05.04.2011: More Than Life, Brutality Will Prevail, Together, Basement - MuK, Gießen

05.04.2011
 

 

Ein weiteres Mal lockt das MuK im überschaulichen Gießen mit einem großartigen Lineup: Diesmal zu sehen gibt allerdings keine Band mit Ami-Bonus, sondern drei Kapellen aus der lebhaften Szene Englands und die Aschaffenburger in Together. Trotz dieser Tatsache hat sich das Haus schon recht gut gefüllt, als um etwa Viertel nach acht eingelassen wird.

Es gab bisjetzt in diesem Jahr drei größere Hardcore-Shows im MuK und immer haben sich die Vorbands perfekt in den Abend eingefügt. Das soll auch heute nicht anders sein. TOGETHER sind zwar nicht wirklich Locals, den meisten Anwesenden aber dennoch ein Begriff. Das liegt zum einen sicherlich daran, dass die Band verhältnismässig viel unterwegs ist, zum anderen aber bestimmt auch an dem neusten Output „The Odyssey“, welches zu Recht viele positive Resonanzen bekam. Und so konzentriert sich logischerweise das Liveset der Jungs um Frontmann David auch auf diese Doppel-Seven-Inch. Mit „September Nights“ geht der Abend quasi los und leider bleibt der obligatorische ungefüllte Halbkreis vor der Bühne für die meiste Zeit bestehen. Nichtsdestotrotz lässt sich an den Gesichtern der meisten Leute und an dem anständig ausfallenden Applaus erkennen, dass man durchaus zu überzeugen weiß. Sowieso kommt es mir in Gießen anders als an den meisten anderen Orten so vor, dass die Supportbands meistens sehr gastfreundlich aufgenommen werden und nicht gegen eine kritische Wand anspielen müssen. Was TOGETHER von vielen anderen (vor allem jungen und unbekannteren) Bands unterscheidet: Sie können live halten, was sie auf Platte versprechen. Alles wirkt sehr professionell, ausgereift und vor allem auch authentisch. Und trotz der anspruchsvollen Riffs finden die Musiker genug Gelegenheiten, um sich zum eigens Fabrizierten zu bewegen. Man muss allerdings erwähnen, dass die Akzente an den Gitarren nicht immer perfekt rüberkamen, da der Sound etwas matschig war – wofür natürlich die Band nichts kann. Das macht sich vor allem bemerkbar, als „The Outsiders“ von Modern Life is War gecovert wird – übrigens eine exzellente Wahl. Wenn es einer Band im melodischen Hardcore Tribut zu zollen gibt, dann ja wohl vor allem dieser. Außerdem werden 2 ältere Songs gespielt, zu denen sich dann auch einige Leute bewegen, da sie etwas härter ausfallen und etwas tanzbarer sind. Klugerweise haben sich TOGETHER entschieden, ihr Set mit „Summerlights“ (auch der letzte Song auf der neuen Platte) zu beenden und zeigen sich dabei nochmal von ihrer besten Seite – vor allem natürlich die Leadgitarre. Was den Auftritt betrifft stehen die Aschaffenburger den anderen Bands am Abend nichts nach. Mitunter das Spannendste, was hierzulande im Sektor melodischer Hardcore passiert.

Als nächstes sind BASEMENT an der Reihe, die teilweise nochmal eine Ecke jünger aussehen als die Mitglieder ihrer Vorband. Und trotzdem bereist man schon fremde Länder. Verrückt. Der Pop Punk, den das Nebenprojekt von Dead Swans Gitarrist Andrew präsentiert, kommt jedenfalls auch sehr gut im MuK an. Obwohl sich inzwischen auch Menschen vor der Bühne versammelt haben, wirkt Andrew Fisher (der heute Abend übrigens sowas wie die Hauptrolle spielt, mehr dazu später) sehr distanziert, wenn er singt. Vielleicht trifft es konzentriert besser, die Töne trifft er jedenfalls alle und so sind es vor allem die Songs der EP „Songs About the Weather“, die durch ihre großartigen Melodien und ihre Eingängigkeit für vehementen Beifall sorgen. Hervorzuheben sind „Skip Town“, „DUI“ und „White Elephant“. Bands wie Title Fight, Polar Bear Club und Man Overboard haben schon längst dafür gesorgt, dass sich die amerikanische Pop-Punk-Welle auch in Europa steigender Aufmerksamkeit erfreut – das merkt man auch heute, selbst wenn es Briten sind, die auf der Bühne stehen. Vor einigen Jahren wären einige sicherlich noch verwundert gewesen, einen solchen Sound auf einer Hardcore-Show zu Ohren zu bekommen. Heute jedoch sieht wohl niemand BASEMENT als einen langweiligen Lückenfüller an, und das ist auch gut so. Das Set wird durch einen älteren Song, „Plan to Be Surprised“ von der Two Songs EP und auch neues, unveröffentlichtes Material ein bisschen aufgelockert und wirkt so zu keiner Zeit ermüdend, auch wenn ich vielleicht einen Ticken mehr von der Band erwartet hatte. Der Funken ist irgendwie nicht so ganz übergesprungen. Die nächste Tour kommt gewiss, vielleicht ja dann.

