Bent but not broken: Für den Rest der Welt war 2020 ein unbestritten schlimmes Jahr, für JOEY CAPE war es erst recht zum Vergessen. Was tun, nach all den Schicksalsschlägen? Ein trauriges Folkalbum schreiben, natürlich.
Der Vater kürzlich verstorben, frisch von der Frau getrennt und nach Ausbruch der Pandemie gestrandet im Quarantänehotel: Für JOEY CAPE begann das letzte Jahr alles andere als optimal. Der Ausweg: Ein Anruf seiner Mutter mit der schlichten Aufforderung „come home“. Und so zieht Cape als Mittfünfziger zurück zu seiner Mutter und dem Stiefvater. In der Isolation entstehen die zwölf Songs, die „A Good Year To Forgert“ bilden, im absolut reduzierten Folk-Stil nur mit Gitarre und Bass und der ikonischen Stimme. Dass das finale Ergebnis aber doch mit reicher Instrumentierung aufwartet, liegt an der Covid-Erkrankung Capes, die ihn monatelang aus der Bahn wirft. Wieder genesen, entschließt er sich, alles auf das Album zu packen, worauf er Lust hat. Neben Drums und Percussions sind das eine Lapsteel-Gitarre, eine Mandoline und ein Piano. Trotzdem hört man den Song ihre Entstehungsgeschichte sehr deutlich an: „A Good Year To Forget“ ist noch näher am klassischen Folk als es der Vorgänger „Let Me Know When You Give Up“ war. Verzerrte Gitarren und rockige Klänge sucht man vergebens, dafür gibt es beinahe Flamenco-artige Stücke wie im trübsinnigen „The Poetry In Our Mistakes“ oder auch mal einen Dreivierteltakt wie in „Fictional“, das gleichzeitig als kleines Highlight durchgeht. Für Fans von LAGWAGON könnte es mitunter etwas zu schunkelig werden, wie in „Check Your Ego At The Door“ oder „Saturday Night Fever“. Aber Cape wäre nicht Cape, wenn er nicht diese typischen Cape-Songs bieten würde: Songs wie „Infertile Ground“ oder das wunderschöne „We Might Be Wrong“ kann man sich gut im Gewand seiner Hauptband vorstellen, funktionieren aber auch reduziert ganz hervorragend. „Under The Dormat“ dient als weiterer Beweis für das songwriterische Können, das Cape nun mal seit schon immer auszeichnet. Dass er sich damit als Solokünstler weit abseits vom Punk-Kontext bewegt, sollte nach inzwischen sechs Soloplatten klar sein. Wer sich darauf einlässt, wird unter anderem mit dem traurig-schönen Abschluss „Come Home“ belohnt.