Plattenkritik

Name - Internet Killed The Audiostar

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Release Date: 19.04.2010
Datum Review: 22.04.2010

Name - Internet Killed The Audiostar

 

 

Es passiert wirklich selten, dass ich überfordert bin, was Musik angeht und vor allem passiert es noch seltener, dass mir die Worte fehlen, um zu be- und umschreiben, was ich da höre. Nun, es gibt sie aber doch diese Momente, diese Platten, die ich noch so oft hören kann und dennoch fällt mir kein zusammenhängender Satz dazu ein. NAME sind verdammte Arschlöcher, weil sie mit meinem Intellekt spielen, weil sie mich demontieren, ohne mich zu warnen. Ich habe mich drauf eingelassen, sie mit mir spielen lassen und nun habe ich den Salat. Ich sitze hier in einem weißen Raum, die Wände sind mit Gummi gepolstert und immer wieder, ohne das ich es möchte, springe ich auf und laufe mit Anlauf gegen die Wand. Das Gummi verhindert, dass ich mich verletze, die Zwangsjacke jedoch verhindert es ebenso, dass ich mich beim Aufprall auf dem Boden mit den Händen abstützen kann und somit immer wieder auf meinen ohnehin schon angeschlagenen Kopf falle, das Bewusstsein verliere und erneut diese abstruse undurchschaubare und doch so berechnende Musik hören muss. Ich bin es selbst schuld, ich wollte es nicht anders.

So liege ich da auf dem Boden, gefesselt, die Arme auf dem Rücken und wandere durch mein Unterbewusstsein. Immer wieder erscheinen mir komische Gestalten, bewaffnet mit Mikrofonen, Instrumenten und sowohl kreischenden, als auch düster grunzenden und klar singenden Stimmen. Sie wollen mir etwas erzählen. Eine Geschichte, nur sprechen sie eine Sprache, die nicht verstehe. Ich weiß nur, die Geschichte heißt „Internet Killed The Audiostar“ und handelt unter anderem von „Killer Whales, Man“! Das ist die Info mit der sie mich alleine lassen, ihre Instrumente an den Strom anschließen, kurz aufhusten und dann anfangen auf mich einzuprügeln. Sie suchen sich ihr Opfer gezielt aus, es kann sich ja nicht wehren. Ich suche nach Struktur, um zu verstehen. Nach einem Anhaltspunkt. Kann aber keinen klaren Gedanken fassen. NAME rasen um die Ecke, verschwinden in einem ambienten Nichts und tauchen im technischen Chaos wieder auf. Sie haben Masken an. Masken, die verzerrte Fratzen darstellen. Sie versehen ihr Chaos mit einem Hall, schreien mich minutenlang an und eröffnen mir dann die Kunst des Breakdowns. Das ist die Sekunde, in der ich anfange zu verstehen. Glaube ich zumindest. Falsch gedacht. Was macht der Jazzmusiker da in der anderen Zelle? Der hat doch eben erst seine Medikamente bekommen, die mir heute noch nicht verabreicht wurden. Ich schreie. NAME schreien. Es wird dunkel, dann höre ich das Klicken der Türklinke und wache auf.

Menschen im weißen Kittel betreten meine Zelle. Es sind vier. Sie sprechen ruhig auf mich ein. Sagen mir, dass alles gut wird. Ich glaube ihnen. Bekomme aber Angst, als sich zwei von ihnen auf mich stürzen, meine Beine und meinen Kopf zu Boden drücken. Der dritte packt an seine Gürteltasche und holt eine Spritze hervor, die er ansetzt und mir in die Vene jagt. Komisches Gefühl. Befreiend und beruhigend irgendwie. Aber was ist mit dem vierten Mann, der die ganze Zeit breitbeinig über mir steht und mich angrinst? Mit einem Ruck verzieht er das Gesicht, als hätte er Schmerzen, greift sich an den Hinterkopf, packt zu und zieht sich die Haut vom Gesicht. Genau so machen es die anderen, bis auf jener, der sich plötzlich in Luft auflöst, und das, was darunter zum Vorschein kommt, sind die Gesichter, die mir aus meinem Unterbewusstsein bekannt vorkommen. Panisch reiße ich die Augen auf und das Spiel beginnt von vorne. Der Mann, der mich mit seiner Stimme malträtiert, erzählt mir was von seiner Freundin und nutzt die Worte „My Sweetheart, The Whore“. Nicht ich bin es, der verrückt ist, du bist es mein Freund, denke ich bei mir, während er mir wieder leise ins Ohr säuselt ohne zu schreien. Was stimmt nur mit dir nicht, denke ich mir, bist du manisch depressiv, hast du ein Aggressionsproblem? Gerade will ich meine Gedanken aussprechen, als ich zuerst einen Gitarrenhals und dann Blut schmecke. Das wird mein Ende sein.

