08.11.2019: EGOTRONIC, PETER CORETTO - Karlsruhe - Substage

13.11.2019
 

 

Wer wird denn rumstehen?
Freitagabend, die Lohnarbeit der Woche gehört der Vergangenheit an und wer Samstag doch noch arbeiten muss, den meldet Torsun Burkhardt persönlich bei seinem Arbeitgeber krank. „EGOTRONIC sind deine gute Entschuldigung morgen blau zu machen“.

EGOTRONIC und PETER CORETTO holen zum Rundumschlag aus. Karlsruhe, Substage - dem Bundesadler werden die Federn gestutzt.

Linksversiffte UnkulTOUR. In Punkto Kreativität bei der Auswahl des Tour-Namens setzen Torsun und Band neue Maßstäbe. Nach längerer Bühnenabstinenz heißt es warm laufen, um im Anschluss den Abriss zu zelebrieren. PETER CORETTO leisten Schützenhilfe und eröffnen den Abend, Deutschsprachiger Post-Punk mit klarer Kante und Hummeln im Hintern.

Der Abend beginnt spießbürgerlich. Die Münchner betreten noch vor 20 Uhr die Bühne, um pünktlich die ersten Töne über die Verstärker in Richtung Publikum zu jagen.
20:00 Uhr – Abfahrt - doch das Karlsruher Publikum lässt sich noch etwas bitten, ehe es so richtig auftauen will. Mit wilden Gesten versucht Sänger Marco noch während des ersten Songs das Publikum näher an den Bühnenrand zu bewegen, doch erst nach der mündlichen Ermahnung mit der ersten Ansage des Abends, füllt sich der Bereich vor der Bühne langsam. Aber schon der anschließende Tipp, sich auf Konzerten bis zur Verausgabung zu bewegen, findet im Zuschauerraum wieder nur vereinzelt Gehör. Schwieriger Start, dabei gibt es am Sound der Münchner wenig bis gar keine Kritikpunkte. Verspielter, emotionaler Post-Punk. Ein Hauch KRAWEHL, eine Prise KÄFER K und ein wenig TURBOSTAAT. Die raue Stimme von Sänger Marco meißelt die Worte in Stein, Bass, Gitarre und Schlagzeug untermalen den Hintergrund. PETER CORETTO hätten mehr Applaus verdient,  passen aber wohl besser ins nächstgelegene Jugendzentrum als auf die große Substage-Bühne. Dennoch, solider Auftritt.

 

 

Anders EGOTRONIC. Die Jahre im Jugendzentrum haben die Herren lange hinter sich. Mit Party-Politik gegen Faschisten, Sexisten, Antisemiten und sonstige Arschlöcher auf die großen Bühnen des Landes. Hat geklappt. Nachdem sich die Substage zu Beginn eher schleppend gefüllt hat, platzt der Saal zu Konzertbeginn aus allen Nähten. Karlsruhe hat Bock zu feiern. EGOTRONIC auch.
Gründe gegen Deutschland zu raven gibt es aktuell so oder so genug.

EGOTRONIC sind auch auf dieser Tour erneut mit kompletter Bandbesetzung unterwegs. Bass, Schlagzeug, Gitarre, Synthie und Gesang. Bekannte und unbekannte Gesichter spielen bekannte und unbekannte, neue und alte Songs. Mit neuem Album im Gepäck wird da weiter gemacht, wo zuvor aufgehört wurde. „Ihr seid doch auch nicht besser“ heißt das neue Album der Berliner Punk-Band, das bereits vor der Veröffentlichung so manchem Shitstorm standhalten musste. Boris Palmer Liebesbrief inklusive. 

 Die Band versucht von Sekunde eins an (wie sie selbst sagt) den Club antipatriotisch aufzuheizen. „Raven Gegen Deutschland“, „Deutschland, Arschloch, Fick Dich“ oder „Die Elbe Oder Ein Flugzeug“. Passendes Liedgut haben EGOTRONIC zu genüge im Gepäck. Und dieses scheint zu fruchten. „Nie wieder Deutschland“ hallt es bereits früh durch die Substage in Karlsruhe.

 

 

Party-Patrioten haben an diesem Abend Hausverbot und die Band scheint es zu freuen. Auch wenn der EGOTRONIC Frontmann Torsun Burkhardt an diesem Abend etwas verwirrt daher kommt, einen nach dem anderen Song überspringt und sich immer wieder um Kopf und Kragen redet. So verliest sich der Sänger direkt beim zweiten Lied auf der Setlist und kündigt anstatt „Toleranz“ kurzerhand „Linksradikale“ an, lässt sich aber vonseiten der Band dann aber eines Besseren belehren. Doch bereits wenige Songs später wiederholt sich das Schauspiel. Erneut setzt der gebürtige Hesse zur falschen Ansage an, setzt sich diesmal jedoch gegen den Rest der Band durch und mischt die Setlist, aufgrund eines erneuten Lesefehlers, einmal von vorne bis hinten durch. Upps. Doch der Berliner nimmt die kleinen Fehler mit Humor, überspielt sie oder lacht über sich selbst. Wie der Rest der Band auch. Denn die kleinen Lesefehler sollen nicht die einzigen des Abends bleiben. 

Als „Stargast“ haben sich EGOTRONIC Sascha Lobo bzw. eine günstigere Lookalike-Variante eingeladen. Denn wenn der deutsche Blogger, Buchautor, Journalist und Werbetexter Sascha Lobo nicht gerade für Spiegel Online schreibt, fährt er bei EGOTRONIC Bus. Und wenn der Iro-Träger schon einmal da ist, kann er auch gleich noch ein paar Songs wie Luftgitarre spielen.

Ansonsten liefern Torsun und Band die zu erwartende Anti-Deutsche-Sexparty.
Viele Ansagen, viel Zustimmung, viel Applaus.
Viel Musik, viel Party, viel Punk, viele textsichere Zuschauer.
EGOTRONIC bleiben auch 2019 eine gute Entschuldigung morgen blau zu machen.
Wer wird denn rumstehen?