: Ja, eher als Posterboy.

Stijn: Ich denke, das ist eine gute Frage. Aber ich würde wirklich sagen, wir denken da nie drüber nach. Selbst wenn etwas passieren würde, kann sie auf sich selbst aufpassen. Wahrscheinlich besser, als ich auf mich selbst aufpassen kann.

 

Das freut mich auf jeden Fall zu hören. Lasst uns weiter über das Album reden. Wie seid ihr erstmalig mit Jesse Gander aus Vancouver gekommen? Er hat ja auch das letzte Album gemacht. Was hat dann dazu geführt, wieder mit ihm aufnehmen zu wollen?

Stijn: Für die ersten drei Jahre der Band haben wir die ganzen kleinen Venues in Belgien gespielt. Wir hatten ein wenig Geld auf Seite gelegt und wollten etwas Handfestes haben. Dann haben wir uns weltweit umgeschaut, mit wem wir arbeiten wollten und nicht nur in unserem Land. Er hatte bereits einige Sachen gemacht, die wir sehr mochten. Deshalb haben wir es einfach versucht. Es war eine sehr spannende Erfahrung. Wir wussten überhaupt nicht, was uns erwartet.

Peter: Und beim zweiten Mal sind wir wieder zu ihm gegangen, weil es sich quasi wie ein sicherer Hafen anfühlt. Die Erfahrungen der Aufnahme des ersten Albums waren sehr gut, wir haben uns dort wohl gefühlt. Wenn man dann als Band wächst und etwas reifer wird, kann jemand den Prozess begleiten. Ich finde, es fühlt sich schlüssig an, die ersten beiden Alben dort abzuschließen.

Stijn: Beim ersten Mal lief es natürlich noch anders. Wir wussten nicht, wie er tickt. Und er natürlich nicht, wie wir ticken. Er ist wirklich ein Nerd, aber im besten Sinne. Bei der zweiten Platte wussten wir, wie er arbeitet und er weiß, wie wir sind und interagieren. Wenn man zu viert für 12 Stunden im Studio hängt, sollte man sich ein wenig kennen.

Stephanie: Sonst wird es brenzlig, wenn jemand hangry wird (lacht).

Peter: Die Zusammenarbeit war dadurch sehr einfach.

Stephanie: Ich war beim zweiten Album auch sogar noch nervöser als beim ersten. Weil man beim ersten einfach irgendwas macht und gut ist. Keiner erwartet irgendwas von dir. Und weil wir uns bezüglich Jesse schon so sicher waren, war das sehr angenehm, dass wir uns da um nichts kümmern mussten.

Peter: Wir wussten ja auch, dass das Album anders werden würde. Wenn wir eine sehr ähnliche Platte aufgenommen hätten, hätte es vielleicht Sinn gemacht, bei jemand anderem aufzunehmen, damit es sich anders anhört. Aber wir haben viel verändert, zum Beispiel auch beim Gesang.

Stijn: Es hat Spaß gemacht, in einer Umgebung zu sein, in der wir mit ihm Experimentieren konnten. Das wäre mit einem neuen Partner schwieriger geworden.

 

Ich denke auch, dass „Nest“ ein guter Kompromiss ist. Vom Sound her ist es nah an „Burst“ dran, aber was das Songwriting und die Experimentierfreude angeht, ist es anders genug. Man denkt nicht, dass es „Burst“ Teil 2 ist. Ich denke, ihr habt mehr leise und mehr laute Parts, insgesamt ist die Spannweite viel breiter.

Alle: Danke dir, genau das wollten wir erreichen.

 

Das ist auch die nächste Frage. Die Unterschiede zwischen beiden Alben. Worauf habt ihr da abgezielt?

Stijn: Genau das, was du gerade angesprochen hast.

Stephanie: Mehr Dynamik.

Stijn: Wir wollten auch mehr in die Tiefe gehen. Nicht einfach nur Riffs runterrattern. Arrangements waren wichtiger. Wir haben mehr über alles gesprochen.

Peter: Und, auch wenn wir nicht wirklich drüber gesprochen haben, konnten wir Stephanie’s Fortschritte an den Vocals spüren.

