Jahresrückblick von Daniel

 

Alter

34

Lieblings Genres

Punkrock und Emo bilden immer noch das Zentrum, umkreist von Hardcore, Post-Rock, Metal, ausgewähltem Rap und zunehmend ruhigeren Tönen.

Top Platten

10. NEÀNDER – Eremit
Auf dem zweiten Album der Berliner Instrumental-Metal-Gruppe um Mitglieder von EARTH SHIP, PATSY O’HARA und der Live-Band von Rap-Weiterdenker CASPER regiert das Riff: Tonnenschwere Sludge- und Doom-Epen werden angereichert mit etwas unterschwelligem Schönklang und molligen Melodien und machen „Eremit“ zur Post-Metal-Sensation des Jahres.

09. TOUCHÉ AMORÉ – Lament
Die Geister, die Jeremy Bolm auf „Stage Four“ rief, begleiten ihn bis heute. Vier Jahre nach dem gefeierten Trauerbewältigungsalbum zeigt er wieder tiefste Einblicke in sein Seelenleben. Musikalisch nicht ganz auf Höhe des Vorgängers, reicht es trotzdem locker für den Post-Hardcore-Thron. Verpackt zwischen lächerlich guten Einstiegs- und Abschlusssongs finden sich neue Einflüsse und alte Stärken gleichermaßen.

08. DEFTONES – OHMS
Im Jahr 20 nach „White Pony“ finden die Soundpioniere aus Sacramento zu alter Wut zurück und schaffen ein unheimlich intensives Album, das sich in einer Diskographie ohne wirkliche Ausfälle ziemlich weit oben einreiht.

07. UMBRA VITAE – Shadow Of Life
CONVERGE-Legende Jacob Bannon und die Mitstreiter seiner Post-Metal-Affäre WEAR YOUR WOUNDS verspüren nach all dem epischen Midtempo-Geriffe das Verlangen nach dem anderen Extrem und prügeln unter anderem Namen und mit Unterstützung des Ex-JOB FOR A COWBOY-Drummers Jon Rice zehn ultrabrutale und kompromisslose Death-Metal-Hassbrocken in unter einer halben Stunde ein.

06. STRIKE ANYWHERE – Nightmares Of The West
Das Comeback des Jahres: Elf Jahre nach dem letzten Album haut der Fünfer aus Richmond plötzlich eine 12“ auf den Markt, die so frisch und energiegeladen klingt, wie Anfang der 2000er. Hochmelodischer Hardcore-Punk mit genügend Power für die nächste Revolution.

05. SPANISH LOVE SONGS – Brave Faces, Everyone
Seit dem Überalbum „Schmaltz“ von 2018 wohl die Band der Stunde, wenn es um die Vermählung von Punkrock und Emo geht. Nicht ganz auf dem Niveau des Vorgängers, aber noch immer mit genügend emotionaler Wucht und dramaturgischer Finesse, um alle Konkurrenten meilenweit hinter sich zu lassen.

04. OAKHANDS - The Shadow Of Your Guard Receding
Wer sich von dem auf dem ersten Blick zu verkopft wirkenden Konzept und dem künstlerischen Anspruch abschrecken lässt, verpasst eines der mitreißendsten Alben des Jahres. Irgendwo zwischen Emo, Indie und Post-Hardcore sowie zig anderen Einflüssen aus allem, was in den letzten 20 Jahren spannend war, platzieren die Münchner ihr Debüt, das im Leben nicht wie ein solches klingt.

03. CITIZEN TIM - C Is For Chaos/Control
Dieser Ein-Mann-Singer/Songwriter-Zauberkünstler aus Saarbrücken, der alle Songs allein schreibt, aufnimmt, mixt und mastert und wahrscheinlich auch noch sämtliche Instrumente selbst zimmert, fügt seinen wunderschön warmen Geschichtenerzähl-Perlen auf Album Nummer zwei einiges an Elektronik hinzu und schafft damit das Feel-good-Album des Jahres.

02. GIVER – Sculpture of Violence
In Sachen Hardcore war die Messlatte bereits Anfang Februar so hochgelegt, dass niemand mehr ernsthaft drankommen konnte. Die Kölner zeigen auf dem zweiten Album, wie moderner Hardcore nahe an der Perfektion zu klingen hat, glasklare Haltung und Aktivismus eingeschlossen.

01. PHOEBE BRIDGERS – Punisher
Der tongewordene Gegenentwurf zu allem, was 2020 an Negativität zu bieten hatte. Diese Platte nimmt einen an die Hand und führt durch 11 entwaffnend schöne Stücke, vorbei an surrealen Fantasien, Verlustbewältigung und Endzeitstimmung und bildet damit eine innere Zerrissenheit ab, mit der sich wohl so Mancher dieser Tage identifizieren kann.

