Plattenkritik

Motörhead - Lemmy [DVD]

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 21.01.2011
Datum Review: 07.02.2011

Motörhead - Lemmy [DVD]

 

 

"Ich erinner mich an ein Gespräch mit Lemmy, in dem er mir gesagt hat, er würde sich noch an die Zeit vor dem Rock'n'Roll erinnern. An die Zeit als es nur die Schallplatten unserer Eltern gab." Diese Anekdote von Henry Rollins ist nur eine von vielen in der Dokumentation LEMMY , die mit Sicherheit jetzt schon zu den besten Musik-DVD-Veröffentlichungen des Jahres zählt.

Dazu muss man beachten, dass ich mich selber nicht wirklich als großen Fan von MOTÖRHEAD bezeichnen würde. Trotzdem ist diese DVD unglaublich faszinierend. Es ist ein Zeitdokument der Geschichte des Heavy Metals. Ich hatte vorher garkeine Vorstellung, was Lemmy Kilmister in seiner musikalischen Laufbahn alles erlebt hat. Seien es seine Anfänge als Roadie von JIMI HENDRIX oder seine ersten musikalischen Gehversuche in einer THE KINKS/THE BEATLES-artigen Britpop Band namens THE ROCKIN' VICKERS. Die Bandbilder sind stellenweise wirklich zum schießen. Lemmy mit Kollar und Strickpulli von Oma. Zusätzlich zu den historischen Bilder erzählt noch das Who is Who des Metals kleine Anekdoten und Geschichten zu Treffen mit Lemmy. Die Gesamte Liste würde den Rahmen sprengen aber ein paar kann ich sicher mal einwerfen: METALLICA, HENRY ROLLINS, SLASH, DAVE GROHL, SCOTT IAN, NIKKI SIXX, ALICE COOPER, JARVIS COCKER, DEE SNIDER, ICE T, BILLY BOB THORNTON, TRIPLE H, OZZY OSBOURNE und die Liste geht weiter und weiter. Vom Metaller zum Hollywoodstar, vom Rapper zum Profi-Wrestler, hier ist einfach jeder irgendwie vertreten.

Leider sind ein paar der besten Szenen nicht in der eigentlichen Dokumentation, sondern auf der Bonus DVD zu finden. Diese hat es mit knapp 200 Minuten Material aber auch gewaltig in sich. Man kriegt also für sein Geld knapp 300 Minuten geballten LEMMY. Das Bild was sich nach diesen 300 Minuten abzeichnet ist, dass Lemmy Kilmister einer der authentischsten und sympathischsten Motherfucker da draußen ist. Alleine die Bilder seiner Wohnung sprichen mehr als es 100 Interviews machen könnten. Besonders faszinierend fand ich in den Interviews, dass alle die eine Anekdote zu erzählen hatten dieses besondere Glänzen in den Augen hatten, wie ein Kind das einem von seinem Lieblingsspielzeug erzählt. Ich habe James Hetfield noch nie so freudig bei der Sache gesehen. Absolut kein Vergleich zu SOME KIND OF MONSTER, auch wenn LEMMY rein qualitativ definitiv auf dem selben Niveau ist.

Der Sound kommt in einem soliden 5.1 daher und das Bildformat in 16:9 & 4:3. Die Interviewszenen sind manchmal etwas dunkel, sodass man fast an schwebende Köpfe glaubt, verrauschen aber trotzdem so gut wie nie. Einzig und allein das Gespräch zwischen Lemmy und Dave Grohl im Studio ist durch die Handheld Kamera und die sehr schlechte Beleuchtung sehr verrauscht. Dadurch, dass das Gespräch aber super ist, fällt einem das kaum auf.

Was mir persönlich zur perfekten 10/10 fehlt ist ein schönes Livekonzert von MOTÖRHEAD. Nach den ganzen Interviews hatte ich Bock wie nie darauf und alles was einem geboten wird ist ein knapp 30 minütiger Auftritt der von Soundqualität und Kameraführung her malwieder auf Rockpalast-Niveau ist. Nach 35 Bühnenjahren sind 30 Minuten ein Witz. Da wäre definitiv mehr drin gewesen. Außerdem rechtfertig das deutsche Release keine volle Punktzahl.

Zum einen sind die deutschen Untertitel nur bei der Haupt-Dokumentation vorhanden (das sind nur 1/3 des Bildmaterials) und stellenweise etwas mau. Wenn man "He's got balls!" mit "Er hat cojones!" übersetzt, dann weiß ich ganz ehrlich nicht was in den Übersetzer gefahren ist. Normalerweise bin ich niemand der bei Dokumentationen die Untertitel anschaltet, aber Lemmys walisische Ausprache und der jahrelange Drogenmissbrauch tun ihr übliches und die Verständlichkeit von Lemmy erreicht manchmal Ozzy-Niveau. Manche Szenen haben sogar festkodierte Untertitel in Englisch weil man sonst einfach nichts verstehen würde.

Zum anderen ist die deutsche Version malwieder gekürzt. Das hat diesmal nichts mit Gewaltszenen zutun, sondern mit einem Bevormunden des deutschen Publikums. Ich weiß noch als ich das erste Mal "Stirb Langsam" auf Englisch geschaut habe und aus der "internationalen Terrorgruppe" plötzlich die deutsche Terroristengruppe namens "Radical West-German Volksfrei Movement" wurde. Denn wir Deutschen können ja unmöglich Ertragen, wenn wir irgendwo die Bösen sind. Ich dachte das hätte sich in gut 20 Jahren relativiert. Hat es sich aber nicht. In der mir vorliegenden Version sieht man Lemmy ab und an Teile deutscher Nazi-Uniformen tragen und im Making-Off gibt es eine sehr kurze Szenen in der er mit den Filmemachern vor einem Panzer posiert. Die englische Originalversion ist aber, wenn man dem Internet glauben darf, 10 Minuten länger. Herr Kilmister zeigt den Filmemacher nämlich seine Sammlung an Nazi-Devotionalien. Ganz besonders stolz ist er wohl auf seine Sammlung von Nazi-Messern. Anschließend drehen die Jungs dann wohl noch ein Ründchen mit einem Panzer und Lemmy bezieht eindeutig Stellung zu seinem kokettieren mit Nazi-Emblemen, welche sich bekanntermaßen durch die gesamte Diskografie von MOTÖRHEAD zieht. Ich persönlich hätte diese Stellungnahme sehr gerne gehört. Auf dem deutschen Release ist dazu aber nichts zu finden.

Als Fazit bleibt übrig, dass es sich definitiv um einer der besten Musikdokumentationen der letzten Jahrzehnte handelt, die jeder Fan von Gitarrenmusik gesehen haben sollte. Lemmy Kilmister ist einer der wenigen wirklichen Helden da draußen. Schade nur, dass die deutsche Fassung auf eine der vielleicht interessantesten Stellen verzichtet. Leuten die der englischen Sprache mächtig sind, bleibt mir also nur zu empfehlen sich mal nach der internationalen Version umzusehen. Auf die Dokumentation verzichten sollte nämlich niemand.

Autor

Bild Autor

Georg

Autoren Bio

Jeder verteidigt seine Kohle, seine Interessen und niemand tut etwas für dich.