 

Das denke ich auch. Als ihr das Live-Recording zu „War“ gepostet habt, war ich echt richtig geflasht. Der Song bleibt wirklich im Ohr, eben weil es am Anfang nur Gitarre und Gesang ist. Und der Gesang ist wirklich großartig. Seid ihr mit Oathbreaker befreundet?

Peter: Eher Kollegen.

Stephanie: Ja, Kollegen. Wir kennen sie.

Peter: Caro wohnt jetzt in den Staaten, daher sieht man sie nicht mehr so oft.

 

Mich hat „War“ echt daran erinnert, als Oathbreaker „Second Son of R.“ rausgebracht haben. Da war ich auch total geflasht, weil Caro so gut gesungen hat.

Stephanie: Vielen Dank.

 

Lasst uns über die anstehenden Konzerte sprechen. Ihr fangt auf dem Groezrock an, das dritte Mal glaube ich.

Alle: Ja.

 

Dort habe ich euch auch zum ersten Mal gesehen, auf dem Groezrock 2017.

Stijn: Ja, wir waren dort 2015 und 2017 und sind es dieses Jahr.

Stephanie: 2017 war eine coole Show.

Peter: Meine Eltern wohnen nur 20 Kilometer vom Groezrock entfernt. Ich gehe da also seit 1996 hin.


Als es noch 10 Bands und keine internationalen Bands waren.

Peter: Ja, eine Club-Bühne. No Fun At All waren Headliner und das war’s. Es passt gut, da wir auch Wurzeln im Punk und Hardcore haben.

 

Ich war da jetzt 8 oder 9 Mal, zum ersten Mal im Jahr 2008. Es ist größer geworden, aber dann wieder kleiner. Ich habe Gerüchte gehört, dass andere Veranstalter das Groezrock aufkaufen wollten und das Groez deswegen keine großen Headliner mehr bekommen hat.

Peter: Ich kenne Hans, der das seit zwanzig Jahren organisiert, ich werde ihn also mal fragen (lacht). Aber ich weiß, dass sie es letztes Jahr ausfallen lassen mussten.

 

Ja, es gab eine Indoor-Version.

Peter: Genau. Was ich gehört habe, sind sie immer größer geworden, während die Helfer nach wie vor aus dem anliegenden Ort waren. Quasi sowas wie die Pfadfinder.

Stijn: Kids aus dem Ort, die dort aufgewachsen sind.

Peter: Und dann konnten sie das wohl nicht mehr stemmen.

 

Aber was die Zuschauerzahlen angeht, kam es mir so vor, als wäre es 2015 oder 2016 am meisten gewesen.

Stijn: Ja, ich glaube, sie haben es dann absichtlich wieder kleiner gemacht.

 

Naja, wer braucht schon fünf Bühnen.

Peter: Hans hat mir gesagt, dass es dahinter eine Philosophie hat. Weil er mehr kleine Bands machen will, viele unterschiedliche Bands.

 

Manchmal klappt das aber nicht wirklich so gut, wie geplant, finde ich. Man steht dann zum Beispiel vor einer der kleineren Bands und hört im Hintergrund eine der anderen Bühnen.

Peter: Ja, stimmt.

Stephanie: Dann spielt man wohl nicht laut genug (lacht).

Stijn: Wir hatten das Problem aber auch, gerade weil wir ja auch mit der Laut-/Leise-Dynamik rumexperimentieren.

 

Man wird wahrscheinlich nie alle zufriedenstellen können. Für mich bedeutet Groezrock immer viel Stress, weil ich den ganzen Tag Bands sehen will. Manchmal zwei zur selben Zeit. Es gibt zum Beispiel auch das Slam Dunk Festival in England. Die haben glaube ich fast 100 Bands an einem Tag auf etlichen Bühnen. Man kann sich das also gar nicht alles angucken. Das verstehe ich nicht wirklich.

Stephanie: Schon irgendwie komisch.

Peter: Man braucht viele Bands, um viele Leute zu bekommen.

 

Wisst ihr schon, auf welcher Bühne ihr spielen werdet? Letztes Mal war es glaube die dritte Bühne, das Zelt ohne Absperrung.

Stijn: Ich weiß es nicht.

Stephanie: Wir waren jetzt zweimal in dem Zelt.

Stijn: Ich denke, das wird dieses Jahr wieder so sein.

Stephanie: Ist perfekt, so ohne Barriere.