NAME lassen aber nicht zu, dass ich mich dem Chaos dadurch entwinde, in meinem Unterbewusstsein bewusstlos zu werden und fahren mit anderer Strategie auf. Man hätte „Empathic Communicator“ auch als zusammenhängende, 20-minütige Geschichte erzählen können. Stattdessen ziehen sie es vor, sie in vier Akte zu unterteilen: „Part I: Hommage To The Hunter (Unconcious Incompetence)“, „Part II: Bee Bee (Concious Incompetence)“, Part III: Your Sun Machine, Your Space Embracer (Concious Competence)“ und „Part IV: How To Murder The Earth (Unconcious Competence)“. So langsam verstehe ich die Absichten der Menschen, die mir da gegenüber stehen und merke, dass alles, was hier passiert, kaltes Kalkül ist, um mich systematisch zu zerstören. Aber nicht direkt. Denn zuerst spielen sie mir traumhaft schöne Melodien vor, zeigen mir, dass sie auch anders können. Fast versöhnlich möchte man meinen. Ich verlasse mich aber nicht darauf. Ich schließe die Augen, flüchte mich an einen anderen Ort, nur um für Sekunden der Tortur zu entfliehen. Ich greife nach der rettenden Hand. Merke zu spät, dass es die falsche ist und bin wieder zurück in der Zelle. Erneut schwirren komische Gestalten herum: „The Sycophant, The Saint & The Gamefox“, hinten in der Ecke sitzt „Dave Mustaine“, ich weiß aber nicht wer das ist, kenne nur komischerweise seinen Namen und ich weiß vor allem nicht, was die alle hier wollen.

Und dann geht auf einmal alles ganz schnell. Das kontrollierte Chaos wird unkontrolliert. NAME überschlagen sich, nehmen nun nicht mehr mich auseinander, sondern operieren sich gegenseitig am offenen Brustkorb. Sie zerstören ihre Melodien, ihre Struktur, zerlegen sie in ihre Einzelteile. Fügen sie wieder zusammen. Alles ergibt auf einmal einen Sinn. Das fehlende Puzzlestück ist gefunden, hat aber auf der Suche seine Opfer gefordert. Die weiße Zelle ist rot gesprenkelt, um mich herum liegen leblose Körper und ich habe plötzlich keine Zwangsjacke mehr an. Ich stehe mitten im Raum und an mir tropft das Blut runter. Nur ist es nicht meines. Die Kamera fährt zurück vom Close-Up in die Totale und ich selber sehe mich als blutüberströmtes, diabolisch grinsendes Monster mit einem überdimensionalen Messer in der Hand. Eine der leblosen Gestalten dreht ihren Kopf zu mir und unter höchster Anstrengung teilt sie mir Blut spuckend mit: „You´ll Never Die In This Town Again“. Bevor er die Worte zu Ende gesprochen hat, ramme ich mir das Messer in den Hals und sacke auf den nassen Boden, wo ich meinen letzten röchelnden Atem aushauche. Er sollte recht behalten, aber ich sagte ja, NAME sind Arschlöcher.


Tracklist:

01. Killer Whales, Man
02. My Sweetheart, The Whore
03. The Spark Of Divinity
04. Empathic Communicator Part I: Hommage To The Hunter (Unconcious Incompetence)
05. Empathic Communicator Part II: Bee Bee (Concious Incompetence)
06. Empathic Communicator Part III: Your Sun Machine, Your Space Embracer (Concious Competence)
07. Empathic Communicator Part IV: How To Murder The Earth (Unconcious Competence)
08. Mare
09. The Sycophant, The Saint & The Gamefox
10. Dave Mustaine
11. Avaler L´Océan
12. You´ll Never Die In This Town Again
13. Charmer

Autor

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Alex G.

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