Plattenkritik

Someone Still Loves You Boris Yeltsin - Tape Club

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Release Date: 21.10.2011
Datum Review: 16.10.2011

Someone Still Loves You Boris Yeltsin - Tape Club

 

 

Es gibt sie noch da draußen, die Liebe.
Selbst für den mittlerweile verstorbenen ersten Präsidenten Russlands.
Ein eigentlich unmöglicher Bandname, mit diversen Erklärungsmöglichkeiten – man sah eine Fernsehdokumentation über die Frau von Boris Yeltsin; der Bruder schrieb eine Hausarbeit über die Geschichte Russlands mit eben diesem Titel; man wollte einfach einen wirklich langen Bandnamen haben – das Ergebnis bleibt immer Someone Still Loves You Boris Yeltsin.

Die vier Bandmitglieder aus Missouri veröffentlichen nun ihr bereits viertes Album auf Polyvinyl. Nun es handelt sich hierbei nicht um so etwas wie ein reguläres Album, andererseits dann doch wieder. Tape Club ist ein Art Retrospektive der Band, was hier jedoch keine Greatest Hits Sammlung ergibt. Vielmehr wurde hier in den endlosen Archiven der Band gewühlt und die verschiedensten Songs zutage gebracht, welche zuvor höchstens für ihren gleichnamigen Tape Club Verwendung fanden. Dieser Tape Club sollte nach dem noch selbstveröffentlichten Debüt ´Broom´ etwas Geld in die Kassen der Band spülen, um auf Tour gehen zu können. Jedes neue Mitglied des Clubs erhielt gegen einen kleinen Obolus eine Kassette voll mit unveröffentlichtem Demomaterial und handgefertigtem Cover.

Demos, Outtakes, Previous Unreleased, Outtakes, Demos. Egal wie oft man es sagt und wie man es nennt, es klingt immer gefährlich. Häufig ist diese Sorte von Veröffentlichungen zum Großteil unhörbar und schafft es einfach nicht an die reguläre Qualität der Band heranzureichen. Alles nur Geldscheffelei, Aderlass, Schröpfung der Fans die auch den letzten Mist ihrer verehrten Band besitzen müssen.
SSLYBY bilden hierbei eine der wenigen Ausnahmen, da ihr Debüt bereits eine einzige Demoaufnahme voller zauberhafter Lo-Fi Songs war. Auch das spätere Rerelease über Polyvinyl änderte trotz Überarbeitung relativ wenig daran. Erst langsam über ´Pershing´ zu ´Let It Sway´ schlich sich eine vollere Produktion ein. Zuletzt sogar unter Anleitung von Chris Walla.

Genau diesen Prozess kann man mehr oder weniger auch auf den 26 Songs von Tape Club beobachten. Mit ´The Clod And The Pebble´ beginnt es noch herzlich rauschig mit gezupfter Gitarre, kaputten Klavier und billigen Streicher im Keller. Lo-Fi Elliott Smith Gedächtnissongs (´Song W + Song L´) sind erstmal das Metier der Band. Gelungene Experimente wie ´Sweet Owl´ - ist das eine Oboe - inklusive. Danach nähert man sich Schritt für Schritt dem ausproduzierteren Indie Pop an. ´Half-Awake (Deb)´ zieht das Tempo kurzzeitig etwas an, ´New Day´ landet bei der Sanftheit der Shins, ´Coming Through´ zeigt mit fast fünf Minuten Laufzeit, dass sich SSLYBY auch über mehr als den drei Minuten Standart mit ihrem Songwriting begeistern können. Dieses dreier Gespann, in der Mitte des Albums, zeigt ganz klar die Größe dieser Band.

Sie nehmen sich den eigenen Aussagen zufolge zwar keine Vorbilder, man hört aber dennoch Einflüsse von Beulah, Grandaddy, Elliott Smith, Pavement, bis zu den Shins. Also slackerhafter 90er Indie Rock mit einigen Popspitzen, der auch mal Emotionen zulässt. Der Lo-Fi Touch einiger Songs (´Chili Cook-Off´ u.a.) lässt dann auch mal an die Moldy Peaches und Konsorten denken, wobei das Songwriting bei SSLYBY wesentlich ausgereifert ist.

Letztes Problem, 26 Songs auf einem Album, ist hier nicht Ausschussware bereits vorprogrammiert? Klar hätten sie sich z.B. ´Song 1000´ oder ´Yellow Missing Signs´ sparen können. Songs die man beim erstem Mal hören recht lustig oder interessant findet, dann aber nie wieder bewusst anhören wird. Aber auf sanfte Miniaturen wie das einminütige ´Phantomwise´ möchte man auf keinen Fall verzichten. Im großem und Ganzen sind also kaum Ausfälle zu verzeichnen, was bei dieser Songanzahl äußerst erstaunlich ist.

Noch erstaunlicher sind die beiden Songs die sich ganz zum Schluss versteckt haben. ´Bended´ startet als sanfte Americanaballade mit mehreren gezupften Gitarren, schält sich ab der Hälfte zum leicht dröhnenden Pathos und schließt knapp sphärisch fließend. Den Abschluss macht ´Bastard Of Rome´ ein für die Band fasst schon aggressiver Song mit stupiden geradeaus rennenden Schlagzeugbeat und funkigem Bass.

Tape Radio ist nicht nur für Kompletisten oder Die-Hard Fans, es kann durchaus als reguläres viertes Album gezählt werden und zeigt das Someone Still Loves You Boris Yeltsin in mehreren Stilen zuhause sein könnten als sie bisher zeigten. Hätten sie jetzt ein paar Songs dieser umfassenden Trackliste aussortiert, so wäre durchaus auch eine höhere Wertung möglich gewesen.

Tracklist:

01. The Clod and the Pebble
02. Let’s Get Tired
03. What’ll We Do (demo)
04. Song W + Song L
05. Sweet Owl
06. Spinning Sea
07. Tin Floor 51
08. Lower the Gas Prices, Howard Johnson
09. Go Upstairs
10. Bigger Than Yr Yard
11. Half-Awake (Deb)
12. Not Worth Fighting
13. New Day
14. Coming Through
15. Dead Right (Wilmington demo)
16. We Can Win Missouri
17. Same Speed
18. Cardinal Rules
19. Chili Cook-Off
20. Song 1000
21. Phantomwise (demo)
22. Back in the Saddle (demo)
23. Yellow Missing Signs
24. Letter Divine
25. Bended
26. Bastard of Rome

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Kilian

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