Plattenkritik

Frittenbude - Delfinarium

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Release Date: 11.05.2012
Datum Review: 18.07.2012

Frittenbude - Delfinarium

 

 

"Wir sind die Clowns
Im Zirkus des Lebens
Alle Träume ein Zelt
Und die Domteure Propheten
Besoffen an uns selbst
Auf diesem blauen Planten
Hat jede Flucht ein Gehäge
Ist jeder Club die Manege"


Eigentlich beginne ich Reviews ungern mit Zitaten. Doch die Lyrics des Refrains von "Wings" beschreiben den Werdegang der deutschen Electropunkern bis zu ihrem jüngsten, dritten Album "Delfinarium" eigentlich perfekt. Die Geschichte eines Trios aus Geisenhausen, die davon handelt wie sich Johannes Rögner und seine Mitstreiter erfolgreich von einer Wir-gegen-alle-Barrikadenband zu echten Musikern mit echten Gefühlen entwickeln. So schleichen sich auf "Delfinarium" nicht nur Befindlichkeits-Pop sondern auch großartige Texte ein.

Vom Sound des Debüts ist nicht mehr viel übrig. Im Zweifel dagegen ist man maximal noch bei "Deutschland 500", bei dem das Trio aber auch Schützenhilfe der langjährigen Gefährten Egotronic erhält. Auf dem Drittwerk wird aber hauptsächlich der Weg des Vorgängers "Katzengold" konsequent weitergegangen, d.h. weg vom wummernden Elektro von "Nachtigall" hin zu mehr Weite und Vielseitigkeit im Sound. Wieder hält "Wings" als perfektes Beispiel dieser Entwicklung her. Weiträumig hallende, akkustische Gitarren treffen auf verhalten-atmosphärischen Elektro und große Melodien mit nahezu hippieesken Lyrics.

Doch nicht nur die erste Single spielt mit neuen Elementen. "Heimatlos" verbindet eine hypnotische Songstruktur mit der Imitation von Streichern. Vorbei sind die Zeiten von Remmidemmi, denn Songs wie "Von allem zu viel" packen nicht durch drückende Bässe sondern durch ausgefeilte Melodiebögen. Dennoch stellen FRITTENBUDE den Hörer durchaus vor eine Herausforderung. "Delfinarium" umfasst satte 15 Songs, verteilt auf 66 Minuten in denen jeder Song den Hörer auf eine neue Art fordert. Wer sich also an das Mammut "Delfinarium" heranwagt, braucht gute Nerven, wird aber auch mit aussschließlich guten bis fantastischen Songs belohnt.

Doch der heimlich Star des Album heißt ganz klar Johannes Rögner. Der, inzwischen ziemlich bärtige, Fronter hat erneut hörbar an seinen Vocals gearbeitet. Die pendeln zwischen adrenalinpumpenden Raps und beschwörenden Monologen. Eine Stimme, die sich ins Hirn einbrennt. Eine Stimme, die etwas zu sagen hat. Ich erwähnte die fantastischen Texte bereits, denn auf "Delfinarium" steht jedes Wort an der richtigen Stelle und verknüpft sich dabei auf beeindruckend geschickte Weise mit den nachfolgenden Sätzen. Rögner's Sprache ist bildhaft, metaphorisch und von Vergleichen durchzogen. Doch das Wichtigste: Rögner's Worte berühren.

FRITTENBUDE entwickeln sich also weiterhin konstant weiter und erreichen mit "Delfinarium" das nächste Level. Ein Album welches durch seine Verbindung aus Sprache und Musik mitreißt und damit auch den alteingesessenen Hardcore-Hörer, den modernen Rap-Fan und natürlich den gemeinen Hipster für elektronische Musik gewinnen kann. Lassen wir zum Abschluss nochmal Johannes Rögner zu Wort kommen:

"Erinnerst du dich als wir lachten
wir haben uns so gefreut
über fast jede Sekunde
Es war alles so neu
Wo sind sie hin, die Momente
ja wir waren so viele
Irgendwann waren sie zu Ende
Ist davon gar nichts geblieben
Hat denn keiner gewonnen
Hat jeden das Leben beschissen
Mussten wir erst so weit kommen
um nichts besser zu wissen"


Tracklist:

1. Von allem zu viel
2. Nur wegen dem Eiskonfekt
3. Wings
4. Deutschland 500 (feat. Egotronic)
5. Aufregende Farben
6. Heute nur einmal
7. Heimatlos
8. Dies Das (Riesenlöve)
9. Die Amsel (feat. Yari Safari)
10. Innere Altmark
11. Gibt es Uruguay eigentlich noch?
12. Heute bist du nur ein Mädchen das ich einmal gekannt hab
13. Erlös dich von dem Schrott (feat. Danja Atari)
14. Zeitmaschinen aus Müll

Autor

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Enrico

Autoren Bio

Je ne sais pas. Ein Hoch auf meine Standardantwort im Französischunterricht in der Schule.