 

Aber viele Stagedives gibt es bei euch ja auch nicht, oder? Passt nicht.

Peter: Nein, die Leute tanzen eher.

 

Dennoch ist es vermutlich angenehmer, näher an den Leuten zu sein.

Stephanie: Ja, die Groezrock-Bühne mag ich wirklich. Sie ist nicht zu hoch. Und wenn jemand bei uns stagedivet, sind das immer Freunde.

Peter: Das stimmt (lacht). Betrunkene Freunde.

Stephanie: Und dann winken sie uns vorher zu.

 

Das ist vermutlich nicht eure erste richtige Headliner-Tour, aber für mich fühlt sich das fast so an, weil ihr inzwischen größer geworden seid und auch die Support-Tourneen für diese großen Bands gespielt haben. Diesmal spielt ihr also vermutlich größere Venues?

Stephanie: Keine Ahnung.

Peter: Ja, da passen schon durchschnittlich 200-300 Leute rein. Wir werden sehen.

Stijn: Wir werden da sein (lacht). Mal schauen, was passiert.

Peter: Wir werden da sein und unser Zeug aufgebaut haben.

Stijn: Und wir werden definitiv spielen, auch wenn da nur zwei Leute stehen.

 

So schlimm wird es wohl nicht kommen. Aber ihr habt also nie Erwartungen?

Stijn: Nein, nicht wirklich.

Stephanie: Nur, dass wir eine gute Show spielen.

 

Gute Einstellung. Das geht auch anders. Habt ihr auch gestern das Zeug mit den Architects und dem Jera on Air gelesen? Ich dachte mir da wirklich: „What the fuck?“. Das war doch mal eine Punkband. Und ich finde, die richtige Attitüde als Punk-Band, wenn es eine richtige Attitüde gibt, ist: Egal, wie viele Leute kommen – wir spielen, so gut wir können.

Stijn: Ich denke aber, da geht es auch um Professionalismus. Und das verstehe ich. Ich würde aber dennoch diese Show spielen.

Peter: Ja, wenn man es aus der professionellen Sicht sieht und man als Headliner unter Vertrag steht und dann herausfindet, dass man nicht der Headliner ist, naja.. – ich beantworte das jetzt nicht als Bandmitglied so.

 

Sie wären doch Headliner gewesen. Ich glaube, es ging eher darum, dass sie auf dem Flyer nicht ganz oben stehen.

Stephanie: Diese Diskussion gibt es doch auch oft unter kleineren Bands. Wer weiter oben steht. Die haben dann 10.000 oder 20.000 Follower und dann wird schon ausdiskutiert..

Peter: „Wir wollen mit euch auf Tour gehen, aber dann muss das so und so aussehen.“

Stephanie: Ja, dann kommt es wirklich drauf an, wie groß der Font auf den Flyern ist und so weiter.

Peter: Das ist eben die Management-Seite.

 

Seid ihr es gewohnt, so lange zu touren? Es ist glaube ich ein ganzer Monat. Und letztes Jahr habt ihr mal zumindest im Mai, Juni und Juli sehr viel gemacht.

Peter: Es ist nur in Europa.

Stijn: Ja, man muss nicht 24 Stunden fahren, um zum nächsten Laden zu kommen. Wir haben auch immer Glück mit den Schlafplätzen. Unser Fahrer ist auch super.

 

Mit drei oder vier Leuten habt ihr auch eine geringere Wahrscheinlichkeit, dass jemand schnarcht.

Stijn: Das stimmt. Wir stellen allerdings auch immer sicher, dass wir an den richtigen Stellen einen Off-Day haben. Also nicht acht Shows, Off-Day, eine Show, Off-Day oder so was.

Peter: Und auf der Tour mit Thrice konnten wir an den Wochenenden immer heimfahren, weil sie auf Festivals gespielt haben, für die wir nicht gebucht haben. Ich glaube in Europa mussten wir bisher noch nie länger als 16 Stunden fahren, das war dann nach Mailand. Es ist anders, wenn eine Band aus Amerika rüberkommt, und dann hier 6 Wochen unterwegs ist und alles abhaken will. Übersee, verschiedene Zeitzonen und so weiter. Weg von der Familie, den Freunden, dem Partner. Wir mussten das bisher nicht. Aber in Zukunft werden wir das schon tun, wenn wir in die Staaten wollen.