Eine passendere Einleitung für seine eigene Band hätte Frontmann Ajay wohl nicht wählen können: I welcome you to the brutality!. Mit den ersten Akkorden, die BRUTALITY WILL PREVAIL anschlagen, zeigt sich gleich das gewohnte Bild bezüglich deren Liveshows: Wildes Rumgemoshe, und zwar ohne Wenn und Aber. Mich verwundert das Ganze ein wenig, da die Band sich zumeist im eher moshungeeigneten Downtempo aufhält. Aber Unterhaltung ist das, was sich vor der Bühne abspielt, auf jeden Fall. Und so hat die Band aus South Wales eigentlich schon die halbe Miete. Denn das Publikum erledigt den Job fast von alleine. Schließlich fragt man sich als Außenstehender natürlich, warum die Leute so steil auf diese Band gehen – gesetz dem Fall, man hat vorher nicht selbst mal reingehört. Der doomig angehauchte, zermürbend langsame, stellenweise überraschend melodische und vor allem schaurig tiefe (Drop Ais? Kennt man ja sonst nur von Suicide Silence..) Sound ist in der Hardcore-Landschaft – und das muss man mal mit aller Klarheit hervorheben – einfach einzigartig und genau deshalb sind BRUTALITY WILL PREVAIL augenscheinlich eine solche Attraktion. Und genau deswegen wird auch sofort nach der Show der Merchtisch leergefegt. Überzeugend ist jedoch nicht nur die Musik, sondern auch die Genauigkeit der Musiker und die energische Bühnenshow. Zwei Zutaten, die den Moshkessel natürlich noch ein wenig mehr brodeln lassen. In selbigen tobt sich übrigens auch Fisher (Basement) in wechselnder Verkleidung (unter anderem Papp-Roboter?) aus. „Life“ und der letzte Song „Lost and Alone“ sind dann der Beweis dafür, dass bei aller Brutalität, die sich abspielt, auch Sing-A-Longs zu Stande kommen können. Meiner bescheidenen Meinung nach haben BRUTALITY WILL PREVAIL eben durch die Tatsache, dass sie noch nicht in aller Munde sind, es durch diese herausstechenden Live-Shows aber sein werden, auf dieser Tour dem eigentlichen Headliner definitiv ein bisschen die Show gestohlen – weil sie eben noch etwas frischer sind und noch für Überraschung sorgen.

