Einmal Mond und zurück: NEÀNDER entdecken auf Album Nummer zwei die Kraft des Riffs neu und buchstabieren Epik nun R-O-C-K. Ihr instrumentaler Doom-Post-Metal fühlt sich aber weiterhin dort am wohlsten, wo Zeit und Raum höchstens noch theoretische Konstrukte sind.
Ob sich das Kollektiv um Mitglieder von ÅND, EARTH SHIP und der Live-Band von Rap-Freigeist CASPER tatsächlich nach dem gleichnamigen Einschlagskrater auf der Mondvorderseite benannt hat, bleibt Spekulation, wenn auch eine sehr naheliegende: Der Sound auf dem Zweitling „Eremit“, der auf das erst anderthalb Jahre alte und breit gefeierte Debüt folgt, ist mindestens genauso wuchtig, wie der Gesteinsbrocken, der den Mondkrater vor Urzeiten verursacht hat. Noch wesentlich mehr als auf dem Vorgänger steht dabei das monolithische Riff über allem: Es dient als Fundament der Songs, verleiht Struktur und Wiedererkennungswert. Dafür mussten allerdings die zarten, melodischen Momente zum Großteil weichen. An ihre Stelle tritt die Lust an einer beinahe verwegenen Rockgeste. Dazu passt der trockene, fuzzige Gitarrensound. Aber, keine Angst: NEÀNDER stehen weiterhin für walzenden Post-Metal, der sich tief in doomigen Gefilden rumtreibt und an den richtigen Stellen mit Blastbeat-Ausbrüchen für arschtrittige Dynamik sorgt. „Purpur“ lässt es im zweieinhalb Minuten langen Prelude aber erstmal atmosphärisch angehen: Flirrende Post-Rock-Gitarren und Ambientsounds bauen die nötige Spannung auf, die sich im Übergang zum „richtigen“ Song dann durch ein sattes Stoner-Riff und schleppendes Schlagzeug entlädt. Der Song walzt das Motiv über knapp drei Minuten genüsslich aus, ändert dann die Stimmung ins Melancholische, schraubt sich immer weiter hoch, bis nach der mit Blastbeats unterlegten Klimax das Eingangsriff wieder die Führung an sich reißt und über die Zielgerade rockt. Eine ähnliche Dramaturgie findet sich auch im nachfolgenden Titelsong, nur dass das Grundriff hier nochmal um eine ganze Potenz schwerer klingt und in der letzten Minute sämtliche Instrumente völlig freidrehen. „Irre Abfahrt!“ steht da als Schlusspunkt in den Hörnotizen des Autors und dem ist als Fazit nichts hinzuzufügen. Mit „Ora“ folgt das vielleicht melodischste Stück der Platte, der leicht orientalische Einschlag sorgt zudem für einen Hauch Exotik. Das melancholisch-schöne Interlude „Clivina“ leitet dann über zum Glanzstück des Albums: Das fast zwölfminütige Schlussstück „Atlas“ bricht ein wenig mit der zuvor etablierten Formel und führt über mehrere Akte schleppenden Doom, melodischen Post-Metal der Marke WEAR YOUR WOUNDS und erbarmungslose Vollgasattacken auf und schafft es dazu noch irgendwie, eine Akustikgitarre stimmig einzubauen. NEÀNDER haben mit dem Song vielleicht ihr Meisterstück abgeliefert, das ein wenig den guten bis sehr guten, aber manchmal etwas zu konventionell schleppenden Rest des Albums überstrahlt – dramaturgisch allerdings hätten der Fünfer das nicht besser machen können.