Plattenkritik

HAWSER - All Is Forgiven

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 20.10.2020
Datum Review: 20.10.2020
Format: Vinyl Digital

Tracklist

 

1. You Can Only Hope
2. Recall & Repent
3. Wrong Side of the Present
4. Bury the Hatchet
5. Oorlogsmoe
6. Hi & Lo
7. Snowblind
8. Luck of the Draw
9. Common Grave
10. Petrine Cross
11. Will to Meaning
12. All Is Forgiven

HAWSER - All Is Forgiven

 

 

HAWSER. Eine noch sehr junge Band aus den Niederlanden, die mit ihrem neuen Album „All Is Forgiven“ schafft, was nur äußerst wenigen Hardcore-Bands vom europäischen Festland gelingt: Drei Alben zu schreiben. Und dann auch noch drei gute. Drei nicht nur relevante, sondern auch wiedererkennbare Alben.

Das Personalkarussell im Hause HAWSER hat sich in den letzten Jahren freudig weitergedreht, sodass aus der Originalbesetzung der Band nunmehr nur noch Sänger Stijn übriggeblieben ist. Umso wichtiger, dass der Sänger nicht nur in lyrischer, sondern auch in ästhetischer und in soundtechnischer Hinsicht allen Platten deutlich seinen Stempel aufgedrückt hat. Es lässt sich eine klare Richtung erkennen: Auf „All Is Forgiven“ kommen die fünf Niederländer deutlich metallischer und vertrackter daher als noch auf dem Vorgängerwerk „Tough Love“. Standen auf LP Nummer 2 vor allem NYHC-Bands und Kapellen wie CRUEL HAND Pate, so hat man sich auf LP Nummer 3 eher in Richtung MALEVOLENCE und GUILT TRIP orientiert. Der neue Sound ist durchsetzt mit Palm Mutes, Breaks und Divebombs an den Gitarren. HAWSER gehen mit der Zeit und spielen auch auf der internationalen Bühne mindestens in der zweiten Liga jüngerer HC-Bands mit. Der Einfluss der meistgefeierten Bands der letzten Jahre (KNOCKED LOOSE, YEAR OF THE KNIFE, JESUS PIECE, CODE ORANGE) lässt sich klar raushören, ist jedoch auf “All Is Forgiven“ klug mit dem bandeigenen Sound vermischt. HAWSER setzen sich nach wie vor besonders mit stets gut platzierten und unglaublich bissig klingenden Vocals ab – ein Feld, auf dem 90% der kleineren HC-Bands schlicht und ergreifend versagen. Dementsprechend sind alle Zutaten dafür gegeben, dass nach Corona etliche Moshpits durch diese Songs die Bude fast zum Zerbersten bringen. Härter als nur hart wird es bei „Bury the Hatchet“ durch das Feature von Aaron JESUS PIECE.

Darüber hinaus wagen HAWSER auf ihrem neuen Album einige Experimente, ohne dass es peinlich werden würde. Ob der grungig-alternative Anfang von „Oorlogsmoe“ (zu deutsch: „kriegsmüde“) oder der direkt anschließende Hip-Hop-Interlude „Hi & Lo“, der stilvoll die A-Seite der LP zu Ende bringt.

Die B-Seite fällt leider qualitativ im Vergleich zu der A-Seite ab, auch wenn mit „Snowblind“ einer der prägnantesten Songs den Reigen eröffnet. Es scheint, als ob HAWSER die Ideen ausgegangen seien. „Luck of the Draw“ und „Common Grave“ weisen Chugga-Chugga-Riffs auf, erinnern wieder stärker CRUEL HAND und gehen beide als geradlinige, schnörkellose und solide HC-Nummern durch. Kategorie: Kann man machen, muss man aber nicht unbedingt. Vor allem auf „Petrine Cross“ und „Will to Meaning“ wird dann jedoch deutlich, dass sich das Schema aus grooviger Härte und metallischen Riffs langsam, aber sicher abgenutzt hat – wobei letzterer immerhin noch durch ein gut platziertes und vorgetragenes Feature der GROVE STREET FAMILIES aufgewertet wird. Der Titeltrack beendet die Platte dann nach einer knappen halben Stunde und weist mit offenen Akkorden sowie erneut an TWITCHING TONGUES erinnernden Backing-Vocals sowas wie einen Chorus auf, ist allerdings weder ein Hit noch ein großartiger Closer.

Unter dem Strich wird „All Is Forgiven“ meinen Erwartungen, die ich nach dieser breit und lang angelegten Promo-Phase hatte, gerecht – nicht weniger, aber leider entgegen meiner Hoffnungen auch nicht mehr. Selbst nach etlichen Runden auf dem Plattenteller bleibt keiner der Songs so wirklich fest im Gehörgang hängen. Es wirkt fast schon, als hätten HAWSER mit Absicht an einprägsamen „Hits“ vorbeigeschrieben. Dass sie eben diese spielerisch und songwriting-technisch drauf hätten, daran habe ich nicht den geringsten Zweifel. Für Crowdkiller und Highkicker ist „All Is Forgiven“ ein Paradies, für die Singalong-Fraktion hätte man mehr tun können. Die Experimentierfreudigkeit sollten sich HAWSER weiter beibehalten, denn ohne die oben erwähnten Eskapaden wäre dies ein sehr stumpfes und stellenweise schrecklich redundantes Album geworden – im direkten Vergleich zu „Tough Love“ kommt „All Is Forgiven“ dann eben doch einen kleinen Ticken ungelenker rüber.

Autor

Bild Autor

Marcel

Autoren Bio

-