Plattenkritik

NATHAN GRAY - Working Title

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Info

Release Date: 31.01.2020
Datum Review: 28.01.2020
Format: CD Vinyl Digital

Tracklist

 

01. In My Defense
02. I'm A Lot
03. Working Title (feat. Chuck Ragan)
04. What About You?
05. Refrain
06. Still Here
07. The Markings
08. Hold
09. Mercy
10. No Way
11. Never Alone
12. The Fall
13. Down

Band Mitglieder

 

Nathan Gray - Vocals, Guitar, Keys
Christopher Luis Rakus - Bass
Jake Blochinger - Drums

NATHAN GRAY - Working Title

 

 

Von alten Dämonen und neuen Herausforderungen, vom Aufstehen nach dem Fallen: NATHAN GRAY zeigt sich auf seinem zweiten Solowerk verletzlich intim, aber auch kämpferisch trotzig.

Was tun, wenn man schon so gut wie alles erreicht und ausprobiert hat? Legendenstatus im Hardcore schaffen? Schon vor mehr als zwanzig Jahren mit BOYSETSFIRE erreicht. Blasphemische Hassmusik mit dem eigenen Nachwuchs fabrizieren? Der Metalcore von I AM HERESY hat sich schon auf zwei Alben auserzählt. Schmissige Powerpop-Hymnen schreiben? Die zwei guten bis sehr guten Alben von THE CASTING OUT sind auch schon über zehn Jahre alt. Selbst eine fragwürdige Satanismus-Phase mit irritierenden Interviews und einem beklemmend-minimalistischen Düster-Elektro-Minialbum kann der Mann mit der unverkennbarsten Stimme im Business schon abhaken (NTHN GRY). Bleibt noch der vermeintlich sichere Weg als Singer/Songwriter, das hat schließlich gefühlt schon jeder zweite halbwegs bekannte Frontmann aus Punkrock und Hardcore mehr oder weniger erfolgreich vorgemacht. Und ja, auch Nathan Gray hat bereits vor zwei Jahren ein Album unter eigenem Namen veröffentlicht: „Feral Hymns“ war dabei ausschließlich auf Gitarre und Gesang konzentriert und verwertete auch noch einige Songs seiner anderen Bands und Projekte. Auf „Working Title“ bestimmt die volle Bandbesetzung das Soundbild, außerdem sind sämtliche Songs neu und ausschließlich von Nathan geschrieben. Mit „In My Defense“ eröffnet der vielleicht stärkste Song das Album und euphorisiert mit schmissig-melancholischem Powerpop und klingt dabei naturgemäß exakt wie THE CASTING OUT (mit CHRIS RAKUS am Bass findet sich dabei eine weitere personelle Überschneidung). Die hohe Messlatte kann leider nicht jeder Song halten, „The Markings“ und „Hold“ etwa wirken eher uninspiriert und etwas gleichförmig. Dafür reißen „The Fall“ und das eingängige „No Way“ die Formkurve wieder nach oben. Dazu trägt auch das Piano bei, das den meisten Songs eine weitere melodische Komponente verleiht, aber auch mal (fast) ganz alleine stehen darf: „Refrain“ stellt die einnehmende streicherunterlegte Pianoballade für alle, die sich eben gerne von streicherunterlegten Pianoballaden einnehmen lassen. Im Titeltrack gibt sich übrigens ein gewisser CHUCK RAGAN (HOT WATER MUSIC) die Ehre der Backingvocals, was man allerdings auch wissen muss, denn leider wurde seine Stimme ziemlich in den Hintergrund gemischt. Verantwortlich für die Produktion des Albums zeichnet dabei PETE STEINKOPF (BOUNCING SOULS), womit der jahrzehntelangen Bandfreundschaft zwischen BOYSETSFIRE, HOT WATER MUSIC und BOUNCING SOULS ein schöner Tribut gezollt wird. Dass Nathan Gray in all der Zeit auch so einige Tiefen zu durchschreiten und Dämonen zu besiegen hatte, davon zeugen die Texte auf „Working Title“: In „Refrain“ etwa sind es die alten Ängste, die eben regelmäßig besiegt werden wollen: „It’s that old familiar feeling/ I could set my watch by it/ You know all the battles I can’t win/ Though the rules are always changing the distractions stay the same/ And the game begins again/ Wait for the refrain.“ Kämpferisch zeigt sich dagegen „No Way“: „The bottle in the corner started making eyes/ It said ‘baby, just a sip and we’ll be alright/ They can’t hurt you if you cant feel a thing‘/ But I aint giving in/ No way in hell I break/ No way in hell tonight“. Weitere Themen: zusammenhalten, weitermachen, nach vorn schauen. Das Ganze kulmuniert im abschließenden „Down“, unterlegt vom verwaschenen Duo aus Gitarre und Piano: „You’ve taken enough and you can’t have any more songs that remind me of the wars/ ’cause I’m down to my last breath/ down to my last song.“

NATHAN GRAY bewahrt sich mit „Working Title“ auch nach unzähligen Jahren und diversen Bands und Projekten seine Relevanz. Zu verdanken hat er dies (natürlich) seiner Stimme, aber besonders seinem Gespür für mitreißende Refrains. Wäre das Album um zwei bis drei schwächere Songs gekürzt worden, würde man vielleicht von einem Highlight sprechen. So nur von einem guten Album, das dafür ein paar absolute Großtaten bereithält.

Autor

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Daniel

Autoren Bio

Musikverliebt und reisefreudig, meistens nett und umgänglich, mit einer Gefühlspalette von "Live your heart and never follow" über "Hold Fast Hope" zu "I want to smash my face into that god damn radio / It may seem strange but these urges come and go"