Zur Rockmusiketikette gehoert 2017 auch die eigene Hot Sauce. Oder zumindest das eigene Bier. Check. Auch ein Festival mit Launch-Charakter darf es sein, wenn es nach Fat Mike und seiner Band NOFX geht. "Ich hab da diese bekloppte Idee..." No-brainer. Machen alle mit. Leider steckt das wahrhaftige Festival an seinem ersten von fuenf Tourtagen noch in den Kinderschuhen. Die Schlange am Ticketschalter ist nicht mal lang, dennoch sorgt eher hilflos scheinendes Personal fuer Wartezeiten von gut 40 Minuten - bei lediglich 20 Leuten in der Schlange. BAD COP/BAD COP spielen demnach ihre(n) letzten Song(s), als der Wind in der Studentenstadt Tacoma, Washington - eine knappe Stunden suedlich von Seattle - Bruchstuecke des Sets in Richtung Einlasstor spuelt. Schade. Schon im Vorfeld hagelte es Protest und Unverstaendnis - so wurde von Veranstalterseite gut eine Woche vor dem Festivaltermin ein Rueckzieher gemacht was das urspruengliche und im Ticketpreis inbegrieffene "unlimited Craft Beer sampling" fuer die ersten drei Stunden nach Einlass angeht. Aus "logitischen Gruenden koenne man leider nicht" - stattdessen gaebe es zehn Dollar pro Kopf fuer das Vorversaufs - aeh, Vorverkaufsticket gutgeschrieben.
Schnell wird nach Betreten des Gelaendes klar: Jene zehn Dollar kaufen einen einzigen (!) ganzen (!!) Plastikbecher mit umgerechnet 0,4 Liter Craft Beer. Gerade einmal drei lokale Brauereien sind gegen 16:30h noch nicht ausverkauft, dazu gesellen sich ausserdem einige Spezialitaeten des Hauptsponsors und Brauers des NOFX-Bieres "Punk in Drublic" - Stone Brewing. Jenes ist leider ebenso wenig in der Dose erhaeltlich (wie vorher angekuendigt), wie dass es eine Auswahl an veganem Essen gibt. Egal, GOLDFINGER. Oder zumindest, was in die zwanzig (!) Minuten ihres Sets passt. "Superman" natuerlich". Und der neue Skatepunkklopper "The Knife". Dazu neben dem gewohnt vorlauten John Feldman auch ein eher wackeliger MATCHBOOK ROMANCE-Drummer, der das Set in bloss drei Tagen gelernt haben will. "99 Red Baloons" jedoch sorgt fuer Grinsen, gute Erinnerungen, Bierpreise vergessen und Dankbarkeit fuer das angenehme Spaetsommerwetter auf der Wiese neben dem "American Car Museum". Um 17:00h bereits wird weiter aus dem Skapunk-Bilderbuch vorgetragen: LESS THAN JAKE aus Gainesville waren und sind noch immer die Reinform der alles plaettenden Pogoparty, des Kaltschalen-Singalongs und der Klopapier-Kanonen. "All My Best Friends Are Metalheads" vor "Johnny Quest Thinks We're Sellouts" ist das Rezept fuer den fruehabendlichen Abriss. Der Sound ist um Laengen besser als noch bei Feldman und seiner Band - heute bestehend aus Mike Herrera (MXPX), Phil Sneid (STORY OF THE YEAR) und eben Drummer Aaron Stern. "Look What Happened" und "The Science Of Selling Yourself Short" sorgen fuer einen feuchtfroehlichen Pit und leider auch fuer einige ueberfluessige Auseinandersetzungen unter angetrunkenen Besuchern, die die Prinzipien des gemeinsamen Feierns offenbar nicht ganz verstanden haben. Handelt es sich um einen Protest gegen die vorherschenden Bierpreise - so sei dieser doch bitte direkt an den Schirmherr zu addressieren. Dieser "habe doch eh nur sein eigenes Festival ins Leben gerufen, um endlich ueber BAD RELIGION headlinen zu koennen", scherzt LESS THAN JAKE-Frontmann Chris DeMakes, kurz bevor sich Posaunist Buddy Schaub fuer eine gehoerige Platzwunde am Schienenbein entscheidet. Blut vor der Buehne, Blut auf der Buehne - nicht unbedingt das vorherschende Erfolgsrezept fuer "Punk In Drublic" - die Tour. Fuer BAD RELIGION scheint jene (Buehne) letztlich fast zu klein. "American Jesus", "Fuck You" und natuerlich "Sorrow" und "Against The Grain" verfliegen vertraut und tight im Abendrot, waehrend die Suche nach Wasser zwar erfolgreich, jene nach etwaigen Plattenstaenden oder sonstiger Festival-Bespassung hingegen leider im Sande verlaeuft.
Beim Durchatmen zum Calipunk wird bewusst, wie improvisiert viele Aspekte des Festivals wirken: Die Backline zusammengeliehen, ein Teil der Kuenstler schon in Aufbruchstimmung - denn um Punkt 21h soll heute der Hammer fallen. Greg Graffin und Co. haengen sich solide rein und sind einfach zu perfekt eingespielt, als das "21st Century Digital Boy" oder "Modern Man" einfach so im Pacific Northwest-Himmel verpuffen. Die Ü-40-Fraktion hat sich fuer VIP-Tickets entschieden und wippt auf dem sporadischen Balkon an der Buehnenseite stehend fleissig mit dem Kopf dazu. "Punk" in Drublic.
Spassvogelalarm vs. rosa Irokese heisst es dann ab Punkt 20h: Fat Mike wirkt auffaellig nuechtern und versucht heute ein weiteres Mal alle Hits in eine Stunde Spielzeit zu druecken. Unmoeglich, dennoch ansteckend und hoechst unterhaltsam. "Fuck The Kids" und "Linoleum" muessen sein, "Stickin' In My Eye" ist erheblich mehr gefragt als das droege vorgetragene "I Don't Like Me Anymore". NOFX live sind und bleiben wie Pizza: Auch nach sieben Tagen Verzehr am Stueck nicht langweilig, nicht blosses Fuellmaterial, ein Erlebnis. Mit "Six Years On Dope", "Bob", "Eat The Meek" oder "72 Hookers" stellen NOFX ein stabiles und abwechslungsreiches Set zusammen und finden genug Zeit zum Bloedsinn und Bierwitze erzaehlen. "Straight Edge" schafft es eher zufaellig und spontan auf die Setliste, leider bleibt nach "Leave It Alone" und "Kill All The White Man" keine Zeit fuer eine moegliche Zugabe. Keine Veraenderung an der Schlange vor dem Merchstand - und wer schnell ist ergattert einen von wenigen Plaetzen im kleinen Saal der hiesigen "Wingman Brewery". Hier findet sich zusammen, wer mitsamt neu erstandenem Bandshirt gesehen, Dart spielen, bezahlbares und frisches Craft Beer trinken - oder einfach nur den Tag mit all seinen Hoehen und Tiefen ausdiskutieren will. "Punk In Drublic"-Tour 2017 in Tacoma, Washington: Jede Menge Luft nach oben.