Plattenkritik

SPERLING - Zweifel

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 22.01.2021
Datum Review: 21.01.2021
Format: CD Vinyl Digital

Tracklist

 

1) Eintagsfliege
2) Bleib
3) Stille
4) Toter Winkel
5) Baumhaus
6) Fuchur
7) Relikt 
8) Laut
9) Mond
10) Tanz 
11) Zweifel
12) Schlaflied

SPERLING - Zweifel

 

 

Ein Album der Band SPERLING. 

Das Debütalbum der Band SPERLING aus Hunsrück. 

“Zweifel”. 

12 Songs zwischen FJØRT, HEISSKALT und CASPER. 12 Songs über das Alleinsein, Depressionen und den Umgang mit Ängsten und Zweifeln. Abgerundet vom Einsatz eines Cellos, welches im Post-Hardcore ein sehr selten zu findendes Musikinstrument ist. Kein Zweifel, dass es dem Sound von SPERLING eine besondere Note verleiht. 

“Ist euer Musikgeschmack Platz 1 der Charts, weil ihr keinen eigenen habt?” 

“Eintagsfliege” startet das Debüt kritisch. Ein langsamer musikalischer Aufbau befasst sich inhaltlich mit dem Zweifel gegenüber des musikalischen Mainstreams und den unkritischen Rezipient*innen. Der Song/das Intro verzichtet auf eine klassische Songstruktur. Der Sprachgesang schwillt gleichzeitig mit dem musikalischen Aufbau an und arbeitet sich von Zeile zu Zeile, um in einem instrumentalen Ende zu münden. 

“Bleib” handelt von einer Beziehung, die endet. Einer der Partner verlässt das gemeinsame zu Hause und der/die Zurückgebliebene versucht die Hoffnung aufrecht zu erhalten, dass die Trennung nur temporär sein könnte. In “Stille” wird dem Cello ein großer Raum geboten. Kratzende Gitarren und ein schepperndes Schlagzeug werden eingerahmt vom düsteren und stimmungsvollen Cello.  

In “Toter Winkel” denkt der Protagonist über die eigene Existenz nach und was er/sie vom Leben (noch) erwartet. Hierbei spielen soziale Interaktionen und Unterhaltungen eine Rolle, die nicht den eigenen Erwartungen entsprechen. Das Gitarren- und Cellospiel kämpfen in einem ständigen auf und ab gegeneinander an. 

“Baumhaus” startet mit einer zurückgenommenen Basslinie. In diese drängen sich die Stimme von Sänger Jojo und das Cello, wodurch ein dramatischer Aufbau entfacht wird, der in einem Refrain mündet, der auch aus der Feder von HEISSKALT stammen könnte. “Baumhaus” wurde als erste Vorab-Single aus dem Album veröffentlicht. Die Band schafft es das emotionale auf und ab, das sich durch die gesamte Platte zieht, bei diesem Song sehr akzentuiert einzusetzen und ein emotionales, aber hoffnungsvolles Ende zu zeichnen. 

“Fuchur” und “Relikt” bilden die Mitte der Platte und zeigen die raue Produktion am deutlichsten. Schepperndes Drums und kratzige Rap-Parts zeichnen die Songs aus, die musikalisch weniger mit dem ständigen auf und ab spielen. Ganz ähnlich ist auch “Tanz” aufgebaut. 

In “Laut” kämpft das Cello mit dem Rest der Band, versucht sich seinen Weg in den Vordergrund zu spielen und klingt dabei fast flehend. Als wolle es endlich laut werden und sich nicht mehr verstecken. Als würde es hören was die Band lyrisch gerade vorträgt: 

“Komm wir werden laut
Bis auch die letzten Menschen wach sind
Bis wir kurz davor sind, dass Trommelfelle platzen
So laut, dass Gewehrschüsse nach Federn klingen
So laut, dass die Schallwellen zum Erdkern dringen
So laut, dass Glasscheiben zersplittern
So laut, dass die Polarkappen erzittern
Hauptsache laut genug
Denn wenn man leise bleibt dann bleibt alles wie immer” 

“Mond” ist hingegen ein ruhiger, atmosphärischer Song, der komplett ohne Schlagzeug auskommt. Dieser Track wurde ebenfalls vor der Veröffentlichung der Platte als Single bereit gestellt und bildet gemeinsam mit “Baumhaus” und “Laut” als Single-Trio eine große Bandbreite des musikalischen Schaffens von SPERLING ab. 

Der Titeltrack des Albums beschäftigt sich mit dem Suizid. Und dem Zweifel, dem hin- und her überlegen. Es geht um Sorgen, um Ängste, um Mut oder das Gegenteil davon. Ein aufwühlender Track, getragen vom Cello und dem verletzlichen Gesang. 

Zum Abschluss des Albums bieten SPERLING mit “Schlaflied” einen akustischen Song, der ebenfalls den Tod als Thema in den Fokus rückt. Ein Song über Menschen, die andere Menschen auf dem Weg in den Tod begleiten. Für Sänger Jojo, als Altenpfleger, sicherlich ein sehr persönlicher Song, der das Album beschließt. 

SPERLING machen auf ihrem Debütalbum vieles richtig. Das Quintett nimmt uns mit auf eine emotionale Berg- und Talfahrt, zwischen Angst, Wut, Zuversicht, Mut, Depression, Tod, Zuneigung und Zweifel(n). Musikalisch ist die Platte angenehm, aber nicht zu rau produziert. Die Produktion passt hervorragend zur Grundstimmung und den Inhalten, die die Band in ihren Songs verarbeitet. Wie bereits erwähnt werden Erinnerungen an FJØRT, HEISSKALT und CASPER wach, wenn man die Songs hört. Doch SPERLING kopieren nicht einfach diese Künstler und setzen die einzelnen Elemente zusammen. Vielmehr schafft es die Band einen ganz eigenen Sound, auch bedingt durch das Cello, zu entwerfen. 

Autor

Bild Autor

Peter

Autoren Bio

30 | Hamburg https://bit.ly/2mIqTwg