Im Vorprogramm geben sich heute die drei Österreicher von MOTHER'S CAKE die Ehre. Das psychedelische Trio ist alles andere als wacklig auf den Knien, sondern überzeugt von Minute eins (sprich: Punkt acht Uhr) mit einer guten Bühnenpräsenz und tightem Livespiel. Kein Wunder, schließlich waren die Herren auch schon im Vorprogramm vom Limp Bizkit und wurden eins als einer der heißesten Newcomer ihres Landes gehandelt. Inzwischen haben MOTHER'S CAKE zwei Alben und einen 45-minütigen Live-Film unter dem Gürtel, dementsprechend dürften sie heute sicherlich einigen in der Live Music Hall schon ein Begriff sein. Für mich ist die Band Neuland, und sie gefällt mir gut. Der Sound ist sehr experimentell und es handelt sich um drei wirklich sehr professionelle Musiker – auch der Bassist überzeugt gegen Ende des Sets mit solo-artigen Slap-Bass-Einlagen, während der Sänger mich an eine Mischung aus Michael Jackson und Robert Plan von Led Zeppelin erinnert. Aufgrund der angestauten Hitze in der Live Music Hall ist der Raum nicht ganz gefüllt, aber MOTHER'S CAKE spielen vor angemessen großer Menge und ernten angemessen lauten Applaus.
Nach einer halben Stunde ist dann allerdings auch schon Schluss mit Vorband, und mindestens eben so lange lassen sich ALICE IN CHAINS Zeit für die Umbaupause. Als dann jedoch die dazwischen eingespielte Musik ausgeht und die Spannung auf dem Siedepunkt ist, steht die Live Music Hall kurz Kopf. Jerry Cantrell, William DuVall und Co. starten mit „Bleed the Freak“ und „Check My Brain“ gleich rabiat und fulminant ins Set. Ein erstes richtiges Highlight, das auch mit lauter Zustimmung belohnt wird, kommt dann mit „Them Bones“, worauf „Dam That River“ folgt. ALICE IN CHAINS können auf ein reichhaltiges Repertoire an Hits zurückgreifen, denn glücklicherweise befindet sich unter den fünf bisherigen Studioalben kein schlechtes. Und auch die EPs haben es natürlich in sich und sind den Fans ein Begriff – von der legendären „Jar of Flies“ EP gibt es den Gänsehautsong „Nutshell“ und das für ALICE IN CHAINS ungewohnt lockere „No Excuses“ auf die Ohren. Ansonsten bietet die Band eine ausgewogene Mischung ihrer besagten fünf Alben, wobei natürlich auch „Facelift“ nicht zu kurz kommt. Immer wieder werden vor allem die alten Hits („We Die Young“, „It Ain't Like That“) bejubelt und mitgesungen. Generell geht das Publikum aber sehr gut mit. Daran haben selbstverständlich auch die Musiker ihren Anteil: ALICE IN CHAINS verplempern nicht viel Zeit mit unnötigen Ansagen und lassen ihre Mucke sprechen. Jerry Cantrell lässt mit jedem weiteren Solo die Kinnladen reihenweise fallen und auch William DuVall macht sich in dieser undankbaren Position (Niemand kann Layne Staley ersetzen..) erstaunlich gut als Frontmann. Nicht nur kommt seine Stimme der von Staley tatsächlich einigermaßen nah und hat dabei trotzdem noch eine eigene Note, auch die Bühnenpräsenz von DuVall ist sehr charismatisch. Cantrell und DuVall beherrschen die angeheizte Menge allein durch ihre Gesten und müssen gar nicht viel sagen. Zu „Man in the Box“ möchte William die Leute dann wenn es sein muss durch's Dach gehen sehen, und natürlich geht bei dem Song fast der ganze Saal mit. Das danach nicht Schluss sein kann, weiß auch der AIC-Fan der neueren Stunde, der heute in Köln nicht mit einem Tourshirt aus den Neunzigerjahren prahlen kann. Satte vier Songs gibt es dann in der Zugabe noch zu hören. Mit „The One You Know“ einen dissonanten und vielversprechenden Neuling, mit „Got Me Wrong“ meiner Meinung nach den Tiefpunkt der Setlist, und dann natürlich auch noch „Would?“ und „Rooster“ als Sahnehäubchen. Da bleibt kein Auge trocken – von den schweißgetränkten Körpern an diesem schwülen Sommerabend ganz zu schweigen. Mein erstes Mal ALICE IN CHAINS und ich bin damit absolut zufrieden. „Rainier Fog“ kann also gerne kommen.