05. - 07.07.2019 - SUMMERJAM - Köln - Fühliner See

21.07.2019
 

 

Am Fühlinger See in Köln hieß es wie jedes Jahr am ersten Juliwochenende wieder: Reggae, Hip-Hop, Sonne und jede Menge glückliche Menschen. Zum 34. mal fand das Summerjam statt. 34 Mal, da dürften ein großer Teil der Besucher noch nicht mal geboren gewesen sein…

Das diesjährige Motto lautete A way of life. Sehr passend, denn es geht beim Summerjam nicht nur um Konzerte. Sicher, diese bilden das Rahmenprogramm und sind der Hauptgrund warum fast 30.000 Leute jährlich in den Kölner Norden pilgern. Aber das Summerjam verkörpert eben auch ein gewisses Lebensgefühl, eine kurze Pause vom Alltag. 3 Tage Freiheit. Keine Verpflichtungen. Keine Eile. Keine Hektik. Man trifft nette Leute, geht zusammen schwimmen oder auf die Insel zu einem der vielen Konzerte. Und wenn man so nette Nachbarn hat wie wir dieses Jahr, dann wird man vielleicht sogar morgens zu einem Kaffee ins benachbarte Lager eingeladen – und revanchiert sich mit einer Runde morgendlichem Tequila. Da kann der Tag doch nur gut werden!

Und so tritt der Summerjam auch in diesem Jahr wieder den Beweis an, wie friedlich tausende Menschen, unabhängig von sozialer und gesellschaftlicher Schicht und von unterschiedlichster Herkunft, zusammen feiern können.

2019 ist ein ganz besonderes Jahr für das Summerjam, denn seit Ende 2018 ist Reggae aus Jamaika von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt worden. Damit steht die Musikrichtung nun in einer Reihe mit Yoga aus Indien oder Rumba aus Kuba. Dass Reggae viel mehr ist als nur fröhliches Off-Beat Gedudel, das machten auf dem diesjährigen Summerjam wieder dutzende Künstler vor.

Einer der Headliner dieses Jahr war Buju Banton. Samstagabend spielte er als letzter Act auf der roten Bühne und sorgte für jede Menge authentischen Dancehall Flair. Geboren in ärmlichen Verhältnissen in Kingston, Jamaika hat er schon früh seine ersten Erfahrungen mit Dancehall gemacht und veröffentlichte mit 14 seine erste Single. Mittlerweile ist er einer der erfolgreichsten Reggae/Dancehall Künstler überhaupt, gewann 2011 mit „Before the Dawn“ einen Grammy für das beste Reggae Album und brach mittlerweile Bob Marleys Rekord der meisten Nummer 1 Hits in Jamaika. Doch seine Einladung zum Summerjam war nicht unumstritten. Im Alter von 15 Jahren schrieb Buju einen Song der ihn bis heute verfolgt. In „Boom Bye Bye“ ruft er offen zur Gewalt gegen Homosexuelle auf. Leider ist dies kein Einzelfall im Jamaikanischen Dancehall, der geprägt ist von den alttestamentarischen Vorstellungen der Rastafari und der patriarchischen und teilweise rauen Realität Jamaikas. Im Februar entfachte sich ein Streit zwischen den Summerjam Organisatoren und der Kölner Schwulen- und Lesbenszene. Buju Banton distanzierte sich öffentlich von den Aussagen des Titels und der Streit konnte beigelegt werden. Für die Musik des Festivals ein Gewinn, das Problem der Homophobie in Musik und speziell Dancehall sollte deshalb noch lange nicht abgehakt werden.

Als weitere Headliner standen Bonez MC & Raf Camora auf der Bühne. Die Jungs die sich selbst rühmen den deutschen Dancehall erfunden zu haben und jeweils mit „Palmen aus Plastik“ und auch „Palmen aus Plastik 2“ die Nummer 1 der deutschen Albumcharts erreichten. Der Erfolg gibt ihnen Recht, über ihre Ghetto-Attitüde kann man streiten, oder lachen. Das Bühnenbild jedenfalls war beeindruckend. Im Hintergrund ragten beleuchtete Wolkenkratzer in die Luft und plötzlich steht da ein Modell eines riesigen Krokodils mit aufgerissenem Maul. Textsicher rappten viele die Hits „Nie ohne mein Team“ oder „Palmen aus Plastik“ mit. Insgesamt für mich persönlich ein Act den ich auf dem Summerjam nicht unbedingt bräuchte, der aber offensichtlich vielen Spaß bereitet hat.

Parallel dazu war auf der anderen Bühne als Headliner Popcaan zu sehen. Der jamaikanische Dancehall Künstler wurde von Vybz Kartel entdeckt und eine Kollabo mit ihm („Clarks“) brachte schließlich auch den Erfolg. Mittlerweile hat er bereits mit so bekannten Leuten wie Drake und den Gorillaz zusammen gearbeitet. Letztes Jahr landete sein Album „Forever“ auf Platz 2 der Billboard Reggae Album Charts. Auf dem Summerjam sorgte er wie schon 2015 für ordentlich ausgelassene Stimmung.