 

Bisher habt ihr das aber nicht gemacht, oder? Habt ihr Shows gespielt, als ihr dort zum Aufnehmen waren?

Stijn: Wir haben eine Show gespielt.

Stephanie: In einem chinesischen Restaurant. Es war super verrückt.

Stijn: Ein Pizzaladen, der auch chinesisch gekocht hat.

Stephanie: Mittags aßen dort Leute und abends gab es Punk-Shows.

Stijn: Es war eine Art Lounge Bar.

Peter: Da hing überall Schwertfisch rum.

 

Das hört sich aber nach einer guten Story an. Ich habe selbst schon in Bands gespielt, und würde diese verrückten kleinen Ramsch-Shows am Anfang nicht vermissen wollen. Wenn die Band größer wird, und man nur noch in den professionellen großen Läden spielt, passiert so etwas ja nicht mehr. Mit meiner zweiten Band habe ich zum Beispiel mal vor einer Meute von Zimmermännern gespielt, die von der Walz nach Hause kamen und das mit uns gefeiert haben. Oder im Keller einer freichristlichen Kirche.

Stephanie: Ja, wenn es zu schnell geht, vermisst man das gute Zeug. Wir haben mal in Slowenien gespielt. Wir sollten danach in einem Hotel übernachten.

Peter: Und dann hieß es: „Hier ist der Schlüssel“.

Stephanie: Ja (lacht). Es war vor dem Winter, wir waren aber trotzdem die einzigen Gäste dort. Und es gab ungefähr tausend Betten. Das war wie bei „The Shining“. Ich hatte eine Riesenangst.

 

Oh, ich hoffe ihr seid nicht der hässlichen, alten Dame in der Badewanne begegnet.

Peter: Nein, nein. Das war ein Ski-Resort, aber es gab keine Skifahrer.

Stephanie: Die Zimmer waren nicht mal nebeneinander. Niemand war da. Ich war ungefähr im Raum 1 und er (zeigt auf Peter) dann im Raum fünfhundertirgendwas.

Stijn: Am nächsten Morgen bin ich dann zum Frühstück runtergegangen, und dann waren einige Leute da. Uns wurde mitgeteilt, dass es Gäste für eine Convention waren. Dabei ging es um Fußpilz. 30 Ärzte, die sich Bilder von Fußpilz anschauen (lacht).

Peter: Das beste Thema für jedes Frühstück.

Stijn: Diese Shows will man wirklich nicht missen. Vor zwanzig Leuten.

Peter: Sie haben uns dermaßen viel Schnaps gegeben dort. Das war in Ljubljana. Ein Ski-Resort, das total verlassen war.

 

Könnt ihr uns etwas über Russian Circles, Thrice und Chelsea Wolfe erzählen? Ich bin ein Riesenfan von allen drei. Zwei Sätze zu jeder dieser Bands?

Stijn: Ja, wir sind auch Riesenfans.

Peter: Die beste Erfahrung ever.

Stijn: Ich kann mir keine bessere Art vorstellen, wie man mit seiner kleinen Band wächst, als als Support von solchen Bands. Wahnsinn.

Peter: Respektvoll und professionell.

Stijn: Sehr nette Leute.

 

Und wenn wir alle mal durchgehen? Irgendwas Witziges oder besonderes?

Stephanie: Russian Circles sind quasi die Godfathers des Tourens. Sie sind so gechillt, gut organisiert und man kann sie jederzeit ansprechen. Thrice ist etwas größer, weshalb es für mich schwieriger war, sie anzusprechen. Als wir mit Russian Circles gesprochen haben, war das sehr einfach. Ganz normale Menschen. Thrice war für mich purer Professionalismus.

Peter: Russian Circles sind sehr auf dem Boden geblieben, aber auch professionell.

Stijn: Sie wissen, wie alles läuft. Kein Bullshit.

Stephanie: Für Chelsea Wolfe ist ein guter Vibe auf der Tour sehr wichtig. Ich hatte da so eine Art Hippie-Feeling bei der Band. Es wird alles dafür getan, dass sich jeder gut fühlt.

 

Was denkt ihr darüber, dass Lars Ulrich von Metallica und Simon Neil von Biffy Clyro eure Musik gut finden? Hattet ihr Kontakt mit denen?

