Wenn jemand etwas zu sagen hat, dann er: Ungefähr ein Jahr später erscheint die deutsche Übersetzung der unter dem Originaltitel „My Riot – AGNOSTIC FRONT, Grit, Guts & Glory“ erschienenen Autobiografie von Roger Miret.
Obwohl es empfehlenswert ist, sich auch das Original einmal vorzunehmen, fesselt die deutsche Ausgabe ungemein. Die Übersetzung ist grundsätzlich in Ordnung, nur an einigen Stellen findet man leichte Ungenauigkeiten.
Inhaltlich wird man von einem der ältesten Hardcore-Veteranen der New Yorker Schule mit auf die Reise seines Lebens genommen. Als Rogelio de Jesus Miret in der kubanischen Hauptstadt Havanna geboren, dreht sich der erste Teil vor allem um seine frühe Kindheits- und Jugendphase. Diese ist geprägt durch die Flucht in die Vereinigten Staaten, die Trennung seiner leiblichen Eltern sowie schwere familiäre Gewaltausbrüche. Dabei offenbart er intime und erschütternde Einblicke in sein Leben und man kann dabei schon erahnen, dass seine späteren Jahre – gemäß dem Leitspruch „Gewalt erzeugt Gegengewalt“ – vorgeprägt sind.
Als Jugendlicher bzw. junger Erwachsener erlebt und verbreitet er Schrecken auf den Straßen der Lower East Side, einem der damaligen Elendsviertel von New York. Alkohol- und später Drogenexzesse bestimmen den Alltag des Mannes, der zusammen mit Gleichgesinnten durchs Leben strauchelt. Seine Haltung als Täter und Opfer verschwimmen dabei für ihn wie auch den Leser und sind ein Beispiel dafür, dass man sich bestens in die geschilderten Situationen hineinversetzen kann. Ventile finden die Straßenkids – Roger lebte wahrscheinlich mehr in besetzten Häusern als manch deutscher Altpunk – bei den berüchtigten Punk- und Rockkonzerten der Stadt.
Diese „Storming-Phase“ von Roger Miret, welche ihn später zum Frontmann einer der dienstältesten und immer noch aktiven NYHC-Bands machen wird, leitet den zweiten großen Inhaltsbereich des Buches ein: Die Geschichte des NYHC mit besonderer Berücksichtigung von AGNOSTIC FRONT. Sicherlich hat man dazu schon einiges gelesen (z.B. in den Autobiografien von John Joseph oder Harley Flanagan) oder an anderer Stelle gesehen (etwa im Film: „Godfathers Of Hardcore“), dennoch geht auch dies unter die Haut und offenbart einiges an Überraschungen. Roger kreiert dabei Zitate, die jetzt schon legendär sind: „Kämen wir aus Arizona, würden AGNOSTIC FRONT nie nach NEW YORK klingen“. Man erfährt vieles über die damalige Szene, erlebt live mit wie aus Punk der Hardcore entstand und lernt Eskapaden berühmter Szenegrößen wie Jimmy Gestapo von MURPHYS LAW oder Raybeez von WARZONE kennen. Den Spannungsbogen immmer hoch haltend erreicht man -mit einigen Wendungen wie dem Gefängnisaufenthalt Ende der 80er oder das Scheitern seiner ersten Ehe - am Ende des Buches die Gegenwart, in der Roger als Godfather of Hardcore seine Message - nun subtiler als vor 30 Jahren - immer noch an den Mann bringt.
Summa summarum eine wirklich gelungene –weil lebensecht und authentisch geschriebene – Autobiografie, die sich jeder Hardcore-Fan der alten Schule zulegen sollte. Roger ist und bleibt einfach eine lebende Legende – schonungslos, offen und vor allem ehrlich! Well done, bro!