Headliner am nächsten Tag war Querbeat. Die Band die das Jahr davor noch das Summerjam eröffnet hat, ist ein Jahr später Headliner. Überhaupt hat die 13-köpfige Brasspop-Band aus Bonn ein sehr erfolgreiches Jahr hinter sich und ist mittlerweile längst auch außerhalb des Kölner Karnevals bekannt und beliebt. Zwar kennt da jeder ihr „Nie mehr Fastelovend“ und „Dä Plan“, aber auf dem Summerjam haben sie bewiesen, dass es keinen Karneval braucht um mit ihnen zu feiern. Ich war ja erst skeptisch aber die Stimmung war absolut genial und riss einen förmlich mit. Der Sound und Vibe einer so großen Band ist einfach jedem DJ überlegen.

Dass davor Moop Mama spielten fand ich etwas ungeschickt. Mit ihrer Bandgröße und ihren Bläser-Sounds bewegen sie sich stylistisch doch nah an Querbeat - und so wirkten sie im Nachhinein ein wenig wie die Vorband für die bekannteren Headliner des Abends. Trotzdem hatten auch sie ihr Publikum und hatten sichtbar Spaß auf der Bühne. Live packt diese Band mich immer deutlich mehr als auf Platte. 

Viel Spaß machte mir Ricky Dietz, das neue Duo-Format von Peter Fox, bekannt als Frontmann der Berliner Dancehall-Truppe Seeed. Zusammen mit Singer-Songwriter Sway Clark will sich Peter Fox leider mehr auf die Arbeit hinter dem DJ Pult zurückziehen und überlässt Sway das Singen. Für das Summerjam Publikum hat er trotzdem mal das Mikro in die Hand genommen und das wurde gebührend vom Publikum gefeiert. Ansonsten überzeugte Sway Clarks Stimme und die 2 Tänzer waren für mich ein Highlight. Selten fand ich eine Tanznummer so gut und gleichzeitig lustig. Bei „“Flex Pon You“ muss ich jetzt noch grisen.

Eine große Überraschung war für mich die Band Slightly Stoopid. 7 Jungs aus Kalifornien von denen ich ehrlich gesagt noch nie etwas gehört habe. Und das obwohl sie schon seit 20 Jahren Musik machen und in den USA wohl große Konzerte spielen. Was mir direkt auffiel war der gute Sound der Band. Da sind Profis an den Instrumenten und mischen einen Sound aus Reggae, Rock, Hip-Hop und vielleicht sogar etwas Metal und Funk. Für mich zurecht als „Geheimtipp des Summerjam 2019“ betitelt werde ich mir diese Band noch mal genauer angucken.

Positiv überrascht war ich auch von Max Herre. Fand ich ihn in letzter Zeit doch eher flach und langweilig, überzeugt er mich live. Joy Denalane war zur Verstärkung dabei. Nachdem es mit Max neuer Single „Athen“ sehr langsam aber mit kraftvollem Sound losging, folgten dann auch alte Klassiker. „Anna“, oder eins meiner Lieblings-Stücke ,„Esperanto“ waren live so schön wie immer. Man kann über Max Herre sagen was man will, rappen kann er auf seine ganz eigene Art. Ganz ohne Proll-Gehabe, eine angenehme Abwechslung.

Mit sehr großer Spannung erwartet wurde Cypress Hill. Die Hip-Hop Gruppe aus den USA kennt wohl jeder. Seit ihrer Gründung 1988 haben sie bereits über 18 Millionen Alben verkauft. Besonders bekannt sind sie durch Lieder wie „Tequila Sunrise“, „Insane in the brain“ und „(Rock) Superstar“ geworden. Sie haben unzählige Erfolge gefeiert 3-fach Platin Platten, Nummer 1 Platzierungen, zuletzt sogar einen Stern auf dem berühmten Hollywood Walk of Fame. Seit 2004 experimentiert die Band vermehrt mit Reggae und arbeiteten unter anderem mit Damian Marley, einem der Söhne Bob Marleys zusammen.   

Weitere Künstler die sicher einen Besuch wert waren oder gewesen wären sind unter anderem: Alborosie, Banda Senderos, Kabaka Pyramid, Protoje, Tribal Seeds, …

Eine wahre Reggae Legende beendete das Summerjam 2019: Jimmy Cliff. Der Name mag nicht Jedem sofort etwas sagen, aber Lieder wie „Reggae Night“, „You can get it if you really want“ und „I can see clearly now“ kennt nahezu jeder. Jimmy ist mittlerweile über 70 Jahre alt und die Jahre sind nicht spurlos an ihm vorbei gegangen. Aber als er in einem bunten Gewand auf die Bühne kam, war die Ausstrahlung spürbar. Ein würdiger Abschied für das Summerjam! Bei leicht kühlen Temperaturen ging so wieder ein wunderbares Festival zu Ende. Aber nicht bevor der obligatorische „Redemption Song” zusammen gesungen wurde. Wenn die ganze Menge mitsingt ist das für mich immer Gänsehaut pur.

Danke für ein tolles Wochenende und bis zum nächsten Jahr!!

 

Text von HEIKO SCHMIDT

 

Unsere Bilder von der diesjährigen Ausgabe des SUMMERJAM-Festivals findet ihr nachfolgende:

SUMMERJAM - Köln - Fühlinger See (05.07.2019)

SUMMERJAM - Köln - Fühlinger See (06.07.2019)

SUMMERJAM - Köln - Fühlinger See (07.07.2019)