Stijn: Metallica haben eine der größten Venues in Belgien gespielt und wir standen da auf der Gästeliste. Ich habe so viel getrunken und gegessen, das war sehr geil.

Peter: Wir haben Lars getroffen und er war sehr nett. Er hat uns zu dem Konzert in Antwerpen eingeladen und danach haben wir uns getroffen und miteinander gesprochen. Er hatte sehr großes Interesse an unserer Musik und unserem neuen Album.

Stijn: Er musste dann aber ein Flugzeug kriegen, hat sich dann aber trotzdem eine halbe Stunde Zeit genommen, um mit uns zu reden. Wenn Metallica in Europa touren, fliegt er immer nach Kopenhagen, denn da kommt er her. Sie hatten also diese Show in Brüssel und später eine in Madrid. Zwischendurch fliegt er dann nach Dänemark (lacht).

Peter: Das war schon surreal.

Stijn: Mit Biffy Clyro hatten wir noch keinen Kontakt. Wir wissen über ein paar Umwege, dass sie uns gut finden. Simon hat in einem Musikmagazin über unsere Platte gesprochen und auch gesagt, dass er mit Stephanie gerne einen Song singen würde.

 

Aber du hast das abgelehnt (lacht)?

Stephanie: Er hat noch nicht gefragt (lacht).

Peter: Ja, das muss er schon tun.

 

Die Frage nach den Zielen einer Band wird ja oft gestellt. Meiner Erfahrung nach können das die meisten aber nicht wirklich konkret benennen. Manche machen dann vielleicht Witze darüber, dass sie irgendwann mit Metallica auf Tour gehen könnten. Für euch könnte das ja sogar mehr sein als ein Witz, falls sie eure Band mögen.

Stijn: Ja, aber das ist nicht wirklich ein Ziel. Das wäre ein Sahnehäubchen. Ich will gute Musik und gute Alben schreiben. Ich denke mir nicht, dass ich mit Band xy touren oder Person z treffen will. Einfach mit Freunden Musik machen. Wenn uns das weit bringt, super.

Peter: Alben halten auch länger als Tourneen. Es geht uns also vor allem um die Musik.

Stijn: Wenn man eine Platte macht, von der die Leute noch in zwanzig Jahren schwärmen, dann hat man gute Arbeit geleistet.

 

Eure Musik scheint auch für viele Leute zugänglich zu sein. Ich denke, Thrice, Russian Circles und Chelsea Wolfe sind schon in unterschiedlichen Genres zuhause. Wie erklärt ihr euch selbst diesen Erfolg mit BRUTUS?

Stijn: Naja, erstmal kann man sicherlich über die Definition von Erfolg sprechen. Für mich ist es schon ein Erfolg, wenn ich mit meinen Freunden Musik mache und das tue, was ich will. Wenn man sich die Tourneen ansieht, gibt es da schon Unterschiede. Aber das habe ich live bei den Shows nicht wirklich bemerkt. Die Leute waren auch immer schon recht früh da, sodass sie uns gesehen haben. Chelsea Wolfe ist sicherlich heavier und eher downtempo, aber die Leute sind wirklich meistens sehr offen für das, was wir tun. Wir haben ja zum Beispiel einen Song namens „Baby Seal“. Es gibt eine Bedeutung für uns, über die keiner etwas wissen muss. Es geht zwar auch um Gewalt gegen Tiere, aber es steckt noch eine Menge mehr dahinter. Manchmal habe ich mir aber eben schon gedacht: Spielen wir wirklich einen Song namens „Baby Seal“ vor einem Raum voller Leute, von denen keiner ein helles Shirt trägt? Trotzdem war es aber super. Sehr oft kamen wir nach den Shows noch gut ins Gespräch. Es wurden coole, tiefgründige Fragen gestellt. Zum Beispiel über meinen Gitarrenstil, warum ich so spiele, obwohl wir nur ein Trio sind. Wenn man mit Russian Circles auf Tour geht, fragt man sich natürlich auch, ob man zu soft ist. Ob es den Leuten gefallen wird. Aber es lief wirklich jede Tour gut und es hat geklappt. Ich muss das nicht immer verstehen. Es ist eine seltsame, aber tolle Sache.

 

Vielen Dank für das Interview!

Alle: Danke an Allschools!