Interview mit Callejon

17.06.2010
 

 

Interview mit Callejon Sänger Basti.

Gratulation zum neuen Album. Wie waren die bisherigen Reaktionen von Presse und Fans? Kam die Platte gut an?

Das Album kam wirklich ziemlich gut an, viel besser als wir es uns erhofft hatten. Das Presseecho war im Gegensatz zu sonst sehr gut. Wir sind eine Band, die man entweder liebt oder hasst und diesmal ist das Urteil insgesamt ein bisschen glimpflicher ausgefallen. Ich glaube die Fans haben das neue Album auch gut aufgenommen. Viele sagen ja „Videodrom“ klingt wieder ein bisschen wie die älteren Sachen, aber ich denke das wir uns einfach nur weiterentwickelt haben und dass das ziemlich gut angekommen ist. Stillstand ist ja bekanntlich der Tod...

Was heißt nun eigentlich Videodrom? Worum geht es in dem Album und welches Konzept steht dahinter?

Wir haben auf diesem Album inhaltlich das gesamte letzte Jahr verarbeitet. Es kam ja ein großer Labeldeal inkl. internationaler Presse und allem Drum und Dran. Am Anfang dachten wir wie toll das alles sei, doch mit allem Guten lernt man auch die Schattenseiten kennen. Wir haben gemerkt das dieses ganze Ding, der Traum vom Musikmachen und davon leben zu können, nichtmal damit reich zu werden, einfach fast unmöglich ist. Wir sind da echt an unsere Grenzen gestoßen, weil wir teilweise nicht arbeiten konnten und auch unser Studium in den Sand gesetzt haben. Diese ganzen Erfahrungen haben wir dann auf unserem neuen Album verarbeitet.
Der Titel „Videodrom“ ist ja eigentlich ein alter Film aus den 8oern von David Cronenberg. Bei Videodrom geht es um die Sicht hinter den Dingen. Auf unsere Band übertragen heißt das, dass man als Außenstehender immer nur sieht wie wir uns auf Myspace darstellen, das wir große Stories in einschlägigen Zeitschriften haben und auf großen Festivals spielen. Viele Leute denken ja auch beispielsweise wir würden dicke Autos fahren,usw.. Die Wahrheit dahinter ist aber eigentlich, dass wir noch immer extrem hart für die ganze Sache arbeiten, extrem viel Scheiße fressen müssen und man nichts geschenkt bekommt. Wir müssen um alles kämpfen. Das Album haben wir selber produziert, wir haben die Videos selber finanziert und alles selber gemacht. Genau darum geht es auf dem Album. Es war insgesamt so viel was da auf uns eingetrommelt ist. Hauptsächlich leider nicht nur positive Sachen. Natürlich war es auch eine coole Zeit mit vielen tollen Erfahrungen, aber insgesamt war es einfach ziemlich schwer. Aber man muss ja immer nach vorne schauen - Dafür ist ja Musik auch da, es hat ja auch immer eine kathartische Wirkung, wenn man seine Erfahrungen aufschreibt und sich so davon reinigt.

In „Sommer, Liebe, Kokain“ rechnet ihr ja so ein bisschen mit all den Leuten ab, die Callejon ablehnen auf Grund falscher Szenedogmen und Scheuklappen. Was stört euch im Moment so an der Szene?

Ja was heißt Szene? Wir als Callejon waren noch nie so groß in die hiesige Hardcoreszene integriert. Früher bin ich zwar auch andauernd auf Konzerten gewesen und möchte fast meinen, dass ich Mitglied einer „Szene“ war, man hatte eine Richtung, einen gemeisamen alternativen Lebensstil, aber inzwischen habe ich auch das Gefühl, dass es so viele Richtungen und Gruppierungen gibt in der jeder denkt, dass er die absolute Wahrheit für sich gepachtet hat. Das nervt absolut.
Letztendlich ist es aber auch definitiv nicht so, dass wir in diesem Song mit Fans, der Szene oder außen stehenden Leuten, die uns gar nicht interessieren, in diesem Sinne abrechnen. Es geht eher um A & R's die für Plattenlabels arbeiten und mehr Ahnung von Sonnenbrillen als von Musik haben.

Welches ist eigentlich dein persönliches Lieblingslied vom neuen Album „Videodrom“?

