Plattenkritik

THE AMITY AFFLICTION - Everyone Loves You Once You Leave Them

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Info

Release Date: 20.02.2020
Datum Review: 20.02.2020
Format: CD Vinyl Digital

Tracklist

 

01. Coffin
02. All My Friends Are Dead
03. Soak Me In Bleach
04. All I Do Is Sink
05. Baltimore Rain
06. Aloneliness
07. Forever
08. Just Like Me
09. Born To Lose
10. Fever Dream
11. Catatonia

Band Mitglieder

 

Joel Birch - voc
Ahrens Stringer - bass, voc
Daniel Brown - git
Joe Longobardi - drum

THE AMITY AFFLICTION - Everyone Loves You Once You Leave Them

 

 

THE AMITY AFFLICTION legen mit ihrem neuen Album "Everyone Loves You Once You Leave Them" erneut den Finger in die Wunde. Joel Birch kommentiert: 

"Social Media ist so launisch. Die Antwort der Internethorde lautet oft: 'Du bist ein erfolgreicher Musiker. Es ist unmöglich, dass du Depressionen hast. Fuck you!' Die andere Seite wird nicht immer gezeigt. Was wir machen ist ein großartiger Job, und wir sind gesegnet. Aber wie bei allem anderen ist nicht alles rosig. Wenn jemand stirbt, hört man den Mob sagen: 'Oh mein Gott, dieser Künstler war so eine Inspiration.' Ich hab diese ignorante Feindseligkeit gegenüber psychischen Erkrankungen in der Musik und anderen Berufen so satt. Wir haben eine Plattform. Wir haben die Möglichkeit, etwas zu sagen – und das ist es, was wir tun."

Bereits im Opener "Coffin" und dem anschließenden "All My Friends Are Dead" wird deutlich: Es hat sich jede Menge Wut angestaut beim Sänger und dem Rest der Band. Während Joel Birch sich wütend durch die Strophen schreit, bearbeitet Drummer Joe Longobardi sein Drumset mit akribischer Härte. Trotzdem behalten sich THE AMITY AFFLICTION ihre Catchiness und die bittersüßen Elemente bei. Im Refrain von "All My Friends Are Dead" setzt die bekannt sanfte Stimme von Bassist und Sänger Ahren Stringer erstmals ein. Typisch THE AMITY AFFLICTION. Trotz Wechsel des Labels hat sich musikalisch wenig verändert bei den Australiern. Man erkennt sofort, dass hier die Post-Hardcore-Band zu hören ist. Die markanten Screams von Birch und der bittersüße Gesang von Stringer ergänzen sich erneut exzellent. Musikalisch haben die Australier im Vergleich zum Vorgänger "Misery" weniger elektronische Einflüsse verarbeitet. Die Songs fallen insgesamt mit einer düsteren Stimmung auf, die zwischendurch immer wieder durchbrochen wird. Beispielhaft seien hier die vorab ausgekoppelte Single "Soak Me In Bleach" oder das mit düsteren Pianoklängen untermalte "Baltimore Rain" genannt. "Aloneliness" wirkt trotz des ernsten Themas der gesamten Platte leicht und fast unbeschwert. Der Song kommt ohne Screams aus. Dafür klingt Stringers Stimme so rau und verletztlich wie noch nie zuvor. Inhaltlich geht es darum bipolar zu sein:

"Es ist der ständige Kampf, herauszufinden, wer ich jetzt gerade bin. Es ist der morbide und negative Teil meiner Existenz. Zum Glück für mich habe ich die Musik. Ich habe diese tägliche Befreiung auf Tour. Ich weiß nicht, was ich ohne sie machen würde. Es gibt Individuen, die nicht so viel Glück haben und die darum kämpfen, eine Form von Eskapismus zu haben.", erklärt Joel Birch.

"Forever" versprüht einen Hymnencharakter, den die Band schon mit früheren Songs wie "Don't Lean On Me" von "Let The Ocean Take Me" oder "Ivy (Doomsday" von der letzten Platte "Misery" kreiert hat. Nachdem mit "Aloneliness", "Forever" und "Just Like Me" drei eher sanftere Songs hintereinander stehen, nimmt "Born To Lose" die Heaviness vom Beginn des Albums wieder auf. Solide Gitarrenarbeit und ein druckvolles Schlagzeugspiel leiten in das Ende des Albums ein. Mit "Fever Dream" und "Catatonia" stehen sich zu diesem Abschluss zwei gegensätzliche Songs gegenüber. Während "Fever Dream" mit der bekannten Eingängigkeit im Mid-Tempo besticht und die Clean-Stimme von Ahren Stringer in den Vordergrund stellt, ist "Catatonia" einer der härtesten Songs der letzten drei Platten und durch die explosiven Screams von Joel Birch besticht. Als die Band das Vorgänger-Album "Misery" aufnahm, hat sich ein guter Freund der Band das Leben genommen:

"Wir waren allein in Toronto. Das Wetter war miserabel. Sein Tod traf mich wie eine Tonne Ziegelsteine, und ich verbrachte mehrere Stunden auf dem Boden liegend, ohne mich bewegen zu können", so Birch.

Mit "Catatonia" versucht die Band den plötzlichen Tod des Freundes zu verarbeiten. Vor allem Birch gelingt das, in dem er seine Wut und Enttäuschung in eine Flut von Screams einbettet.

Das im Vergleich zum Vorgänger düstere Klangbild des Albums steht den Australiern ausgesprochen gut zu Gesicht. Zudem macht die Band, wie am Anfang bereits angedeutet, immer wieder darauf aufmerksam, dass psychische Erkrankungen kompromiss- und rücksichtlos sind und versuchen Verständnis zu schaffen:

"Du kannst nichts dafür. Es ist nicht deine Schuld. Darum geht es. Ich würde mich freuen, wenn die Menschen mit uns auf diese Reise gehen", so Stringer abschließend. "Vielleicht könnte es ihren Tag ein wenig besser machen. Ich lebe für Musik, sie bringt mich dazu, weiterzumachen. Wenn wir das für jemand anderen tun können, wäre das unglaublich."

Mein Koffer für die Reise ist gepackt.

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Peter

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30 | Hamburg https://bit.ly/2mIqTwg