08.07.2019: LA DISPUTE, MILK TEETH, PETROL GIRLS - Wiesbaden - Schlachthof

15.08.2019
 

 

 

Den Abend eröffnen PETROL GIRLS aus London. Die Post-Hardcore Band ist grandios aufgelegt und liefert eine  von Anfang bis Ende beeindruckende Live-Show.
Stets im Mittelpunkt: Sängerin Ren Aldridge mit einer bemerkenswerten Bühnenpräsenz während den Songs und treffenderen Ansagen zwischen den Songs. Dabei hätte die Show für die aus London stammende Sängerin kaum schlechter starten können. Noch während des ersten Songs verschluckt sich die Frontfrau an ihrer eigenen Spucke, überspielt das Missgeschick jedoch gekonnt.
Die Londonerin hat trotz der recht kurzen Spielzeit von rund 30 Minuten jede Menge zu sagen. Vor jedem einzelnen Song wendet sich die Londonerin mit ein paar Worten an das Wiesbadener Publikum, erklärt worum es im folgenden Song geht, berichtet über eigene Erfahrungen und spricht Betroffenen von Rassismus, Homophobie und Depressionen Mut zu.

PETROL GIRLS sind 30 Minuten laut gegen Grenzen, gegen Faschisten, gegen homophobe Arschlöcher,… und haben noch mehr zu sagen: Unter dem Banner „Solidarity NOT Silence“ sammelt die Londoner Sängerin Spenden, um gemeinsam mit anderen Frauen gegen einen Mann aus der Musikindustrie vorzugehen, der die Frauen wegen Verleumdung angeklagt hat, nachdem diese öffentlich seinen Umgang mit Frauen angeprangert hatten. Wer die Frauen unterstützen möchte, kann dies HIER tun. 
Nebenher klaut die Band in ihrer Freizeit auch noch Flaggen, um im Anschluss neue, schönere Sachen daraus zu machen. Perfektes Set.

 



Im Anschluss entern die Briten von MILK TEETH die Bühne. Power-Pop-Punk, erneut mit weiblichem Gesang und dieses Mal mit Haupt-Gitarrist Em Foster im Gepäck, der auf der PUP-Tour aufgrund von Termin-Überschneidungen noch teilweise passen musste und dementsprechend ersetzt wurde.
Im Gegensatz zu PETROL GIRLS haben MILK TEETH weniger zu sagen und besinnen sich (neben ein paar wenigen, lustigen Ansagen und Publikumsaktionen) auf das Musik machen. Einzig mit der Aktion „beim nächsten Song doch bitte Handylichter im Publikum zu zünden“, wagen sich MILK TEETH weit raus in die Mit-Mach-Und-Pop-Gefilde.
Nebenbei gibt Gitarrist Em Foster seine Deutschkentnisse zum Besten („Polizei ist Schweineficker“), spielt ein Solo nach dem Anderen und scherzt mit seinen Bandkollegen um die Wette. Schön, dass er dabei ist.
Die Grimassen, Verrenkungen und Publikumsspielereien von Schlagzeuger Oli Holbrook fallen hingegen auf der großen Bühne kaum noch ins Gewicht und fallen nur noch besonders aufmerksamen Zuschauern auf. Dennoch haben die Drei sichtlich Spaß an ihrem Auftritt und verbreiten eine gute Stimmung im Wiesbadener Schlachthof, auch wenn Sie es nicht schaffen mit dem furiosen Auftritt der PETROL GIRLS zuvor zu konkurrieren.
Humoristischer Pop-Punk mit Aussage.

Im Anschluss betreten LA DISPUTE die Bühne und Spannung, Stimmung und Druck im Zuschauerraum ändern sich in Sekundenschnelle.
Weg vom Pop-Punk. Weg vom Hardcore-Punk. Hin zu durchdacht-strukturierten Post-Hardcore-Pattern. Auf nach
Grand Rapids.

Der Schlachthof in Wiesbaden ist nicht komplett gefüllt, jedoch weit von „leer“ oder schlecht besucht, wie im Vorhinein von einigen Besuchern vermutet, entfernt. Das kleinere Kesselhaus hätte bei Weitem nicht den Platz für alle Konzertbesucher geboten.
Eng mit dieser Entscheidung verbunden – der (leider) vorhandene Bühnengraben, der Stagediver und damit die Eskalation der früheren Jahre wie z.B. 2012 in der alten Battschkapp in Frankfurt quasi ausschließt.

Mit lauten Paukenschlägen, Fulton Street I und Fulton Street II eröffnen die US-Amerikaner ihr Set. Beeindruckender Sound, klare Strukturen und eine von Beginn an omnipräsente Band bestimmen das Gesamtbild. Großes Kino vom Intro an.

Jordan Dreyer hat in den vergangenen Jahren ordentlich an Hüftschwung zugelegt. Ist der US-Amerikaner auf der Bühne gerade nicht auf dem Weg von links nach rechts oder rechts nach links, hält er sich der Frontmann an seinem Mikrofonständer fest und bewegt seine Hüften dazu rhythmisch im Takt. Trotz selbstsichererem Auftreten, ein Mann der großen Ansagen ist Jordan Dreyer noch immer nicht und so wird ein Song nach dem Anderen, ohne große Pausen durchgespielt. Ein kurzes „Danke“ nach jedem Song reicht aus. Genug geredet wurde an diesem Abend ja bereits.

Vor der Bühne bleibt es insgesamt eher ruhig. Auch bei den schnelleren Songs, wird hier und da zwar gepogt, die große Eskalation bleibt jedoch aus. Wie bereits durch den Bühnengraben vorherzusehen, halten sich Stagediver während des Konzertes in Grenzen. Sporadisch werden zwar Personen in Richtung Bühne geschickt, von der Bühne aus, landen jedoch keine Konzertbesucher im Zuschauerraum.
Dennoch sind LA DISPUTE bemüht, die Zuschauer mit ins Geschehen einzubeziehen, so richtig funktionieren will das Ganze jedoch nicht.

LA DISPUTE-Shows haben sich gewandelt. Weg von den anarchischen, kleinen Hardcore-Shows, hin zu durchgeplanten, großen, aber nicht weniger beeindruckenden Gesamtkonzepten. Die US-Amerikaner schaffen es besser den je, den Raum mit ihrer Musik auszufüllen, große Sphären zu schaffen und diese im Anschluss wieder einstürzen zu lassen. Einzig der Bewegungsdrang hat darunter gelitten. Aber manchmal reicht zuschauen, mitwippen und zwischendurch mit gestreckter Faust gen Himmel mit zu schreien bereits für eine gelungene Show aus.
Zugaben gibt es, wie angekündigt, keine. Schluss, aus, raus.

Ein (fast) perfekter Abend.

1. Intro (Rose Quartz)
2. Fulton Street I
3. Fulton Street II
4. a Departure
5. Stay Happy There
6. First Reactions After Falling Through the Ice
7. a Letter
8. The Castle Builders
9. Sad Prayers for Guilty Bodies
10. New Storms for Older Lovers
11. View From Our Bedroom Window
12. Footsteps at the Pond
13. Harder Harmonies
14. Woman (In Mirror)
15. a Poem
16. Rhodonite and Grief
17. For Mayor in Splitsville
18. I See Everything
19. a Broken Jar
20. You and I in Unison