Also mir gefällt „Lass mich gehen“ eigentlich mit am besten, weil das auf jeden Fall der persönlichste Song auf dem ganzen Album ist. Er beschreibt quasi unsere momentane Situation. Man kann den Song natürlich auch als „Liebestext“ verstehen, aber er ist eigentlich so geschrieben, dass wir uns nun Callejon auf geheimst haben und das jetzt auch durchziehen müssen, weil wir schon so weit gekommen sind und zu tief drin stecken. Es ist wie eine Art Liebe, die einen aber auch aussaugt und fertig macht. Darum geht es in dem Song.

Was sind so eure musikalischen Einflüsse? Gibt es Bands die euch besonders geprägt haben?

Eigentlich prägt einen ja immer alles, was man im Laufe seines Lebens hört. Es gibt immer so ein paar Bands die man zu einer gewissen Zeit hört. Inzwischen höre ich aber gar nicht mehr so viel neue Musik. Das rührt daher, dass vieles der neuen Sachen mich absolut gar nicht mehr berührt. Ich höre inzwischen viel Kram den ich früher so gehört habe, wie Type O Negative, Depeche Mode und The Cure. Das hört sich jetzt so an, als wenn ich sagen will, dass ich extrem cool bin, aber es ist halt wirklich so. Momentan fällt mir nichts neues ein, was ich wirklich gut fände. Aus dem Hardcorebereich mag ich aber zum Beispiel viele Sachen von Atreyu, aber ich höre auch noch viele alte Screamobands von früher wie z.B. Orchid, falls das jemandem was sagt.

Für gewöhnlich singt ihr ja auf deutsch. Habt ihr schon mal überlegt vielleicht englische Songs zu machen?

Inzwischen ist das ja auch so eine Art Trademark von uns auf Deutsch zu singen. Die ersten Texte die ich damals geschrieben habe, waren auf englisch - aber die waren scheiße! Die waren halt mit dem Wörterbuch übersetzt. Ich habe dann gesagt, dass ich nur noch auf Deutsch schreiben will, weil das die Sprache ist in der ich mich am besten ausdrücken, in der ich echte Gefühle niederschreiben und Metaphern bilden kann.
Texte sind sehr sehr wichtig und sollten nicht nur Begleitmittel zur Musik sein. Eigentlich muss die Musik mit dem Text zusammenarbeiten und daraus muss sich dann wiederum etwas Neues ergeben. Das kann ich weder auf englisch noch in irgend einer anderen Sprache und wenn ich das machen würde, dann auch nur als bestimmtes Stilmittel um irgendwas zu verdeutlichen, aber ansonsten bleiben wir bei deutschen Texten.

Das letzte Lied auf eurem neuen Album heißt ja „Gott ist tot“. Logische Frage … Was haltet ihr von Religion?

Bei „Got ist tot“ handelt es sich um ein Nietzsche Zitat. Es geht dabei nicht direkt um Gott, die Person als solches, sondern um Religion als Allgemeines. Wir sprechen dabei aber nicht direkt Religion an, in Form von Christen-,Judentum, o.ä. Wir sprechen allgemein bestimmte Dogmen an, die die Welt bestimmen. Es ist ja so, dass viele Menschen die Religion benutzen, wenn es ihnen richtig scheiße geht, um auch in schweren Situationen noch Halt zu haben.
Letztendlich habe ich aber das Gefühl beschrieben, wenn man ganz unten ist und erkennt dass niemand einem helfen kann außer man sich selbst. Ja wie stehen wir zu Religion? Das war ja deine Frage. Wir sind da wohl alle eher Atheisten.

Dann wäre ich auch schon bei meiner letzten Frage. Welche Ziele setzt ihr euch für die Band und wie soll es demnächst weitergehen?

Wir machen ja Musik, weil wir es lieben und nicht um damit reich zu werden, aber der Traum letztendlich ist davon wirklich leben zu können und seine Rechnungen mal davon bezahlen zu können ohne von irgendwelchen Labels oder solchen Dingen ausgesaugt zu werden. Letztendlich wollen wir natürlich weiter kommen und größer werden. Wir wollen keine Kellerband sein, die nur für sich alleine spielt. Das ist ja eigentlich das Schönste überhaupt, wenn man das, was einem am meisten Spaß macht beruflich machen kann. Ich meine wir sind auf einem ganz guten Wege, dass das irgendwie irgendwann klappt, so dass wir es auch auf unseren Kontoauszügen sehen.

So die letzten Worte gehören dir. Also falls du noch etwas loswerden willst, nur zu.

Kinder kommt zu unseren Konzerten und kauft ganz viel Merch, damit wir reich werden. Ich will nämlich doch reich werden! (lacht)