08.12.2016): PROTEST THE HERO, A WILHELM SCREAM, AURAS, CYCLAMEN - Vancouver, BC - The Vogue Theatre

06.01.2017
 

 

Es regnet und fehlt an "Na und?"-Attituede. Das, was der kanadische Auslaeufer der heute startenden und besonders passend "Pacific Myth" betitelten Tour von PROTEST THE HERO fordert, ist nicht fuer jedermann - oder zumindest nicht fuer jedermann im heute aufgetischten Umfang - zu haendeln. Da waeren kurz nach Einlass und ueberpuenktlich zunaechst CYCLAMEN aus Japan - leider vor beinahe leerem Haus. Schuechtern zwischen ihren und unbaendig waehrend den unfassbar ausstafierten und dennoch balancierten Songs. Kein gerader Takt, durchschnittlich 300% Energie und Unberechenbarkeit. Slap Bass, Apokalypse, Djent, Melodie, Gegrunze, Wahnsinn, Breaks, aber niemals normal, nochmal oder ohne Puls. Frontmann Hayato Imanishi hat live sicher nicht die gefestigste Gesangsstimme, vielleicht liegt es auch an der niedlichen Aufgeregtheit seiner Band. Der Balkon des Vogue Theatres jedenfalls wackelt und zittert zu den brachialen Sounds des circa fuenfunddreissigminuetigen Sets. Anstrengender und vor allem sehr viel monotoner fallen Sound und Stimmung zu AURAS aus Ontario aus. Die sonst clever verschachtelten Gitarren gehen komplett unter, das Rueckgrat der technischen Metalcoreler besteht bis auf wenige Ausnahmen nur aus Krach. Die Umbaupausen sind sympathisch kurz angesetzt, das Wetter schreit nach Hefebrause, Merchandise gibt es ueber zwei Ebenen zu erwerben. Daher setzen sich die progressiven Metaller von der Ostkueste Kanadas stammend ihrem eigenen Schicksal aus und werden - Verzeihung - geskippt.
 
 
A WILHELM SCREAM sind vielleicht das dunkelste Schaf des Tour-Lineups, standen bereits zum Set des Openers mit offenen Muendern am Buehnenrand - jetzt versucht sich der Hardcore/Punk/Melodic-Fuenfer gar nicht erst mit Anpassen oder Umschrauben. Muss das? Klappt das? Ja, aber nein. Vancouver mag sich nur in den vorderen Reihen auf das ebenso technisch gewitzte aber weitaus umtriebigere und jugendlichere Set der Band um Frontsau Nuno Pereira einlassen. Die Buehne mag gross, aber keinesfalls unerklimmbar sein fuer pfeilschnell dargebotene Stuecke wie "The Kids Can Eat A Bag Of Dicks" oder "These Dead Streets" oder (natuerlich) "Me vs. Morrissey in the Pretentiousness Contest (The Ladder Match)" und "The King Is Dead". Das Engagement und die positive Laune auf der Buehne wurde den Jungs bereits vor Jahren auf die Stirn taetowiert. Ob beim FEST oder etwas weniger vertraut im Vorprogramm der Kumpels von PROTEST THE HERO - A WILHELM SCREAM aus Massachussetts allein sind das Ticket fuer den heutigen Abend wert. Der Headliner jedoch schleift und werkelt doch noch ein gutes Stueck am Niveau herum: Ein topfitter und zum Dauerscherzen aufgelegter Rody Walker, ein Ungetuem aus Riffs, Sounds und Licks auf den Punkt und - leider ein Einzeltaeter am heutigen Abend - ein fuelliger und differenzierter Mix mit vollen Drums, angepassten Vocals und Finesse statt stumpfem Wums. "Harbinger" oder "Mist" finden statt zwischen Party und Genialitaet, Walker gibt den perfekten weil hoeflichen und charmanten Entertainer. "Clarity" erinnert live noch mehr an IRON MAIDEN und endlich kapiert auch das Vogue Theatre, was mit faszinierendem Songwriting und energischer Darbietung zu bewegen ist. Die langen Pausen zwischen den Songs nerven nicht, denn sie werden von Walker und Co mit Soundlandschaften und Publikumsbespassungen gefuellt. Das Verhaeltnis zwischen PROTEST THE HERO und ihrem kanadischen Anhaengerkreis ist ein gestandenes und besonderes, weil intimes und von aussen nicht sofort nachvollziehbares. Eine Liveshow wie die heutige belegt ueber knapp 90 Minuten die Gruende dafuer.