Top Songs

PHOEBE BRIDGERS – I Know The End
Der Song des Jahres. 5:44 Minuten Gänsehaut mit apokalyptischem Unterton.

STRIKE ANYWHERE – The Bells
Erstaunlich, dass STRIKE ANYHWERE ausnahmsweise mal ihren stärksten Moment im Midtempo finden und nicht mit voll durchgetretenem Gaspedal. Maximal politisch, maximal eingängig.

TOUCHÉ AMORÉ – A Forecast
Zweitbester Albumcloser des Jahres. So simpel der Trick aus Pianoballade-antäuschen-und-dann-doch-noch-ausbrechen auch ist, so umwerfend gut funktioniert er halt auch.

CITIZEN TIM – The Eighth Color Of This Land
Dramaturgie in Perfektion und dabei wunderbar herzwärmend.

MERCY MUSIC – To Live
Melancholischer Midtempo-Pop-Punk, der die Kalenderblätter ein paar Jahre zurückweht.

NATHAN GRAY – No Way
Der BOYSETSFIRE-Frontmann endlich im Reinen mit sich. Durchhaltehymne des Jahres.

SPANISH LOVE SONGS – Brave Faces, Everyone
Schwer melancholisch aber eben doch mit einem ganz kleinen Hoffnungsschimmer. Macht halt momentan keiner besser.

BONEFLOWER – Saltpeter
Screamo der alten, lärmenden Schule, aber mit modernem Melodieverständnis. Eine songgewordene Fahrt durch ein schweres Unwetter an dessen Ende die Sonne in voller Schönheit aufgeht.

STAY INSIDE – Silt
Erst verstörend, dann beklemmend, schließlich versöhnlich und dann nochmal von vorn. Windschiefer Emo-Screamo-Post-Hardcore-Irgendwas, der süchtig macht.

IF I DIE FIRST – Where Needles And Lovers Collide
Maximal theatralisch, verkitscht und im Grunde völlig drüber, aber halt auch verdammt hittig: FROM FIRST TO LAST-Gitarrist Travis Richter und fünf Protagonisten aus dem Emo-Rap-Universum lassen den Kajal-Screamo der 00er Jahre auferstehen.

Enttäuschende Platten

BEACH SLANG - The Deadbeat Bang Of Heartbreak City
James Alex ist in nur fünf Jahren vom obersympathischen Alternative-Emo-Punk-Spätzünder zur eigenen Parodie verkommen. Auf dem dritten Album reiht er Zitate der Rockgeschichte aneinander und feiert dabei vor allem sich selbst.

CABAL – Drag Me Down
Die Dänen wollen mit aller Gewalt die Jahrgangsbesten der Böse-Buben-Schule sein und holen deswegen nur Einsen in den Leistungskursen Death-Metal-Zitate, Djent-Riffing und Breakdowns, haben dafür aber die Wahlpflichtfächer Songwriting und Authentizität geschwänzt.

BE WELL - The Weight And The Cost
Ja, Brian McTernan ist eine lebende Hardcore-Legende, sowohl als Ex-BATTERY-Frontmann sowie als Produzent so ziemlich jeder wichtigen Platte der letzten 15 Jahre. Aber weder diese Tatsache noch die Unterstützung durch Mitglieder von BANE und DARKEST HOUR rechtfertigen den Hype, den die Platte ausgelöst hat. Dazu fehlen einfach die mitreißenden Songs.

Die besten Labels des Jahres

Im Krachbereich bleibt DEATHWISH, INC. weiterhin auf dem Thron, mit SOUTHERN LORD stünde allerdings ein würdiger Thronfolger parat. PURE NOISE RECORDS führt das Feld in Sachen Punkrock, Emo und Artverwandtes an, während DOGKNIGHTS PRODUCTIONS der nicht mehr ganz geheime Geheimtipp sind. Die heimischen Geschmacksgaranten heißen UNCLE M, MIDSUMMER RECORDS und THIS CHARMING MAN.

Schlusswort

Ein Katastrophenjahr für Kultur, Liberalität und die gesamte Menschheit, das nur ganz wenige positive Momente zu bieten hatte. 2021 muss sich wirklich ins Zeug legen, um das Level an Scheißigkeit zu toppen. Aber, vielleicht wird ja auch alles gut und mit Trump verschwinden auch direkt Pandemie, Spaltung und Hass und wir gehen alle wieder entspannt auf Konzerte, weil die Kulturschaffenden so hervorragende staatliche Unterstützung erhalten haben. Das wäre doch was.