Plattenkritik

Anti-Pop Consortium - Fluorescent Black

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Release Date: 29.09.2009
Datum Review: 05.10.2009

Anti-Pop Consortium - Fluorescent Black

 

 

Technoide Beats, die die Synapsen straffen. Instrumentals wie hochgezüchtete Elektroameisen, fiebrig wuselnd in den Gehörgängen. Elekrokrach und Lyrics, die den Blick klären, wie ein Roman von Don DeLillo. Unverschämt funky und tiefgelegt wie Baudrillard mit Backsteinen im Rucksack. Das ANTI-POP CONSORTIUM ist nach Jahren langen Wartens wieder zurück. Postmoderne Backpack-HipHopper dieser Welt verneigt euch in Demut.

Allein: Der bloße Name ist ein Statement. Und rein historisch gesehen die reinste aller reinen Wahrheiten. Das war HipHop schließlich einmal. Gegen den Pop, gegen die Vereinnahmung. Für das Stricken eigener Diskurse und das Ausspucken unbequemer Wahrheiten. Irgendwann haben viele führenden Protagonisten dann Talent und Pioniergeist durch Überkonsum und drastischen Semantikverlust substituiert. Sie gingen im geistigen Schonraum der Bedeutungslosigkeit verloren, derweil bouncende Bitches Poolparties optisch aufwerteten oder mit gewaltigem Vorbau Autoscheiben wischten.

Das ist natürlich nur eine Seite. Auf der anderen stehen Retter (oder je nach Lesart: Stresser) wie das ANTI-POP CONSORTIUM, die zumindest für kleine große Veränderungen und Kompromisslosigkeit stehen. Denn mal ehrlich, welcher auf Erfolg schielende HipHop-Act würde eine Album eröffnen mit durchdrehenden kreischenden Gitarren, einem Schlagzeugoverkill und das Ganze dann noch mal rückwärts sampeln? Darauf folgt ein tiefgehender synthetischer Beat und dank 'Lay Me Down' ist der geneigte Hörer recht schnell drin in APCs eklektischem Klanguniversum. Glitch, HipHop, Ambient und vieles mehr. Bemerkte man zuletzt auf dem 'Song For John Walker'-Remix des "Stepping Stones" Albums von Altmeister DJ KRUSH, was man an ihnen eigentlich hatte, freut sich der geneigte Indie-was-weiß-ich-HipHop-Hörer über die Rückkehr der Verspulten. Die, die alles verwerten, was da ist oder da sein könnte. Genau das sollte moderner HipHop auch machen: Alles in den überlebensgroßen Postmodernemixer stopfen. Sämtliche Diskurse, allen Quatsch, Spinnereien und leeren Sprachspiele unserer informationsüberfluteten Zeit. Alles muss raus, sämtliche Kanäle wollen genutzt werden. Powerknopf on und ab dafür. Lasst HipHop wieder ein Schlachtfeld der Sprache und der Sounds werden. Dass so etwas dabei durchaus nicht schmecken muss wie Müsli aus dem Bioladen um die Ecke oder möchtegern hip und trendgerecht wie für den Bionade-Biedermeier, sondern durchaus düster, verspielt und dräuend sein kann, wissen wir nicht zuletzt seit DÄLEK oder diversen Def Jux-Cats. EL-Ps Talentschmiede wäre übrigens gar keine so falsche Adresse gewesen für das Quartett aus New York. Hier eiert, fiebt und poltert es auch an sämtlichen Fronten, wobei das ANTI-POP CONSORTIUM stets weiß, worauf es ankommt: Das Instrumental auch auf Umwegen trotzdem noch ins Ziel zu schleppen. Überhaupt klingt 'Fluorescent Black' im heutigen Kontext nicht mehr ganz so hypermodern wie frühere Veröffentlichungen. Der technische und kreative Fortschritt macht schließlich auch vor Musik nicht halt. Einiges, wie bestimmte Drumpatterns und dieses gewisse technoide Fundament haben Leute wie die Neptunes oder eben EL-P in Abwesenheit APCs weiter ausgelotet. Trotzdem fußt ein Track wie 'Timpani' auf keinem richtigen Beatfundament, nach knapp drei Minuten kommt der Techno um die Ecke gebogen. Spätestens an dieser Stelle schaltet der durchschnittliche HipHop-Hörer wohl ab. 'Reflections' und 'Shine' wirken dagegen beinahe klassisch, sofern man das von Science Fiction behaupten kann. 'Born Electric' wiederum täuscht eine Soulballade vor, während 'Capricorn One' und der Titeltrack zum Ende hin noch mal die Synapsenglätter geben.

Dr. Dre sagte irgendwann einmal in einem Interview, er sei „bullshitproof“, eine Aussage, die durchaus als widerlegt gelten kann. ANTI-POP CONSORTIUM sind songtitelgemäß 'Superunfrontable'. Eine Aussage, die man nicht nur aufgrund der exakt betonten Frauenstimme in der Hook durchaus unterschreiben kann. Und immer, wenn es beinahe weh tut in den Ohren, verlassen sie sich doch wieder auf die Kraft eines tiefgehenden Beats. Der erste geistige Reflex des eigentlich pazifistisch eingestellten Rezensenten: Einmal durch die U-Bahn bouncen, Aufkleber von New Era-Kappenschirmen reißen, Hosenbeine aus Socken ziehen und APC auf sonnenbankgebräunte Dummschädel taggen. Was für ein Ritt. Wer hier noch irgendwas von wegen Irrelevanz von HipHop in den Nuller Jahren faselt, hat den Beat nicht gehört. Wer sich im Jahr durchschnittlich 2 ½ HipHop Alben zulegt, der sollte mit dieser Platte liebäugeln. Willkommen in der Zukunft.

Tracklist:

01: Lay Me Down
02: New Jack Exterminator
03: Reflections
04: Shine
05: C Thru U
06: Volcano
07: Timpani
08: The Solution
09: Get Lite
10: NY To Tokyo feat. ROOTS MANUVA
11: Superunfrontable
12: Born Electric
13: Apparently
14: End Game
15: Capricorn One
16: Dragunov
17: Fluorescent Black

Autor

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René

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