01.11.2019: REAL FRIENDS, GRAYSCALE, BELMONT - Köln - Club Volta

05.11.2019
 

 

REAL FRIENDS. Diesmal wirklich. Nachdem die Band im März 2018 all ihre anstehenden Tourdaten in Europa, dem Vereinigten Königreich und Australien abgesagt hatte, holen sie die Europatour nun im Herbst 2019 endlich nach. Mit dabei sind die befreundeten Bands GRAYSCALE und BELMONT.

Genau wie die REAL FRIENDS selbst kommen auch BELMONT aus Illinois. Für mich sind beide Vorbands ein unbeschriebenes Blatt, beide haben etwa 25k Likes bei Facebook. Beide sind sehr jung, beide erfinden das Rad alles andere als neu. BELMONT nennen THE STORY SO FAR als einen ihrer Haupteinflüsse. Und an die fühle ich mich auch sofort erinnert. Aber auch das ist nichts Neues. Der Einfluss, den Parker Cannon und seine Band nachhaltig auf das Genre Pop Punk hatten und haben, ist unüberhörbar und übersehbar. Was ich allerdings nicht erwartet hätte: Das sehr junge Publikum geht von Anfang an mit. Und damit meinte ich nicht nur, dass der Platz vor der Bühne gut gefüllt ist. Nein, es wird mitgesungen und sich sogar bewegt! Das sieht auf den vielen Kölner Konzerten, die von Mitdreißiger bis Mitvierziger VISIONS-Abonnenten frequentiert werden, oft anders aus. Heute also eher dynamisch als laid back. BELMONT gibt das den Auftrieb, um eine wirklich gute Show hinzulegen. 2018 kam das Debütalbum selbstbetitelte heraus, vorher einige Singles und zwei EPs. Die Leute scheinen sich, und auch das scheinen die „Jungen“ viel mehr zu tun als die „Alten“, auf den Abend gut vorbereitet zu haben. Wenn man dann noch so eingängig ist wie BELMONT, hat man natürlich auch bei der Live-Show gewonnen.

GRAYSCALE machen genau da weiter, wo BELMONT aufgehört haben. Für das ungeschulte Pop-Punk-Ohr ist hier kein großer Unterschied zu bemerken. Beide Supportbands scheinen eher nach Schema F zu arbeiten, aber eben nach einem sehr guten, qualitativ hochwertigen Schema F. Und mit dem notwendigen Enthusiasmus, um die Menge mitzureissen und eine schweisstreibende Live-Show hinzulegen. Man merkt allen Bands am heutigen Abend an, dass sie nochmal ordentlich was auf das Parkett legen wollen. Es handelt sich um die letzte Show auf deutschem Boden und die vorvorletzte auf dieser Europatour. GRAYSCALE aus Philadelphia (auch nicht sooo weit von Illinois, in amerikanischen Maßstäben gemessen) kommen im Club Volta sogar nochmal besser an als ihre Vorgänger. Über das „Warum?“ kann ich nur mutmaßen. Mir gefällt die Musik allerdings auch einen Ticken besser. GRAYSCALE haben schon drei Alben und eine EP auf dem Buckel, und die letzte Platte „Nella Vitta“ ist noch ziemlich frisch. Es gibt jetzt nicht nur Singalongs, sondern auch erste Stagedives. Das Publikum hat richtig Bock. Das Hemd des Stage-Right-Gitarrist ist wunderschön. Sänger Collin Walsh (den Namen Walsh kenne ich von TIGERS JAW’s Ben, und die kommen auch aus Pennsylvania – zumindest musikalisch kann man eine entfernte Verwandtschaft unterstellen) hat recht leichtes Spiel mit dem Publikum. Der charismatische Frontmann – und selbstverständlich auch das energetische Publikum – lassen es fast schon wie eine eigene Headliner-Show aussehen.

Doch der wahre Headliner hat mehr als 10x so viele Likes als beide Supportbands. Ist jetzt die Frage, ob das in der Altersgruppe des Zielpublikums nun sehr viel bedeutet, oder ob das fast schon wieder auf dem absteigenden Ast der Aussagekraft ist. Böse Zungen, gerade amerikanische, behaupten ja, dass Facebook ein Ding für die Generation 30+ geworden sei. Wie dem auch sei, die Online-Präsenz der REAL FRIENDS auf allen Kanälen gibt einen tiefen Einblick in das Leben der Band. Es gehört quasi zum Repertoire und zur Verbundenheit mit den Fans dazu, sehr offen mit der eigenen Befindlichkeit umzugehen. Nicht nur in den Lyrics, sondern eben auch in den Posts. REAL FRIENDS haben angekündigt, dass diese Europa-Tour ihre letzte Tour für eine längere Zeit werden, ohne diesmal Gründe anzugeben. Vielleicht spielt beides eine Rolle – dass die Fans auf sie gewartet haben, und auch dieses Element der Unsicherheit, nicht zu wissen, ob es das letzte Mal oder zumindest das letzte Mal auf nicht absehbare Zeit ist – aber Köln ist heute wirklich von Minute 1 an sehr enthusiastisch. Die Freude auf dem Gesicht von Grinsekatze Dan Lambton macht sich dadurch nur noch breiter, mit „Get By“ zünden die REAL FRIENDS gleich zu Beginn ein kleines Feuerwerk des Pop Punk. Dass 2016 eine zweite LP erschienen ist, erfahre ich erst beim Schreiben dieser Zeilen. Kann aber offensichtlich auch zurecht an mir vorbeigegangen sein – denn das Set heute konzentriert sich a) ganz klar auf die aktuelle Platte „Composure“ von 2018 und macht b) auch einen großen Bogen um dieses zweite Album. Stattdessen gibt es ein paar Songs von „Maybe This Place is the Same..“ und sogar drei Songs aus der prä-Alben-Zeit der REAL FRIENDS, unter anderem „Floorboards“. Trotz des niedrigen Durchschnittsalters kann man den Raum unterteilen in Fans der neuen Platte, in Diehard-Fans des alten Krams und in Fans, die generell einfach alles von dieser Band abfeiern. REAL FRIENDS haben über den Verlauf ihrer Karriere den Emo-Faktor etwas herabgesenkt und dafür den Pop-Faktor deutlich hochgeschraubt. Das kann schief gehen oder eben sehr gut gehen. Nicht zu Unrecht spricht Lambton stolz von der besten Platte, bevor mit „Me First“ und der finalen Hymne „From the Outside“ nicht nur diese Show, sondern generell die Konzerte in Deutschland seitens seiner Band <<on a very high note>> beendet wird. Farewell, REAL FRIENDS…!