Denn man hatte ja in den letzten Jahren oft genug die Gelegenheit, MORE THAN LIFE mal live zu erleben. Eine Tour 2008/2009 mit Killing the Dream und The Carrier, eine Tour 2010 mit Defeater und den Dead Swans und auch abseits eben dieser war man oft genug auf europäischem Festland – ist von Großbritannien aus ja quasi ein Katzensprung und für Veranstalter wesentlich bezahlbarer als ein Special Guest aus den Staaten. Der Boom, der nach „Brave Enough to Fail“ entstand, ist lange vergessen und so hat sich das Zugpferd von Purgatory Records im Jahre 2011 selbstverständlich schon längst etabliert und nicht mehr viel zu beweisen. Ich komme jedoch nach der Show in Gießen zu der Ansicht, dass man diese erlangte Lässigkeit besser mal ablegen und vielleicht ein bisschen öfter proben sollte. Nicht falsch verstehen, ich bin ein Riesenfan von der Band, ein Riesenfan der EP und auch des neuen Albums, ich halte MORE THAN LIFE für einen sehr sympathischen und vor allem musikalisch talentierten Haufen (tolles Songwriting!), aber die Live-Performance heute in Gießen grenzt für mich schon an eine Frechheit. Ich frage mich allen Ernstes wer hier eigentlich eher enttäuscht sein sollte: Die Leute, die die Band heute zum ersten Mal sehen und eigentlich merken müssten, dass der Studio-Standard nicht gehalten wird oder die Leute, die sich das Ganze jetzt zum x-ten Mal anschauen und feststellen müssen, dass sich das große Live-Problem der Band immer noch nicht gelöst hat. Nennen wir es beim Namen. War es eigentlich in der Vergangenheit immer so, (ich gehe mal davon aus, dass das kein großes Geheimnis mehr ist) dass James Matthews nach wenigen Songs irgendwann die Puste ausgeht und nicht mehr viel aus der Kehle kommt, hat man sich wohl jetzt clevererweise überlegt, diese Unzulänglichkeit mit Sprechgesang zu überdecken. Eine wirklich dämliche Überlegung in meinen Augen. Passend zum sowieso unmotiviert anmutenden Auftreten des Frontmannes (wenn ich mal mit den letzten beiden Touren vergleiche) wird so der Gesang völlig monoton gemacht und man beraubt sich selbst eben genau der Sache, die einen auszeichnet: Nämlich der Emotionalität, die MORE THAN LIFE auf Platte herüber bringen - und zwar durch die Kombination von hohen Gitarrenmelodien mit schreiendem, fast schon screamo-artigem Gesang. Fakt ist, es klingt jedes Mal wesentlich gekonnter, wenn das Mikro einem Fan in der ersten Reihe vor den Mund gehalten wird und der die Zeilen herein brüllt. Und das sollte ja so eigentlich nicht sein. Stimmlich würde Matthews heute perfekt Chris Linkovich von Cruel Hand ersetzen können (schließlich wird jetzt plötzlich auch in jedem MORE THAN LIFE-Song ein „Uh!“ eingebaut), für die Songs die er mal wesentlich besser eingesungen hat ist das aber einfach nur unpassend. Als dann am Ende des zweiten Songs „Never Ender“ ein noch unpassenderer Breakdown eingebaut wird (Purgatory Mosh!) überkommt mich endgültig das Gefühl, dass die Band irgendwie anscheinend keinen Bock mehr auf das hat, was sie mal geschrieben hat. Jedenfalls werden die Songs an jeder Ecke versucht irgendwie prolliger zu machen, was eher nach hinten los geht. Auch in Sachen Zusammenspiel sehe ich die Band heute im Vergleich zu den anderen dreien als Schlusslicht, auch hier gibt es einiges auszubessern. Es wird einige Male aneinander vorbei gespielt. Fisher spielt übrigens jetzt Bass und er macht seinen Job recht gut. Auf den ist also wenigstens bei allen 3 Bands Verlass auf dieser Tour.
Die Reaktion des Publikums wird jedenfalls durch die in meinen Augen schlechte Performance nicht geschmälert, vor der Bühne gibt es genug Leute, die lauthals mitsingen und auch genug Leute für einige adäquate Stagedives. Jedoch merkt man auch, dass einige Leute bereits vor MORE THAN LIFE die Heimreise angetreten haben, da sich inzwischen alles zwischen Soundbox und Bühne versammelt hat, während bei den Vorbands etwas mehr Platz im MuK beansprucht wurde und sich die Leute auch weiter verteilt haben. Die Übriggebliebenen haben natürlich ihren Spaß bei eigentlich großartigen Songs wie „Fear“, „Scarlet Skyline“ und „Daisy Hill“. Mit „Faceless Name“ verschießt man die größte Bombe erst zum Schluss und dann gibt es sogar noch eine Zugabe.
Ich hoffe ich bin jetzt keinem mit meiner Kritik auf den Fuß getreten, es gibt offensichtlich genug Leute, die den Auftritt wohl gut fanden. Andererseits haben auch viele Leute die Fehlprints auf den Shirts gekauft, die fand ich auch nicht so gut. Lustig, aber unprofessionell. Auf den kurzfristig gedruckten Shirts (Tour-Nachschub) stand nämlich wahlweise „Iv’e lost track of everything“ oder „Ive lost lost track everything“. Als Muttersprachler muss man da wahrscheinlich schon ganz schön besoffen gewesen sein, als man das in Auftrag gegeben hat.

Fazit: Obwohl ich selten von einem Headliner so enttäuscht wurde, ein sehr gelungener Abend. Vor allem das familiäre Gefühl bei den Shows in Gießen und die unglaubliche musikalische Bandbreite, die heute durch die vier Bands abgedeckt wurde (da war glaub ich auch für jeden, der einfach mal auf gut Glück kam, was dabei) sind deutliche Pluspunkte.