Plattenkritik

More Than Life - What's Left Of Me

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 18.04.2014
Datum Review: 17.02.2014

More Than Life - What's Left Of Me

 

 

Fast 4 Jahre nach dem spektakulären Debüt-Album „Love Let Me Go“ veröffentlichen MORE THAN LIFE aus dem Süden Englands nun den Nachfolger namens „What’s Left Of Me“. Kaum ein Album wurde in den letzten Jahren im melodischen Hardcore so sehnsüchtig herbeigewünscht – kann es den Erwartungen gerecht werden?

Nach einer relativ unspektakulären ersten EP sorgten MORE THAN LIFE mit „Brave Enough to Fail“ Ende 2008 europaweit für Aufmerksamkeit und bescherten sich damit selbst eine Europa-Tour mit den großartigen Killing the Dream und The Carrier. Nicht der schlechteste Weg, um in das Tourleben der nächsten Jahre zu starten. Auch wenn die EP noch heute für viele das Referenzwerk der Band (und auch ein Referenzwerk für modernen, melodischen Hardcore im Allgemeinen) ist, festigten die Jungspunde aus dem Vereinigten Königreich erst mit dem 2010 veröffentlichten Album „Love Let Me Go“ endgültig ihren Stand in der europäischen Hardcore-Szene. Es folgten viele Europa-Touren mit Szenegrößen wie Defeater oder den Dead Swans, und auch die Landsmänner von Basement oder Brutality Will Prevail haben ihrerzeit als Tourmates durchaus von der wachsenden Popularität von MORE THAN LIFE profitieren können. Trotz der umstrittenen Live-Qualitäten war die Gruppe um Frontmann James Matthews aus der Hardcore-Szene nicht mehr wegzudenken.

Da sorgte es natürlich für einen gewaltigen Knall, als die Band dann Anfang 2012 ihre „Last Tour Ever“ ankündigte, für die der leider ebenfalls aufgelöste Toursupport Break Even kurzerhand durch die amerikanischen Grunge-Punkrocker von Daylight ersetzt wurde. Doch nicht einmal anderthalb Jahre später kehrten MORE THAN LIFE zurück, und keiner war ihnen dafür böse. Vor einer weiteren Europa-Tour mit Departures und Swan Dive veröffentlichte man ein Video zu „Do You Remember“, was das Warten auf das neue Album zwar versüßte, aber mehr als neugierig machte. Die Briten zeigten sich experimentierfreudiger als je zuvor, mit ausgedehnten Clean-Vocals-Passagen und einem Piano im Song. Was hat „What’s Left of Me“, das am 14. April über Holy Roar Records erscheint, also zu bieten?

Direkt mit den ersten Klängen des verblüffend simpel gehaltenen Intros „Asleep“ findet man sich wieder im typischen Sound von MORE THAN LIFE. Erinnerungen an das Vorgängeralbum werden wach, doch durch den 2. Song „Weight of the World“ gleich wieder verweht. Der Song klingt noch einen Ticken rauer und organischer als das Material auf „Love Let Me Go“ und ist damit sicher auch näher dran am Live-Auftritt der Band. Treibende hohe Gitarrenmelodien untermalen den charakteristischen Schreigesang James Matthews‘, bis dann gegen Ende das Tempo wieder rausgenommen wird und Platz ist für ein Lead-Gitarren-Riff, das auf Anhieb im Gehörgang haften bleibt. Das konnte die Band schon immer gut: Spannung aufbauen und Abwechslung in ihr Songwriting bringen. Auch der Titeltrack beweist das, hier finden sich neben den bewährten Spannungsbögen und gesprochenem Text auch Clean-Gesänge, die lediglich durch eine schwache und fragile Instrumentierung gestützt werden, also bewusst nicht versteckt werden. Solche auffallenden Momente gibt es allerdings in der Mitte der Platte kaum noch. MORE THAN LIFE bleiben bei „You’re Not Alone“ treibend, melodisch und dank Matthews‘ Organ stets verzweifelt. „Threshold“ ist ein sehr unscheinbarer Song, der durchweg gesprochen bis zaghaft gesungen wird und dann in das wieder energetischere „Seasons Change“ übergeht. Dennoch horcht man erst dann wieder auf, als mit „Do You Remember“ der unbestritten beste Song der Platte beginnt. Nicht nur durch die zusätzlichen Instrumente und Background-Gesänge weicht er deutlich von der gewohnten Rezeptur ab, die MORE THAN LIFE in ihrem Songwriting nutzen. Der duale Gesang ist eine gewagte, aber perfekt umgesetzte Nummer, die sich allerdings live leider nicht machen lässt. Es wäre der Idealfall gewesen, wenn die Truppe dieses Niveau auf der gesamten Platte hätte halten können. „Sometimes“ ist im Anschluss lediglich ganz nett und klingt ein wenig so, als hätten MORE THAN LIFE sich im Entstehungsprozess nochmal ganz aufmerksam die „Lost Ground“ EP von Defeater angehört. Stelle ich mir diesen Song beispielsweise live vor, kommt da in meiner Vorstellung kaum Stimmung auf. „Sometimes“ verläuft eher schleppend als mitreissend. „Love is not enough“ kann dann, insbesondere in Kombination mit dem Songtitel davor als hübsche Anspielung auf Go It Alone verstanden werden – das ist aber ziemlich weit hergeholt und musikalische Parallelen sind ebenfalls kaum auszumachen. Wie auch auf „Love Let Me Go“ haben sich MORE THAN LIFE für das Ende ihres Albums einen der besten Tracks aufgespart, so wartet „Love is not enough“ mit sehr einprägsamen Riffs und einem gut umgesetzten akustischen und mit Violine kombiniertem Outro auf.

Lyrisch geht es auch bei dieser Platte wieder sehr viel um zerbrochene Liebschaften und um Zwischenmenschliches. Um „wasted times“, Dinge die „in the middle of the night“ passieren, und so weiter. Dabei wirken MORE THAN LIFE für mich eher gezwungen verzweifelt und zu sehr in der immer selben Thematik verhaftet, ähnlich wie Defeater auf ihrem neusten Album. In beiden Fällen handelt es sich um exzellente Alben (weil sie eben von talentierten Musikern geschrieben wurden), die jedoch leider nicht mit ihren Vorgängerwerken mithalten, beziehungsweise etwas draufsetzen können. Hier unterscheiden sich für mich persönlich die sehr guten von den perfekten Hardcore-Bands: Modern Life is War oder Have Heart nehme ich jeden ihrer Songs und jede ihrer Textzeilen ab. Bei MORE THAN LIFE denke ich mir leider sehr oft, dass eher die Zielgruppenbedienung im Vordergrund steht. Unter dem Strich dennoch eine starke 8 und mit Sicherheit schon jetzt eines der besten Alben des Jahres.


---

Tracklist:
1. Asleep
2. Weight of the World
3. What's Left of Me
4. You're Not Alone
5. Seasons Change
6. Threshold
7. Do You Remember
8. Sometimes
9. Love is Not Enough

Autor

Bild Autor

Marcel

Autoren Bio

-