Plattenkritik

Cursive - Mama, I'm Swollen

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Release Date: 05.06.2009
Datum Review: 03.05.2009

Cursive - Mama, I'm Swollen

 

 

Raus aus der Geisterstadt, hinein in die Welt des verzweifelten Adoleszenten. CURSIVE musizieren knapp drei Jahre nach "Happy Hollow" wieder etwas ungebremster, allerdings bei erster Betrachtung ein wenig uneindeutig. Tim Kasher rahmt die Stücke wie gewohnt durch lyrische Glanzleistungen. Am Ende wird alles Schlechte wieder gut.

Vermisst haben wir sie ja schon irgendwie. Die beißend-intelligente Kritik am Alltagsmuff, das juvenile Robert Smith-Timbre, die Spielfreude und Fähigkeit mit einem dicken Grinsen auf dem Gesicht auf mehreren Gräbern gleichzeitig zu tanzen. Fakt ist: CURSIVE sind zurück. Fakt ist auch: Wir freuen uns darüber. Auch über gemäßigte Neuerungen. Die neu erarbeitete Unmittelbarkeit beispielsweise. Oder unbekannte Gesichter im Bandgefüge. Wer da neuerdings in die Felle drischt, auf den klangvoll countryesk aufgeladenen Namen Cornbread Compton (ehemals ENGINE DOWN) hörend. Mal lediglich andeutend dann wieder schön durchtretend, mal akzentuiert. Ein Gewinn für die Band, definitiv.

Auf den ersten Höreindruck wirkt "Mama, I’m Swollen" zunächst ein wenig unentschlossen, wenn auch auf hohem Niveau. Nach hinten raus jedoch wird das Album richtiggehend grandios. 'In The Now' als Auftakt nimmt den unvermittelten Weg nach vorne, wenige Zeilen ständig wiederholend, ein wenig überdreht und außer Atem. „Don’t wanna live in the now. Don’t wanna know what I know.“ Die gestelzte Verweigerungshaltung des vermeintlich starken Geschlechts in Aphorismus-Form. "Mama, I’m Swollen", das muss natürlich gesagt werden, folgt einer Art inhaltlichem Konzept: Ein Album über Männer nämlich. Ihr wisst schon, diese entsetzlich unironischen Typen, die die Erwerbsarbeit erfunden haben. Die Wichskabine, den Moshpart und die Diskursanalyse. Und die bisweilen nicht so wirklich erwachsen werden wollen. CURSIVE widmen sich sämtlichen Facetten. Dem Sex, der Liebe, dem Greinen, dem forcierten Etwas-Werden-Müssen. Schriftsteller etwa. Oder Handlungsreisender. John K. Samson dürfte Gefallen daran finden… Überragend sind CURSIVE genau dann, wenn sie herrlich abgeklärt, leicht beschwingt und mit latenter Beerdigungsorgelbegleitung dem Teufel das Wort reden ('We’re Going To Hell') und schlichtweg den Blues haben. Wenn sie tief ins Füllhorn der unterschiedlichen Sounds greifen, ohne überfrachtet zu wirken. Wenn sie ihre Stücke opulent und homogen ausstatten mit Saxophon, Orgel, Trombone und Flöte. Auch das bereits bekannte 'From The Hips' mit seinen Ausbrüchen bei vorhergegangener brodelnder Ruhe weiß zu überzeugen. Einzig ein Song wie 'Donkeys' fällt mit exaltiertem Gesang und übersteuert-morbider Atmosphäre ein wenig ab. Das finale 'What Have I Done?' wiederum verdichtet die unbestrittene Fähigkeit CURSIVEs zum Erzählen von Geschichten mit einem untrüglichen Gespür für pathosfreie Atmosphäre. Spätestens, wenn Kasher bei Zeilen wie „Well take a look around you, you’re preaching to the choir“ die Stimme wegbricht, haben CURSIVE dem Machozentrismus ein Schnippchen geschlagen. Echte Männer sollen schließlich auch mal heulen dürfen…


Tracklist:

01: In The Now
02: From The Hips
03: I Couldn’t Love You
04: Donkeys
05: Caveman
06: We’re Going To Hell
07: Mama, I’m Satan
08: Let Me Up
09: Mama, I’m Swollen
10: What Have I Done?

Autor

Bild Autor

René

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